Hamburg. Börsenpräsident Marcus Vitt verrät Strategien für die Geldanlage, gibt eine DAX-Prognose und erklärt seinen Weggang von Donner & Reuschel.
Hamburgs ehrenamtlicher Börsenpräsident Marcus Vitt ist – wie könnte es auch anders sein – überzeugter Aktionär. Im Abendblatt gibt er Anlagetipps und wagt eine Prognose für den Deutschen Aktienindex (DAX). Zudem äußert er sich zu seinen Plänen nach der Zeit als Chef der Privatbank Donner & Reuschel.
Der Deutsche Aktienindex (DAX) ist auf Rekordniveau, schloss erst kürzlich mit mehr als 19.600 Punkten. Dabei sind die Kriege weltweit sowie die schwache Konjunktur in Deutschland belastende Faktoren. Warum läuft es an der deutschen Börse dennoch so gut?
Das liegt vor allem an der Zinsentwicklung. Die gesunkenen Zinsen sorgen dafür, dass man sich günstig Geld besorgen und dieses investieren kann. Davon profitiert die Börse, aber auch der Immobilienmarkt. Die Aussicht auf weiter fallende Zinsen treibt die Kurse an – und das wird sich fortsetzen.
Rückkehr der Negativzinsen? Das sagt der Hamburger Börsenpräsident
Wie werden sich die Zinsen konkret entwickeln?
Eine genaue Zahl kann ich nicht nennen, das wäre der berühmte Blick in die Glaskugel. Ich gehe aber davon aus, dass die Zinsen weiter sinken werden, was auch an dem nachlassenden Inflationsdruck liegt.
Fürchten Sie auf mittlere Sicht erneut Negativzinsen?
Ich glaube, die Negativzinsen in Europa waren die große Ausnahme. Zu solchen Maßnahmen würde die Europäische Zentralbank in der Zukunft nur in extremen Krisenzeiten, bei großen externen Schocks greifen. Ich erwarte einen solchen Schritt auf absehbare Zeit nicht. Denn Negativzinsen haben zu viele Nachteile für die Wirtschaft und speziell den Finanzsektor.
Börsenpräsident Vitt: Ein US-Präsident Trump wäre gut für die Aktienmärkte
Sie haben von externen Schocks gesprochen. Ein solcher könnte womöglich nach den Präsidentschaftswahlen in den USA drohen. Wie würde die erneute Wahl von Donald Trump die Aktienmärkte beeinflussen?
Ich werde zu diesem historischen Ereignis persönlich in Washington sein, mir die Wahl und ihre Folgen vor Ort live anschauen. Und ich bin mir jetzt schon sicher, egal, wie das Ergebnis in der Realität ausfällt, dass Donald Trump in seiner Wahrnehmung der Wahlgewinner sein wird. Dann dürften wir Wochen der Unsicherheit bekommen. Gewinnt Trump aber tatsächlich die Wahl, dann wäre das gut für die Aktienmärkte.
Warum?
Die meisten Investoren sind sich einig, dass Trump eine wirtschaftsfreundlichere Politik als seine Konkurrentin Kamala Harris betreibt. Diese Politik würde zwar die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft in Arm und Reich weiter vorantreiben, aber das ist für die Kapitalmärkte zunächst nicht relevant.
Der DAX wird weiter steigen – pro Jahr um zehn Prozent
Wie ist Ihre längerfristige Prognose für den DAX?
Ich gehe auf lange Sicht weiterhin von einem durchschnittlichen Plus von zehn Prozent pro Jahr aus.
Mal konkret: Wie sollte ein 23 Jahre alter Student aktuell aus Ihrer Sicht sein Geld anlegen?
Wenn er Geld übrighat, sollte er bereits ans Alter denken und die Hälfte seiner Ersparnisse in breit gestreute Aktienfonds investieren. Den Rest könnte er auf Tages- und kurzfristige Festgeldkonten parken.
Vitt: Für junge Leute kann eigene Immobilie zum „Klotz am Bein“ werden
Und was empfehlen Sie dem 35 Jahre alten Gutverdiener?
Auch er sollte eine ähnliche Strategie verfolgen wie der Student. Aber der typische Deutsche baut oder kauft sich dann ja gerne ein Haus …
… was Sie für einen Fehler halten.
Ich bin bekennender Mieter und würde dem aufstrebenden 35-Jährigen davon abraten, eine Immobilie zur Selbstnutzung zu kaufen. Die Preise sind zu hoch, die Kaufnebenkosten ebenfalls. Zudem braucht man in der heutigen Zeit eine große Flexibilität und Mobilität, um Karriere zu machen. Da wird eine selbst genutzte Immobilie schnell zum Klotz am Bein. Dagegen kann sich eine Immobilie, die man selbst vermietet, durchaus lohnen. Doch dafür benötigt man ausreichend Eigenkapital.
Hamburger Börsentag
Am Sonnabend, dem 2. November, findet ab 9.30 Uhr der 27. Hamburger Börsentag in der Handelskammer am Adolphsplatz statt. Studenten des Hanseatischen Börsenkreises der Universität Hamburg und die Börse Hamburg haben diesen Tag organisiert. „Es ist für jeden interessierten Anleger etwas dabei“, verspricht Börsenpräsident Marcus Vitt. Banken sowie Vermögensberater stellen sich vor – und es gibt rund 50 interessante Vorträge rund um das Thema Geldanlage. Der Eintritt ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Und was sollte derjenige mit seinem Geld machen, der mit Ende 50 kurz vor der Rente steht?
Früher hätte ich gesagt, er sollte den Aktienanteil deutlich senken. Allerdings ist die Lebenserwartung mittlerweile so hoch, dass man durchaus auch kurz vor der Rente noch ein Drittel seines Vermögens in Aktien halten kann.
Wie Hamburgs Börsenpräsident in Aktien investieren würde
Welche Länder und Branchen sind aus Ihrer Sicht am Aktienmarkt besonders attraktiv in der Zukunft?
Die wirtschaftliche Dynamik und damit auch das Potenzial an den Aktienmärkten sind sicherlich in den USA am größten. Ich würde 25 Prozent an den europäischen Aktienmärkten und den Rest darüber hinaus anlegen, mit einem klaren Fokus auf die USA. Bei den Branchen sehe ich als Megatrends Gesundheit und neue Technologien wie zum Beispiel Robotik. Vor allem im Pflegebereich werden Roboter in Zukunft eine große Rolle spielen. Man findet doch heutzutage kaum noch Personal – und die Bevölkerung wird immer älter, der Pflegebedarf steigt extrem. Das bietet Chancen für die Automatisierung.
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Zum Schluss noch eine Frage zu Ihrer langjährigen Tätigkeit als Chef der Hamburger Privatbank Donner & Reuschel. Sie sind dort vor wenigen Wochen ausgeschieden. Warum – und was haben Sie nun vor?
Ich habe bei Donner & Reuschel jeden Tag mindestens 14 Stunden gearbeitet, dazu war ich mindestens jedes zweite Wochenende unterwegs. Das wollte ich ändern und ein wenig meine Work-Life-Balance verbessern. Deswegen hatte ich schon länger darüber nachgedacht, ob ich bei Donner & Reuschel noch einmal einen Fünfjahresvertrag unterschreibe, und mich bereits im Frühjahr dagegen entschieden. Ich werde nun in der Finanzbranche etwas Neues machen – und zwar selbstständig. Fest steht bereits, dass ich die Vermögensverwaltung, das Family-Office für wohlhabende Auftraggeber übernehme. Zudem kann ich mir vorstellen, noch in den einen oder anderen Aufsichtsrat einzutreten. Hier gibt es bereits interessante Angebote.