Aumühle. Laut „ZDF Magazin Royale“ sollen in verlassener Waldhütte mehrere Firmen einen Sitz haben. Was Otto von Bismarcks Ururenkel dazu sagt.
Seit der Veröffentlichung einer Recherche von Satiriker Jan Böhmermann und „Frag den Staat“ geistert sein Name durch die Medien, werden schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben: Er betreibe eine Steueroase im Sachsenwald. Nun meldet sich Unternehmer Gregor von Bismarck zu Wort – und weist die Anschuldigungen vehement zurück. Auf Nachfrage unserer Redaktion verweist er auf die Stellungnahme, die er bereits gegenüber dem ZDF und „Frag den Staat“, einer Internetplattform zur Förderung der Informationsfreiheit, abgegeben hat und die vollständig auf der Internetseite veröffentlicht wurde.
Satiriker Jan Böhmermann greift in der neuesten Ausgabe des „ZDF Magazin Royale“ die Familie von Bismarck an. Die Ergebnisse einer investigativen Recherche von Böhmermann und „Frag den Staat“ lassen vermuten, dass der Sachsenwald des Unternehmers Gregor von Bismarck, Ururenkel des ersten deutschen Reichskanzlers, eine Steueroase ist.
Steueroase im Sachsenwald? Das sagt Gregor von Bismarck zum Vorwurf
Böhmermann wundert sich in der Fernsehsendung über die vielen Briefkästen an einer einsamen Hütte am Stangenteich. Die Kästen und die in der Sendung beschriebenen Firmenschilder sowie ein Schild mit der Aufschrift „Büro“ hängen an der Fassade. Die dunkle, mit Reetdach eingedeckte Hütte aber liegt verlassen da. Dabei sollen unter der Adresse „Stangenteich 2, 21521 Sachsenwald“ mindestens 21 Unternehmen residieren.
Der Grund: Sie zahlen dort laut Fernsehbericht eine extrem niedrige Gewerbesteuer. Der Hebesatz liegt laut den Recherchen bei nur 275 Prozent – und das unverändert bereits seit 1958. Zum Vergleich: In Hamburg ist er mit 470 Prozent erheblich höher, und selbst die kleine Sachsenwald-Nachbargemeinde Aumühle verlangt 350 Prozent.
Gregor von Bismarck weist Vorwürfe entschieden zurück
Möglich macht den niedrigen Hebesatz der besondere Status des Sachsenwaldes als „gemeindefreies Gebiet“ – ein Relikt aus der „Landgemeindeordnung für die Provinz Schleswig-Holstein“ aus dem Jahr 1892. Einst war der Sachsenwald das Jagdgebiet von Kaiser Wilhelm I. 1871 schenkte der Monarch ihn seinem Reichskanzler Otto von Bismarck als Dank für dessen Rolle bei der deutschen Reichseinigung. Bis heute befinden sich große Teile des Sachsenwaldes im Eigentum der Familie Bismarck, die im nahe gelegenen Schloss im Aumühler Ortsteil Friedrichsruh lebt. Der Sachsenwald ist so etwas wie eine eigene, kommunale Verwaltungseinheit.
Die Familie Bismarck hat laut den Recherchen auf Grundlage des Gesetzes aus der Kaiserzeit im Sachsenwald alle Rechte und Pflichten, die sonst nur Städte und Gemeinden haben. Dazu gehöre auch, die Gewerbesteuer einzunehmen. Als Gutsbesitzer dürfe Gregor von Bismarck dem Lauenburger Landrat einen Gutsvorsteher vorschlagen, der die Verwaltungsaufgaben für das gemeindefreie Gebiet übernimmt – darunter auch die Festlegung des Gewerbesteuerhebesatzes.
Den Vorwurf, dass die Holzhütte eingerichtet worden sei, um Briefkastenfirmen als Steueroase zu dienen, weist Gregor von Bismarck entschieden zurück. „Am Stangenteich 2 sind ordentliche Büros eingerichtet, die mit allen zur Geschäftsführung erforderlichen Einrichtungen ausgestattet sind und regelmäßig von den dort ansässigen Unternehmen als Betriebsstätte genutzt werden“, so der Unternehmer. Bei den Unternehmen handele es sich um Verwaltungs- und Holdinggesellschaften, die keine Angestellten und keinen Publikumsverkehr haben.
Recherchen lassen vermuten, dass vermeintliche Büros nicht regelmäßig genutzt werden
Laut Fernsehbericht befinden sich in der Hütte aber gerade keine Büros, die regelmäßig genutzt werden. Der Papierkorb ist leer, der Kühlschrank ausgeschaltet. Auf einer Teepackung ist ein seit vier Jahren abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum zu erkennen. Zudem hatte das Team eine Wildkamera an der einzigen öffentlich zugänglichen Zufahrtstraße installiert. Innerhalb von zwei Monaten wurden etwa 20 menschliche Bewegungen aufgezeichnet – ein Wert, der nicht gerade auf einen regelmäßigen Geschäftsbetrieb deutet. Bei vielen der Passanten handelte es sich laut Böhmermann dem Anschein nach zudem um Spaziergänger und Wanderer.
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Als Verwaltungs- und Holdinggesellschaften könnten die Unternehmen, so von Bismarck weiter, ihre Niederlassung frei wählen und sich in Gemeinden ansiedeln, die einen attraktiven Gewerbesteuerhebesatz anbieten. „Der Forstgutsbezirk Sachsenwald liegt mit seinem Hebesatz von 275 Prozent deutlich über dem Mindestsatz und auf dem Niveau der umliegenden Gemeinden“, sagt Gregor von Bismarck. Von Steuerhinterziehung könne also keine Rede sein. „Im Übrigen werden die im Forstgutsbezirk Sachsenwald erhobenen Gewerbesteuern nicht von mir persönlich vereinnahmt, sondern vom Finanzamt bemessen und von der Gutsverwaltung für die Pflege und Erhaltung des Waldes eingesetzt, soweit sie nicht an Bund und Länder abgeführt werden“, so der Unternehmer.
Steuer sparen durch einen Firmensitz im gemeindefreien Gebiet Sachsenwald
Von Bismark dementiert auch, dass er den Sitz seiner Unternehmen in den Sachsenwald verlegt habe, um Steuern zu sparen. „Meine Unternehmen sitzen im Sachsenwald, weil ich dort lebe und arbeite“, so der Unternehmer. Die Unternehmen hätten sich zu einer nachhaltigen Unternehmensführung verpflichtet. „Daher haben sie den Forstgutsbezirk Sachsenwald als Betriebsstätte gewählt, denn die dort erhobenen Gewerbesteuern werden für die Erhaltung und Aufforstung des größten Waldes in Norddeutschland genutzt, der einen wertvollen Beitrag zur Klimawende leistet“, sagt von Bismarck.
Die Internetplattform „Frag den Staat“ hat auch den Schriftverkehr unter anderem mit dem Amt Hohe Elbgeest, der den Gutsbezirk Sachsenwald mitverwaltet, und dem schleswig-holsteinischen Finanzministerium veröffentlicht. Ingo Jäger, Kämmerer des Amts Hohe Elbgeest, teilt auf Nachfrage unserer Redaktion mit, dass das Amt für den Gutsbezirk Sachsenwald keine Gewerbesteuer und keine Grundsteuer erhebe, weil es nicht zuständig sei. „Die Zuständigkeit obliegt dem Gutsvorsteher“, so Jäger.
Daran, dass er das dürfe, bestünden aus seiner Sicht keine Zweifel. Wie das Finanzministerium mitteilt, sei für das gemeindefreie Gebiet Sachsenwald für die Jahre 2017 bis 2023 jeweils Gewerbesteuerumlage an die Landeskasse abgeführt worden. Das hätten weiterführende Ermittlungen ergeben.