Hamburg. Die Likedeelerei setzt auf solidarisches Wohnen und vermietet an Benachteiligte. Wie sie dabei vorgeht, wie hoch die Mieten sind.
Die Wohnungssuche in Hamburg hat so ihre Tücken: zu wenig Wohnungen, zu hohe Mieten. Manche Menschen haben es auf dem Wohnungsmarkt aber schwerer als andere – etwa Geflüchtete oder Menschen mit ausländisch klingenden Nachnamen. Die Likedeelerei mit Sitz in Hamburg-Wilhelmsburg will dem etwas entgegensetzen.
„Wir haben ein Syndikat für solidarisches Wohnen gegründet“, sagt Simon Stülcken. „Wir wollen Häuser und Wohnungen dem Wohnungsmarkt entziehen und diesen Wohnraum an Menschen vermieten, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer haben.“ Die Likedeelerei arbeitet dafür mit unterschiedlichen Vereinen zusammen.
Immobilien Hamburg: Likedeelerei will Hamburger Wohnungsmarkt verändern
„Wir können keine Einzelfälle bearbeiten, dafür haben wir keine Kapazität“, sagt David Döen. „Die einzige Ausnahme ist, wenn Menschen in einer Wohnung wohnen und ein Vorkaufsrecht für diese haben.“ Seit dreieinhalb Jahren gibt es das Syndikat. Der Name Likedeelerei ist plattdeutsch, bedeutet Gleichteilerei und ist eine Anlehnung an die Likedeeler rund um Klaus Störtebeker. Die teilten ihre Beute zu gleichen Teilen untereinander auf.
Keines der sieben Mitglieder der Likedeelerei kommt aus der Wohnungswirtschaft. „Wir mussten uns vieles erst aneignen“, sagt Döen. Der Ansporn: „Wir haben in unserer politischen Arbeit bemerkt, wie schwer es für manche Menschen ist, eine Wohnung zu finden“, sagt Lena Egetmeyer. Aus der Gründung eines Wohnprojekts in Wilhelmsburg hätten sie viele Erfahrungen sammeln können. „Wir haben das Haus gekauft und das Wohnen im Wohnprojekt organisiert. Das war ein super Lernfeld“, sagt die 35-Jährige. „Wir hatten einen Berater vom Mietshäuser-Syndikat, der uns dabei geholfen hat.“
Likedeelerei kauft Häuser und entzieht sie dem Wohnungsmarkt
Das Mietshäuser-Syndikat, ein Verbund aus mehr als 200 autonomen Hausprojekten und Initiativen, habe als Vorbild fungiert, sagt Stülcken. „Wir haben das rechtliche Konstrukt übernommen.“ Im Zentrum steht die WEG-Damit Hausverwaltung GmbH, welche die Häuser und Wohnungen kauft. Diese hat zwei Gesellschafterinnen: den WEG-Verein, dessen Mitglieder die Bewohner der Häuser, die Likedeelerei sowie Unterstützer sind, und die Stiftung des Mietshäuser-Syndikats. „Der Verein und die Stiftung kontrollieren die GmbH, damit die gekauften Häuser wirklich nicht wieder auf den Wohnungsmarkt kommen oder für Gewinn verkauft werden“, sagt der 42-Jährige.
Unterschiede zum Mietshäuser-Syndikat gibt es trotzdem. „Die setzen eine Selbstverwaltung voraus, wir nicht. Die Selbstverwaltung ist für viele Menschen eine große Hürde, vor allem wenn Deutsch nicht ihre Muttersprache ist. Besonders Geflüchtete haben oft andere Probleme, als sich um die Verwaltung ihres Hauses zu kümmern“, sagt Egetmeyer. „Für uns funktioniert das, aber wir sind privilegiert. Wir wollen diese Privilegien nutzen, um Wohnraum für weniger privilegierte Menschen zugänglich zu machen.“
Wohnen in Hamburg: Likedeelerei sitzt bei Finanzierung auf das Kollektiv
Wie kann ein Zusammenschluss aus Idealisten Häuser auf dem umkämpften Hamburger Wohnungsmarkt ergattern? „Ohne persönlichen Kontakt ist das kaum möglich. Es muss eine gewisse Sympathie bei den Verkäufern vorhanden sein und der Wille, das Objekt in eine soziale Vermietung abzugeben“, sagt Stülcken. „Wenn es ein Profitinteresse gibt, ziehen wir oft den Kürzeren.“ Dennoch: 17 Wohneinheiten hat das Syndikat schon ergattern können.
Bei der Finanzierung setzt die Likedeelerei auf das Kollektiv. „Wir müssen Direktkredite bei Einzelpersonen und Gruppen einwerben, mit denen wir, wenn nötig, einen Bankkredit aufnehmen“, sagt Egetmeyer. Döen ergänzt: „Wer uns Geld leiht, bekommt einen durchschnittlichen Zinssatz von einem Prozent. Es ist also keine Anlage, um sein Geld zu vermehren, sondern eher für Menschen, die hinter der Idee stehen“, sagt Döen.
Hauskauf in Hamburg mit Direktkrediten von Unterstützern
Auf der Webseite weist die Likedeelerei gemäß Paragraf 13 des Vermögensanlagengesetzes darauf hin, dass die Vergabe von Direktkrediten mit „erheblichen Risiken verbunden“ sei und zum Verlust des eingesetzten Vermögens führen könne.
Denn: Direktkredite sind Nachrangdarlehen. Das heißt, dass kein Geld an Kreditgeber zurückgezahlt werden muss, sofern dies die Zahlungsfähigkeit der Kreditnehmerin gefährdet. Vor allem werden aber bei einer Insolvenz zuerst der Bankkredit und die Forderungen aller nicht nachrangigen Gläubiger bedient.
- Grundsteuer in Hamburg ausrechnen: In Sekunden zum Ergebnis
- Immobilien: Warum Hamburg in neuem Ranking schlecht abschneidet
- Wohnen in Winterhude: So hoch sind Kaufpreise und Mieten
Trotz dieses Risikos sind Menschen bereit, die Likedeelerei zu unterstützen. Durch 180 bis 200 Personen sei bereits ein Volumen von mehr als zwei Millionen Euro zusammengekommen, sagt Döen. Die Likedeelerei profitiere davon, dass sie das Geld zu günstigen Konditionen bekomme. Die Kreditgeber könnten im Gegenzug sicher sein, dass ihr Geld sinnvoll genutzt werde.
„Für viele unserer Geldgeber ist es ein wichtiger Faktor, dass sie wissen, was mit dem Geld passiert.“ Eine gemeinnützige GmbH kann die Likedeelerei allerdings nicht werden. Denn: „Wohnen darf nicht gemeinnützig sein“, sagt Stülcken. „Das sollte sich ändern.“
Wohnungsmarkt Hamburg: Warum die Likedeelerei die Mieten nicht erhöht
Geld verdienen die Mitglieder der Likedeelerei bislang nicht. „Wir arbeiten ehrenamtlich, können uns nur eine kleine Aufwandsentschädigung zahlen“, sagt Stülcken. „Irgendwann wollen wir davon leben können.“ Das gestalte sich jedoch schwierig. Denn die Syndikatsmitglieder wollen nicht auf Kosten ihrer Mieter leben. „Im Durchschnitt zahlen unsere Mieterinnen und Mieter 8,50 Euro pro Quadratmeter“, sagt Döen. In einigen Fällen sei mit städtischer Förderung auch ein Mietpreis von 7,10 Euro pro Quadratmeter möglich, sagt Stülcken.
Erhöht werden die Mieten nicht. „Wir erstellen für jedes Objekt einen Finanzierungsplan, darin legen wir die Miete fest. Die wird dann nicht mehr erhöht“, sagt Egetmeyer. Das sei wichtig, um Sicherheit für die Mieterinnen und Mieter zu schaffen. Die fehle auf dem freien Wohnungsmarkt. Insofern lautet der Slogan des Syndikats für solidarischen Wohnen: Klarmachen zum Ändern.