Hamburg. Lufthansa-Tochter will sieben Strecken einstellen und streitet mit dem Airport um die Gebühren. Worum es geht, was im Detail geplant ist.
Nur einen Tag nach der massiven Streckenstreichung von Ryanair in Fuhlsbüttel gibt es für den Flughafen Hamburg die nächste schlechte Nachricht. Eurowings will im nächsten Jahr in einem ersten Schritt mehr als 1000 Flüge von und nach Hamburg aus dem Programm nehmen und an andere Standorte verlagern. Mehrere Ziele sollen gestrichen werden. Die Airline ist mit 16 stationierten Flugzeugen und 70 direkt angeflogenen Städten der Marktführer in Fuhlsbüttel.
Die bei Geschäftsreisenden beliebte Verbindung nach Köln/Bonn werde „im kommenden Sommerflugplan 2025 aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr angeboten“, teilte Eurowings am Freitag mit. Über diese innerdeutsche Streichung hinaus will die Lufthansa-Tochter ab Hamburg voraussichtlich sechs weitere Ziele in Europa und Nordafrika aus dem Programm nehmen.
Nächster Schlag für Flughafen Hamburg: Eurowings kappt 1000 Flüge
Auf der Streichliste stünden aktuell die griechische Insel Santorin und Keflavík auf Island, sagte Sprecher Florian Gränzdörffer auf Anfrage. Die anderen zu kappenden Ziele stünden bisher ebenso wenig fest wie mögliche Frequenzkürzungen auf ausgewählten Strecken. „Die Streichungen bedeuten eine Herausnahme von sieben Prozent unserer Kapazität im Jahr 2025“, so Gränzdörffer.
„Diese Entwicklung wäre vermeidbar gewesen“, sagte Eurowings-Chef Jens Bischof. „Aber die Pläne des Flughafens für eine völlig unverhältnismäßige Erhöhung der Entgelte lassen uns keine Wahl.“ Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) hatte am Donnerstag darauf hingewiesen, dass der Flughafenbetreiber in Hamburg im kommenden Jahr fast alle Flughafenentgelte um zusammen knapp zehn Prozent erhöhen möchte.
Eurowings verweist auf hohe Standortkosten – Airport Hamburg wehrt sich
Hamburgs Flughafenchef wehrte sich gegen die Vorwürfe. „Wir bedauern sehr, dass Eurowings sich zu dem Schritt entschieden hat, das Angebot in Hamburg zu reduzieren und Strecken zu streichen“, sagte Christian Kunsch. „Gleichzeitig können wir den Vorwurf der Fluggesellschaft, die geplante Erhöhung der Flughafenentgelte sei dafür verantwortlich, in keinster Weise nachvollziehen.“
Denn die Erhöhung, die der Hamburger Flughafen derzeit plane, würde die Kosten für einen Abflug ab Hamburg um rund 2,30 Euro pro Passagier erhöhen. Damit sei man im Vergleich mit den Airports in Düsseldorf, Stuttgart und Berlin wettbewerbsfähig. Zumal die Flughafenentgelte nur einen sehr geringen Anteil an den Gesamtkosten für Fluggesellschaften ausmachten, und zwar lediglich vier bis sechs Prozent. Der BDF bezifferte diesen Anteil hingegen auf knapp 15 Prozent.
Flughafen Hamburg machte während Corona hohe Millionenverluste
Zum Hintergrund: Während der Corona-Krise, als die Luftfahrt lahmgelegt wurde und die Zahl der Passagiere massiv einbrach, machte der Airport in den Jahren 2020 bis 2022 Verluste von insgesamt 186,2 Millionen Euro. Gut die Hälfte davon musste die Stadt Hamburg als Eigentümer und damit letztlich der Steuerzahler übernehmen – nachdem der Airport zuvor pro Jahr stets zweistellige Millionen-Euro-Gewinne ausgewiesen hatte.
Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges stiegen dann die Kosten auf breiter Front. Die Entgelte könne man aber wegen langfristig laufender Verträge mit den Airlines erst im Frühjahr 2025 erhöhen, hatte Kunsch zum Jahresanfang in unserem Exklusiv-Interview gesagt.
Flughafen Hamburg will Entgelte zum April um neun Prozent erhöhen
Zum 1. April 2025 plane man nun, diese um rund neun Prozent zu erhöhen, sagte Kunsch am Freitag: „Allein die Tarifsteigerungen bei den Personalkosten machen in diesem Jahr rund zwölf Prozent aus – und auch zukünftig wollen und müssen wir angemessene Gehälter zahlen können!“ Die Kostenunterdeckung müsse schrittweise abgebaut werden, um Zukunftsinvestitionen wie die Erneuerung der Gepäckanlagen und die fortschreitende Dekarbonisierung zu finanzieren.
Bei Eurowings scheint man dieser Argumentation nicht folgen zu wollen. „Es ist sehr bedauerlich, dass hier keine tragfähigen Lösungen angeboten worden sind“, sagt Airline-Chef Jens Bischof. „Die Leidtragenden sind jetzt Urlaubs- und Geschäftsreisende aus der Region.“ Das reduzierte Angebot werde die direkte Anbindung Hamburgs deutlich schwächen und Fliegen aus der Hansestadt spürbar verteuern.
Deutscher Fluglinienverband sieht Stillstand für Hamburg Airport
In dieselbe Kerbe schlägt erwartungsgemäß der BDF. Der Flughafen Hamburg befinde sich auf Schrumpfkurs, hieß es. Am Donnerstag hatte Ryanair bekannt gegeben, dass man im Sommerflugplan 2025 sechs von elf Routen in Hamburg streichen und die Kapazität um 60 Prozent oder 400.000 Sitze reduzieren werde.
„Mit diesen Ankündigungen der beiden Fluggesellschaften wird die weitere Erholung in Hamburg komplett zum Stillstand kommen“, sagte BDF-Geschäftsführer Michael Engel: „Wir bedauern es sehr, dass der Flughafen mit seiner Entgeltpolitik der Konnektivität der Freien und Hansestadt Hamburg einen Bärendienst erweist.“
Streicht Eurowings das Angebot bald auch an anderen deutschen Flughäfen?
Die irische Billigfluglinie hatte den Teilrückzug vom Flughafen Hamburg am Vortag aber mit einer etwas anderen Argumentationslinie begründet. Seit Monaten wettert Ryanair über die hohen Abgaben und Steuern, die generell in der Bundesrepublik erhoben werden. Daher wurde nach der bereits Ende August angekündigten Kapazitätskürzung das Angebot in Berlin um 20 Prozent, in Köln/Bonn um zehn Prozent und in Dortmund, Leipzig und Dresden komplett gestrichen.
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Ist der Schritt von Eurowings in Hamburg vielleicht auch nur der Anfang? Das ist nicht ausgeschlossen, denn die Airline prüfe, auch an anderen deutschen Airports Strecken einzustellen, teilte Eurowings mit. Denn durch die Summe aller deutschen und europäischen Kostenbelastungen werde Fliegen in und ab Deutschland immer teurer und auf vielen Strecken unrentabel. Erwägt wird offenbar, das Flugangebot in anderen EU-Ländern auszuweiten.
Oppositionspolitiker reagieren mit harscher Kritik auf die Kapazitätskürzungen
Die Opposition reagierte mit harscher Kritik auf die Ankündigungen von Ryanair und Eurowings. Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß forderte die Rücknahme der im Mai erfolgten Erhöhung der deutschen Luftverkehrssteuer um 20 Prozent. „Deutschland ist unter der Ampelkoalition international nicht mehr wettbewerbsfähig“, sagte er unserer Redaktion. „Mit der Erhöhung der Luftverkehrssteuer hat die Ampel nicht nur Reisen für Millionen deutsche Urlauber teurer gemacht, sondern auch dem schwächelnden Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zugefügt.“
Das sei ein schwerer Schlag für den Wirtschaftsstandort Hamburg insgesamt und den Tourismus im Besonderen, sagte sein Parteikollege Dennis Thering. Der CDU-Fraktionschef in der Bürgerschaft forderte den rot-grünen Senat mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) an der Spitze auf, sich für den Luftfahrtstandort Hamburg einzusetzen und darauf einzuwirken, dass sowohl der Flughafen als auch die Bundesregierung diese „Fehlentwicklung“ umgehend korrigiere.
Ist der Flughafen Hamburg auf dem Weg zum Provinzflughafen?
„Die Erhöhung der staatlichen Flughafenkosten und vor allem der Luftverkehrssteuer durch die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten ist ein Desaster mit Ansage und Hamburgs Flughafen droht damit zum Provinzflughafen zu verkommen“, sagte Thering.
Auch die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Katarina Blume befürchtet, dass Hamburgs Airport „auf das Niveau eines Provinzflughafens herabzusinken“ droht. Der Konflikt zwischen Eurowings und der Flughafenleitung um die hohen Gebühren dürfe nicht auf dem Rücken der Fluggäste und der Wirtschaft ausgetragen werden, so Blume: „Jetzt muss der Senat Farbe bekennen und einen Masterplan für die Zukunft des Flughafens entwerfen, bevor weitere Verbindungen gestrichen werden.“