Hamburg. Hinter den Kulissen des Hamburger Airbus-Werks. In der Lackiererei wird geklebt und gemalt. Im „Paintshop“ ist noch Handarbeit gefragt.

Sie sind eine einzigartige Spezies: Fliegende Meeresschildkröten gibt es in der Realität nicht – es sei denn, man schaut in Tokio oder Honolulu in die Luft. Die Fluggesellschaft All Nippon Airways setzt ihre A380 im Liniendienst zwischen der japanischen Hauptstadt und dem Touristen-Hotspot in den USA ein.

Die drei Riesen-Airbusse sind echte Hingucker: In Türkis, Blau und Orange prangen dort die Meeresschildkröten auf dem Rumpf. 3300 Liter Farbe wurden dafür auf das größte Passagierflugzeug der Welt aufgetragen – und das geschah vor einigen Jahren in Hamburg.

Airbus: So erhalten die Flugzeuge ihr Airline-Design

„Wir betreiben sieben Lackierhallen hier am Standort, in denen wir parallel die Flugzeuge der A320-Familie lackieren“, sagt Joana Kapsalis, die den sogenannten „Paintshop“ auf Finkenwerder leitet. Die einstige Halle für den A380 werde heutzutage aber nach dem Produktionsaus für den vierstrahligen Jet nur noch ab und an genutzt. Dann aber wie alle anderen Hallen für die A320-Familie.
Alle Flugzeuge, die in Hamburg endmontiert werden, erhalten in dem Gebäudekomplex nahe dem Haupttor ihren Anstrich.

Airbus Reportage
Detailarbeit: Ein Airbus-Mitarbeiter klebt eine kleine Stelle an einem zu lackierenden Jet ab. © FUNKE Foto Services | Axel Leonhard

„Zunächst wird das Flugzeug eingedockt, unsere Bühnen dafür sind beweglich. Im Anschluss wird es geschliffen, bevor der Lackierprozess beginnt“, sagt Kapsalis. Die Bemalung kann aber erst losgehen, wenn die massiven Klebearbeiten abgeschlossen sind. Das Flugzeug wird maskiert, heißt dieser Vorgang Airbus-intern. „Das heißt, wir kleben die Teile ab, die nicht von uns lackiert werden sollen, wie zum Beispiel die bereits vorab lackierten Tragflächen“, so die Paintshop-Chefin.

Airbus-Mitarbeiter in der Lackiererei brauchen viel Zeit zum Abkleben

Das ist noch viel Handarbeit und nimmt den Löwenanteil der veranschlagten Arbeitszeit für den Flieger in Anspruch. Dann steht das Lackieren an. Doch bevor es an die Spritzpistolen geht, muss zunächst die Schutzausrüstung angezogen werden.

Ein Mitarbeiter packt sich in einer Ecke der Halle gerade ein. Er zieht einen Lackieranzug an und schnallt sich einen Gurt mit der Filtereinheit um. Die Akku-getriebene Filtereinheit saugt die Außenluft an, reinigt diese und gibt sie in den Helm ab, der aufgesetzt wird. Dann kann der Lackierer dank des Überdrucks normal atmen, Schadstoffe sollen nicht hineinkommen.

Die Airbus-Jets werden von acht Menschen lackiert, jeweils in Zweier-Teams

Er streift sich zwei Paar Handschuhe über. Erst ein weißes aus Baumwolle, das den Schweiß bei dem schweißtreibenden Lackiervorgang etwas aufsaugt. Dann kommt noch ein grünes Paar aus Gummi darüber, als Schutz vor Lösemitteln und anderen Flüssigkeiten. Auch der Helm wird mit einer Folie zusätzlich geschützt.

Airbus Reportage
Es dauert, bis sich die Lackierer in den Schutzanzug geworfen haben. Ein Mitarbeiter in voller Montur. © FUNKE Foto Services | Axel Leonhard

Das Flugzeug wird von acht Menschen lackiert, vier auf jeder Seite, auf unterschiedlichen Ebenen. Das oberste Zweier-Team fängt an, die anderen greifen versetzt ein – sonst stünden sie im von oben herabfallenden Sprühnebel. Der Vorgang läuft in einem Rutsch ohne Pause von vorn nach hinten oder andersherum ab.

Ein A320 braucht etwa 500 bis 700 Liter Lack, ein A380 rund 1900 – die Schildkröten mehr

Vier bis fünf Lackiervorgänge gibt es pro Jet im Normalfall. Los geht es mit dem Grundierungslack. „Auf ein Flugzeug der A320-Familie gehen etwa 500 bis 700 Liter Farbe drauf“, sagt Kapsalis. Bei einem Riesen-Airbus seien es in der Regel 1900 Liter – der All-Nippon-Airways-A380 mit seinem ausgefallenen Meeresschildkrötenmotiv schlägt da etwas aus der Art und verbrauchte deutlich mehr Farbe. Zum Schluss kommt noch Klarlack obendrauf.

Auf den Lack kommen im alltäglichen Flugbetrieb hohe Anforderungen zu. „Im Flugzeugbau ist es enorm wichtig, dass die Farbe die Temperaturschwankungen abkann“, sagt Kapsalis. Beispielsweise müsse der Lack beim Start in Dubai auch mal 50 Grad Celsius aushalten können und kurz darauf in der Luft minus 50 Grad Celsius gut überstehen.

Lack muss extreme Temperaturunterschiede und Bewegungen der Kabine aushalten

Hinzu kommt: „Die Kabine bewegt sich ein bisschen. Das heißt: Die Farbe muss ein Stück weit elastisch und sehr beständig gegenüber Sand, Staub und sonstigen kleinen Teilen sein, die auf den Lack gelangen.“ Als besonders schwierig für die Lackierer gelten Farbverläufe und Metallic-Lacke.

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Gearbeitet wird im Gegensatz zu den meisten anderen Abteilungen bei Airbus in Hamburg rund um die Uhr. „Unsere 270 Kolleginnen und Kollegen in den Lackierhallen sind sieben Tage die Woche 24 Stunden im Einsatz“, so Kapsalis. Wenn es gut läuft, ist der Paintshop nur zu Weihnachten dicht.

Ein A320 verbringt sechs Tage in der Lackiererei

Die durchschnittliche Liegezeit der A320-Flugzeuge in der Halle ist sechs Tage. Dann sind die Flieger lackiert und bereit für die Auslieferung. Beim A380 mit der blauen Meeresschildkröte, die 2018 als erste lackiert wurde, waren es damals 21 Tage.

Feinarbeiten an der fertigen A380-Maschine für Nippon Airways.
Feinarbeiten an der fertigen A380-Maschine für Nippon Airways. © Airbus S.A.S. 2020 | Airbus S.A.S. 2020

Die Meeresschildkröten sind übrigens nicht die einzigen Tiere, die um den Globus fliegen. Auf dem Seitenleitwerk von Frontier Airlines prangen fotorealistische Darstellungen verschiedener Wildtiere: Bei der US-amerikanischen Billigfluglinie heben zum Beispiel Fuchs, Eule und Waschbär ab.