Hamburg. Vorwurf: Händler soll Mieten und Übernahmepreis nicht bezahlt haben. Chef der Schuhkette widerspricht. Lounge-Konzept startet in Hamburg.

Die Schuhhandelskette Görtz startet in Hamburg ein neues Geschäftskonzept. Am kommenden Sonnabend (12. Oktober) soll in Eppendorf der erste Laden unter dem Namen Görtz Lounge eröffnen. Das Ladenlokal, in dem vorher eine Filiale der Konfiserie-Kette Arko war, ist eine Art Showroom mit einer begrenzten Auswahl an Schuhen, Bekleidung und Accessoires. Die Waren können vor Ort anprobiert und bestellt werden. Die Lieferung soll binnen 24 Stunden ins Geschäft oder nach Hause erfolgen (zwischen 19 und 23 Uhr).

Angeboten werden auch diverse Services wie Schuhreparatur und orthopädische Einlegesohlen sowie Textilreinigung und ein Ausschank von Arko-Kaffee. Görtz-Inhaber und Geschäftsführer Bolko Kissling, der das Hamburger Familienunternehmen im vergangenen Jahr aus der Insolvenz übernommen hatte, hatte das neue Konzept im vergangenen Jahr angekündigt. Die Eröffnung des bundesweit ersten Görtz-Lounge-Ladens war zunächst für Anfang September angekündigt worden und hatte sich mehrfach verschoben.

Görtz eröffnet Laden in Hamburg-Eppendorf mit neuem Konzept

Die Eröffnung fällt in turbulente Zeiten für den Schuhfilialisten. Ausgerechnet in Österreich, wo Kissling nach der Insolvenz mit mehreren Geschäftseröffnungen das Görtz-Comeback vorangetrieben hatte, gibt es jetzt Ärger. Der Streit ist um Görtz-Läden in Wien und in mehreren anderen österreichischen Städten entbrannt.

Görtz Lounge Laden in Eppendorf
Die Vorbereitungen für den Start des ersten Görtz-Lounge-Ladens in Hamburg laufen. Das Geschäft ist montags bis sonnabends von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Zwischen 19 und 23 Uhr kann man sich Waren nach Hause liefern lassen. © Hanna-Lotte Mikuteit | Hanna-Lotte Mikuteit

Im Raum steht, dass Verabredungen zur Übernahme nicht eingehalten wurden und Mieten säumig sein sollen. Kissling bestreitet das und wehrt sich juristisch gegen diese Vorwürfe. Es bahnt sich ein langer Rechtsstreit an, in dem zwei bekannte Schuhmarken und zwei Insolvenzen eine Rolle spielen. Zuerst hatten Branchenblätter darüber berichtet.

Streit um Geld: Neuer Ärger für Hamburger Schuhkette Görtz

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen: Im November 2023 war Görtz in neun frühere Standorte der österreichischen Traditionsschuhmarke Delka und von Salamander Österreich mit Pop-up-Shops eingezogen. Nachdem beide Schuhfirmen sich komplett aus dem Einzelhandelsgeschäft zurückgezogen hatten, verhandelte Görtz-Chef Kissling mit den Nachfolgefirmen Schuhquadrat und Schuhkreis und deren Geschäftsführer Rainer Schrems über eine Teilübernahme. So weit ist der Sachstand unstrittig.

Nachdem Mitte September bekannt geworden war, dass Schuhquadrat in Insolvenz ist und geschlossen werden soll, ist der Konflikt zwischen den früheren Verhandlungspartnern offen ausgebrochen. Geschäftsführer Schrems, der sich selbst als Sanierungsexperte bezeichnet, erhebt schwere Vorwürfe gegen den „vermeintlich verlässlichen Partner aus Deutschland“.

Görtz: Österreichischer Unternehmer erhebt schwere Vorwürfe

Sein Rechtsanwalt Paul Kessler von der Wiener Kanzlei Singer & Kessler erklärte gegenüber dem Abendblatt: „Bis dato wurde weder der Übernahmepreis noch die Mieten für die benutzten Standorte bezahlt.“ Nur eine Teilsumme sei geflossen. Dadurch, dass weitere hohe Kosten angefallen seien, für die Schuhquadrat hafte, sei das Unternehmen insolvent. Inzwischen wurde auch über das Vermögen von Schuhkreis ein Insolvenzverfahren eröffnet. Nach Abendblatt-Informationen beläuft sich die Gesamtforderung momentan auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.

Bolko Kissling, der bei Görtz über sein Unternehmen CK Technology Solutions mit Sitz in Wien als Investor eingestiegen war, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die Behauptungen des Schuhquadrat- und Schuhkreis-Chefs und seines Anwalts entbehrten jeder Grundlage und seien falsch, lässt er in einer schriftlichen Stellungnahme verbreiten.

Görtz-Inhaber Bolko Kissling widerspricht den Vorwürfen

„Wir haben mit Schuhquadrat keine Vereinbarung über die Übernahme des Betriebs, und damit kann es auch keine Forderungen gegen unser Unternehmen geben“, so der 62-Jährige wörtlich. Die Behauptung, dass Görtz an der Insolvenz von Schuhquadrat die Schuld trage, sei substanzlos. Nach seiner Darstellung waren die Verhandlungen über die Übernahme von Standorten bereits im Februar 2024 gescheitert. Grund: Schuhquadrat habe nicht nachweisen können, dass keine Mietrückstände für die Standorte vorlägen.

Wie Schrems und sein Rechtsanwalt kündigte auch Kissling die Prüfung strafrechtlicher Sachverhalte an. Im Unternehmen Görtz wurde Kisslings Stellungnahme zu den Vorwürfen per Mail verbreitet – mit der Bitte, diese bei eventuellen Anfragen gern mit Lieferanten und Partnern zu teilen. Die Abendblatt-Frage, ob und an wen Görtz in den Monaten seit November 2023 Miete für die österreichischen Läden gezahlt habe, ließ Kissling offen. Er teilte mit, dass es aktuell noch sieben Görtz-Filialen in Österreich gebe. Einer der Standorte in Wien sowie ein weiterer in Linz sind geschlossen worden.

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Unterdessen hat Kissling das Umsatzziel von 70 Millionen Euro für sein erstes Görtz-Geschäftsjahr heruntergeschraubt. „Dies wird etwas niedriger ausfallen bei etwa Ende 50 Millionen Euro“, sagte er dem Abendblatt.

In den Läden in Hamburg fallen Veränderungen zu früheren Jahren auf. Zu Beginn der Herbstsaison stehen mehr Sneaker in den Regalen als Stiefel und Boots. Ein weiterer Schwerpunkt ist Damenmode der neuen Görtz-Marke GLDN. Es gibt, etwa in der größten Görtz-Filiale in der Hamburger Innenstadt, noch umfangreiche Flächen mit Schlussverkaufsware. Zudem fehlen bekannte Schuhmarken, darunter Gabor und Melvin & Hamilton.

Görtz: Bekannte Schuhmarken fehlen im Regal

Lloyd hatte wie berichtet im August bundesweit die gesamte Ware aus den Läden abholen lassen: per Gerichtsvollzieher und mit Polizeischutz. Zu den Gründen äußerte sich Lloyd auf Anfrage nicht. Kissling erklärte, dass „gewisse Differenzen nicht beigelegt werden konnten“. Laut Branchenmeldungen hat ein Warenkreditversicherer zum Ende des Jahres die Zusammenarbeit mit Görtz eingestellt. Die Gründe und Auswirkungen sind unklar. Das Unternehmen äußerte sich auf Anfrage nicht und berief sich auf Vertraulichkeit.

Laut Kissling läuft der Vertrag planmäßig Ende 2024 aus. Mit den zehn betroffenen Lieferanten seien neue Vereinbarungen getroffen worden. Aktuell führt Görtz nach eigenen Angaben 150 Marken, der Schwerpunkt soll künftig auf kleinen europäischen Herstellern und Eigenmarken liegen.

Görtz Lounge Laden in Eppendorf
Gucken, anprobieren, bestellen: Schuhhändler Görtz eröffnet am Sonnabend den ersten Görtz-Lounge-Laden in der ehemaligen Arko-Filiale an der Eppendorfer Landstraße 63. © Hanna-Lotte Mikuteit | Hanna-Lotte Mikuteit

Für Irritation sorgt, dass der Onlineshop seit Monaten abgeschaltet ist. Kissling erklärt das mit komplexen technischen Anpassungen, die mit der Einführung des neuen hybriden Ladenkonzepts Görtz Lounge zusammenhingen. „In den nächsten zehn bis 14 Tagen ist Görtz.de wieder erreichbar.“ Görtz ist aktuell mit sechs klassischen Standorten in Hamburg vertreten, drei davon in Einkaufszentren des Betreibers ECE. Geplant sei, alle bestehenden Filialen weiterzuführen, so Kissling.

Görtz-Onlineshop soll in zehn bis 14 Tagen wieder erreichbar sein

Derzeit gibt es hierzulande seinen Angaben zufolge 42 Görtz-Standorte. Kissling hat die Eröffnung von weiteren Filialen angekündigt. Gestartet haben in den vergangenen Wochen Geschäfte in Bochum, München und Erfurt. Dort waren zuvor größere Görtz-Standorte geschlossen worden. Nach dem gleichen Muster sollen Dortmund, Leipzig und Frankfurt und ein Görtz-Lounge-Laden in Schwäbisch Hall folgen.