Hamburg. Gabor, Melvin & Hamilton und Lloyd beliefern den Schuhhändler aktuell nicht. Onlineshop ist nicht erreichbar. Das sagt der Inhaber.

„Saison-Ausverkauf“ steht in großen Buchstaben im Schaufenster. Im Flagship-Geschäft des Schuhhändlers Görtz in der Hamburger Innenstadt gibt es auf Sandalen, Sneaker & Co. gerade Rabatte von bis zu 70 Prozent. Auch die neue Mode-Kollektion GLDN by Görtz, die erst im Mai gestartet war, ist teilweise reduziert. Ein Paradies für Schnäppchenjäger.

Trotzdem werden manche Kunden nicht das finden, was sie suchen. Denn bei Görtz fehlen einige bekannte Schuhmarken im Sortiment. Aktuelles Beispiel sind Schuhe des bekannten Herstellers Lloyd. Nach Abendblatt-Informationen hatte das Unternehmen aus Sulingen vor einigen Tagen bundesweit alle Schuhe aus den Läden abholen lassen: per Gerichtsvollzieher und mit Polizeischutz. Die Markenschilder über den Regalen sind inzwischen abmontiert worden.

Görtz: Warum bestimmte Schuhmarken in den Läden fehlen

Görtz-Inhaber Bolko Kissling, der den Schuhhändler im vergangenen Jahr aus der Insolvenz übernommen hatte, sagte dazu gegenüber dem Abendblatt. „Wir führen derzeit keine Lloyd-Schuhe, da gewisse Differenzen nicht beigelegt werden konnten, und Lloyd dann zu diesem Schritt griff, der ganz sicher sehr extrem war und für mich unverständlich.“ Es werde sich zeigen, ob und in welchem Maß wieder Lloyd-Schuhe geführt würden. „Es wird andere Marken in diesem Segment geben. Das stellt der Einkauf zusammen.“

Die Marke Gabor ist bereits seit letztem Jahr nicht mehr bei Görtz erhältlich, wie Kissling bestätigte. „Hier wird es neue Marken geben, die sowohl einen sportlicheren als auch eleganten Ansatz haben und modisch besser zu unserer Kollektion GLDN passen.“ Weder Gabor noch Lloyd äußerten sich auf Anfrage.

Görtz: Langjährige Partner liefern nicht mehr

Nach Abendblatt-Informationen beliefern weitere Hersteller das Hamburger Traditionsunternehmen nicht mehr oder planen diesen Schritt, darunter der Heidelberger Schuhhersteller Melvin & Hamilton. Zum Frühjahr/Sommer 2024 hatte der Familienbetrieb nach eigenen Angaben nur noch einen Teilauftrag ausgeführt. Görtz war mehr als 30 Jahre Kunde bei Melvin & Hamilton.

Die Branche schaut schon länger mit Argusaugen auf die Entwicklung bei dem Hamburger Unternehmen. Der Einstieg des 62-jährigen Logistik-Unternehmers mit offiziellem Wohnsitz im US-Bundesstaat Kalifornien bei dem insolventen Schuhfilialisten hatte im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt. Nach einem holprigen Sanierungsprozess im Rahmen des Insolvenzverfahrens, im Zuge dessen das Filialnetz auf gut 40 Geschäfte geschrumpft und fast 1000 Arbeitsplätze abgebaut worden waren, hat der gebürtige Hamburger sich viel vorgenommen und will den Schuhhändler mit neuen Konzepten im Einzelhandel positionieren.

Neuer Inhaber plant neues Retail-Konzept

Unter anderem verkleinerte er die Zentrale drastisch und verlegte den Sitz aus der Spitalerstraße an den Rand der Hamburger Innenstadt. Zudem eröffnete Kissling, der mit seiner Familie in Wien lebt, in Österreich neun neue Filialen. Insgesamt gibt es aktuell 50 stationäre Läden. In Deutschland werden nach seinen Angaben in diesem Jahr vier größere Standorte geschlossen und sollen durch kleinere Filialen ersetzt werden.

Im Mai hatte der Görtz-Inhaber im Abendblatt-Interview gesagt: „Wir haben für das erste Jahr seit Juli 2023 eine Umsatzplanung von 70 Millionen Euro.“ Mit Start der Modelinie GLDN und dem erweiterten Serviceangebot wolle er zurück in die Gewinnzone. Die aktuellen Veränderungen bei den Schuhsortimenten seien Teil der Neuaufstellung, erklärte er jetzt.

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Ein komplett neues Ladenkonzept läuft unter dem Namen Görtz Lounge. Der erste Standort soll Anfang September im Hamburger Stadtteil Eppendorf eröffnen. Das Besondere: Es gibt dort eine Auswahl an Schuhen, die anprobiert werden können. Der Kauf erfolgt ausschließlich online. Die Einkäufe werden in den Laden oder nach Hause geliefert. Görtz-Lounge-Geschäfte sollen als sogenannte hybride Nachbarschaftstreffpunkte mit kleinem Café fungieren und sich als Auslieferungspunkte für andere Paketversender öffnen.

Handelsexperte: Neue strategische Ausrichtung bei Görtz

„Es ist ein Plan für die neue strategische Ausrichtung von Görtz zu erkennen“, sagte Philipp Hoog, Leiter Strategieberatung bei der Handelsberatung BBE, gegenüber dem Abendblatt. „Es bleibt abzuwarten, ob das Unternehmen in der Lage sein wird, die vielfältigen operativen Herausforderungen zeitnah zu meistern.“ Dabei schaut der Handelsexperte unter anderem auf die aktuelle Abschaltung des Görtz-Onlineshops. Das sorge für Unverständnis, da dies in der heutigen Zeit ungewöhnlich ist und potenziell wertvolle Umsätze kosten könnte. 

Görtz: Onlineshop ist aktuell offline

Wer aktuell im Internet bei goertz.de einkaufen will, sieht schon seit einigen Wochen und auch am Montag nur ein Standbild und folgenden Text: „Damit Ihr Einkaufserlebnis noch schöner wird, drehen wir etwas an den Schrauben und entschuldigen uns schon jetzt für Lieferverzögerungen, die im Rahmen Ihrer Bestellung auftreten können.“ Görtz-Chef Bolko Kissling erklärt das mit der Neupostionierung. „Der Onlineshop ist auch Bestandteil des neuen Lounge-Konzeptes und muss dafür hergerichtet werden“, sagte Bolko Kissling. Er werde in Kürze wieder online sein.

Das alles kostet viel Geld. Weitere Neueröffnungen von Görtz Lounge sind den Angaben zufolge in Schwäbisch Hall und Erfurt geplant. In beiden Städten sind gerade klassische Görtz-Geschäfte geschlossen worden, ebenso wie in Leipzig und Dortmund. Jeweils mit großem Räumungsverkauf. Der Standort Erfurt sei bereits in einen neuen Laden umgezogen, so Kissling. Leipzig und Dortmund sollen folgen. In Bochum, wo ebenfalls eine Filiale geschlossen worden war, soll Anfang nächster Woche ein neuer Standort eröffnen.