Hamburg. Hinter den Kulissen des Hamburger Airbus-Werks: In Halle 259 wird das Innenleben des A321XLR eingebaut. Exklusive Videos vom Abendblatt.
Am Fahrwerksschacht des Flugzeuges sieht es ein bisschen aus wie in einer Sporthalle. Rote Polster hängen links und rechts der Aussparung des Rumpfes. Die Mitarbeiter der Ausrüstungsmontage in Halle 259 sollen sich aber nicht an ihnen austoben und die Polster wie einen Boxsack benutzen. „Sie sind notwendig“, sagt Michael Witt, „damit wir uns nicht stoßen und das Produkt schützen.“
Witt ist Leiter der Ausrüstungsmontage für den A321XLR. Für den neuen Hoffnungsjet hat Airbus auf Finkenwerder extra diese Halle neu gebaut. Der Clou an der Maschine: Dank eines fest eingebauten Tanks im Frachtraum, der Teil der Rumpfstruktur ist, kann der einst für die Kurz- und Mittelstrecke konzipierte Flieger auf Langstrecken eingesetzt werden.
Airbus inside: zwei Tonnen Kabel, Rohre und Co. für den neuen Verkaufshit
„Die Airlines haben dadurch die Möglichkeit, bis zu 8700 Kilometer nonstop zu fliegen“, sagt Witt. Direktverbindungen von Flughäfen der zweiten Reihe wie Hamburg zu Zielen auf der anderen Seite des Atlantiks wie New York oder Chicago seien so möglich. Diese gibt es derzeit nicht (mehr).
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Auch die Hamburger Politik verbindet große Hoffnungen mit dem Jet. Er habe das Potenzial, die Anbindung der Hansestadt an die Welt zu verändern, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der feierlichen Eröffnung der Halle im August 2023.
A321XLR: Bürgermeister Tschentscher hofft auf USA-Verbindung dank des Jets
„Wir erhoffen uns, wenn dieser Flieger am Markt ist, dass Direktverbindungen von Hamburg in die USA, nach Asien, nach China möglich werden“, sagte der SPD-Politiker damals. Darauf fiebere die norddeutsche Wirtschaft hin.
Bisher müssen für solche Direktflüge Großraumjets wie der A330 und A350 oder Boeings 777 und 787 genutzt werden. Doch für eine hohe Auslastung auf solchen Routen fehlt die Passagiernachfrage. Auch Boeings 757 kommt noch infrage, wird aber seit 20 Jahren nicht mehr gebaut. Der deutlich kleinere A321XLR könnte also in eine Marktlücke stoßen.
Halle 259: Es kommt das rein, was der Passagier nicht sieht, aber wichtig für den Flug ist
In Halle 259 startet der Innenausbau für das neueste Passagierflugzeug von Airbus, oder besser gesagt: einem Teil davon. Es geht um die mittlere Rumpfsektion bis zum Heck, die innen noch nahezu leer ist. „Wir installieren alles, was man als Passagier nicht sieht – was aber für den Flug gebraucht wird“, sagt Witt.
Er befindet sich nun an der zweiten von zehn Stationen und steht in der späteren Kabine des Flugzeuges. In der „Tonne“ sind Rohre, Leitungen und Isolierungen befestigt. „Wir sehen hier Teile der Klimaanlage, Luftauslässe und Halter für Sauerstoffflaschen. Wir haben die Fenster bereits installiert, die kleineren Nottüren über den Flügeln sind eingebaut“, sagt Witt.
In der Ausrüstungsmontage kommen etwa zwei Tonnen Material rein
Elektrische Kabel werden ebenso eingebaut wie Pumpen und Rohre, Leitungen für Frisch- und Abwasser sowie Fußbodenplatten. Etwa zwei Tonnen Material kommen in der Halle in den Rumpfabschnitt hinein. Rund elf Tonnen wiegt dieser, wenn er nach zwei Wochen plus x, die derzeit für die Arbeiten veranschlagt werden, an die Endmontagelinie abgegeben wird.
„Es wird am Anfang etwas länger dauern, nachher wird es aber in der gleichen Geschwindigkeit wie bei den anderen A320-Flugzeugen gehen“, sagt Witt. Zwar habe der A321XLR einige Neuerungen im Vergleich zu den herkömmlichen Fliegern, die grundsätzlichen Abläufe in der Ausrüstungsmontage sind aber ähnlich. Und da hat man viel Erfahrung. Der A320 feierte 1987 seinen Erstflug, wird also seit fast 40 Jahren in Serie gebaut.
Der A321XLR hebt im Juni 2022 erstmals ab
Warum braucht man dennoch eine eigene Halle für den A321XLR? Die anderen Hallen für die A320-Familie seien ausgelastet, heißt es. Zudem befindet sich der DAX-Konzern im Ratenhochlauf. Im Jahr 2027 sollen 75 Flieger der A320-Familie pro Monat gebaut werden. Derzeit sind es vermutlich gut 50.
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Das Auftragsbuch ist knüppeldick gefüllt, es liegen Bestellungen über mehr als 7000 Maschinen vor. Und selbst für den neuen, kleinen Langstreckenjet gibt es schon Aufträge über rund 550 Stück. Im Juni 2022 hob er erstmals auf Finkenwerder ab. Drei Exemplare sind als Testflugzeuge unterwegs. Der erste A321XLR sollte nach mehreren Verzögerungen im dritten Quartal 2024 dafür bereit sein, an den Erstkunden Iberia ausgeliefert zu werden. Wann die spanische Fluglinie ihn übernehmen will, liegt in ihren Händen. In der zweiten Oktoberhälfte könnte es so weit sein.
A321 oder A321XLR? Der Tipp des Fachmanns ...
Von außen sind die beiden Maschinen des größten A320-Familienmitglieds übrigens kaum zu unterscheiden. Der Fachmann hat aber einen Tipp parat. „Der Unterschied zwischen einem herkömmlichen A321 und einem A321XLR erkennt man am unteren Rumpfbereich, der später verkleidet wird“, sagt Witt und zeigt auf einen Bereich nahe dem späteren Flügel: „Beim XLR ist er um zwei Spanten länger, sodass er bis über den Kasten für die Notrutschen hinaus geht – beim normalen A321 endet er davor.“