Hamburg. Auf der SMM in den Messehallen dreht sich vieles um den Klimawandel und die Folgen. Experten wagen einen spannenden Ausblick.
9 Uhr in den Messehallen. Aussteller räumen ihre Stände auf, nehmen Schutzdecken von ihren Ausstellungsstücken und legen neue Infobroschüren aus. Die Schiffbaumesse SMM (Shipbuilding, Machinery & Marine Technology) findet alle zwei Jahre in den Hamburger Messehallen statt und gilt als Weltleitmesse. 2200 Aussteller aus 70 Ländern präsentieren hier ihre Neuheiten rund um die Schifffahrt von einfache Dichtungsringen für Motoren bis hin zu kompletten Systemen einer Schiffsbrücke. Wer die Schifffahrt von morgen kennenlernen will, kommt zur SMM.
Wind, Ammoniak und Methanol – so fahren die Schiffe der Zukunft
An diesem Morgen rechnen die Aussteller mit einem besonderen Besucheransturm. Ein Grund: Asiatische Besucher, die vor zwei Jahren noch verhalten die SMM besuchten, reisen nach der vollständigen Überwindung der Corona-Pandemie wieder unbeschwert an. Zum anderen steht die Messe ganz im Zeichen des Klimawandels, und es stellt sich die spannende Frage, wie die Schifffahrt ihre Antriebe von fossilen Brennstoffen befreien will.
Als um 10 Uhr die Tore öffnen, ist eine wichtige Entscheidung schon getroffen: Norwegen hat sich dem Druck der Branche gebeugt und die scharfen Regeln zum Befahren seiner Fjorde gekippt. Die Richtlinien hatten bis Ende vergangener Woche so ausgesehen, dass ab dem 1. Januar 2026 Schiffe die norwegischen Fjorde des Weltnaturerbes „emissionsfrei“ befahren müssen. Das hätte bedeutet, dass die schönen Fjordreisen für eine Reihe von Kreuzfahrtanbietern ab 2026 tabu gewesen wären, weil die Motoren ihrer Flotten zwar emissionsärmer unterwegs sind, aber keineswegs emissionsfrei.
Norwegen verschiebt Verbot für Kreuzfahrtschiffe in Fjorden
Doch nun hat das Parlament in Oslo diese Regelung auf 2032 verschoben. Lediglich kleinere Touristenschiffe und Fähren müssen sich daran bereits 2026 halten. Die Verschiebung der Richtlinie sei gerechtfertigt, da für die größten Schiffe noch nicht ausreichend Nullemissionstechnologien verfügbar seien, heißt es.
Es überrascht, dass ausgerechnet aus der Schifffahrtsbranche Kritik am Sinneswandel der norwegischen Regierung kommt. Doch das hat gute Gründe. So hat zum Beispiel die norwegische Reederei Havila Voyages schon Millionen-Ausgaben für den Einbau riesiger Batterien in ihre Schiffe veranlasst und sieht nun einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Konkurrenten.
Klimawandel ist Herausforderung für Schifffahrt
„Diese Entscheidung birgt Risiken sowohl für die Natur Norwegens als auch für den Klimaschutz. Havila Voyages hat erhebliche Investitionen getätigt, um diese Vorgaben zu erfüllen. Die Verlängerung der Frist für größere Schiffe untergräbt nicht nur bisherige Bemühungen der Reederei, sondern sendet auch ein falsches Signal an die gesamte Tourismusbranche“, sagt Pia Kuusisto, die Vertriebschefin von Havila Voyages.
Ähnlich argumentiert Rasmus Stute, Deutschland-Chef des Schiffsklassifizierers und technischen Dienstleisters DNV „Technologisch ist eigentlich alles für eine klimaneutrale Schifffahrt vorhanden“, sagt er und macht eine Armbewegung, welche die Vielfalt der Aussteller symbolisieren soll. „Aber die Nachfrage der Schifffahrtsbranche ist gering. Und kein Hersteller kann in Vorleistung treten.“
Schifffahrt sucht nach Treibstoffen der Zukunft
Dabei sind die Vorgaben der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) der Uno recht eindeutig: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen von Schiffen um mindestens 20 Prozent gegenüber 2008 gesenkt werden, möglichst aber um 30 Prozent. Bis 2040 sollen die Emissionen mindestens um 70 Prozent zurückgehen, bestenfalls sogar um 80 Prozent, damit das Endziel klimaneutrale Schifffahrt ab 2050 erreicht wird.
Aber schon das erste Ziel bis 2030 ist ohne erhebliche Energieeinsparungen nicht erreichbar, heißt es in einem DNV-Bericht. Um die Dekarbonisierungsziele der IMO erreichen zu können, benötige die Schifffahrt bis zu 48 Millionen Tonnen klimaneutralen Kraftstoff. Da jedoch davon auszugehen sei, dass die globale Produktion klimaneutraler Kraftstoffe für alle Branchen bis 2030 nur ein Gesamtvolumen von 44 bis 63 Millionen Tonnen erreichen wird, könne die Schifffahrt ihren Beitrag zur Dekarbonisierung auf diesem Wege kaum leisten.
Neue Technik kann CO2 aus Schiffsabgasen filtern
Große Hoffnung setze die Schifffahrtsbranche als Zwischenschritt auf mehr Effizienz, sagt Stute. Da die Einsparungen überproportional stiegen, könnte eine 20-prozentige Drosselung des Fahrtempos eines Schiffs je nach Ausgangsgeschwindigkeit zu Kraftstoffeinsparungen um bis zu 40 Prozent führen. Zweiter wichtiger Baustein sei die Carbon Capture and Storage (CCS), also die Abspaltung des Kohlendioxids aus den Abgasen, die dann an Bord gespeichert werden. Bei der SMM treten zahlreiche Anbieter auf, die genau das vorschlagen.
Aber auch diese Lösungsansätze sind nicht der Weisheit letzter Schluss. „Das gespeicherte CO2 muss in den Häfen dann entsorgt werden. Das ist noch nicht geklärt“, sagt Stute. Also benötige man im dritten Schritt klimaneutrale Kraftstoffe. Dazu zähle Biokraftstoff aus Pflanzenölen, Wasserstoff, Methanol und Ammoniak. „Es wird ab 2050 zumindest in der ersten Zeit nicht den einen klimaneutralen Kraftstoff geben, sondern eine ganze Reihe, die nebeneinander eingesetzt werden“, sagt Stute.
Klimawandel fordert Werften und Reedereien
„So vielfältig sind die Möglichkeiten eigentlich nicht“, sagt Jörg Stratmann, Vorstandschef von Rolls-Royce Power Systems AG, einem Geschäftsbereich des britischen Technologiekonzerns Rolls-Royce. Sein Unternehmen stellt mit der Marke MTU in Friedrichshafen unter anderem Schiffsmotoren her. Nicht für große Containerfrachter, aber für Fähren, Megayachten, Marineschiffe. „Bis zu 13.000 PS stark“, sagt er beiläufig. Auch in Hamburg ist das Unternehmen aktiv, beispielsweise stammen die vier Motoren des Halunder Jets, der täglich von der Hansestadt nach Helgoland fährt, von MTU.
Stratmann ist ein Praktiker und zählt die Möglichkeiten auf, die sich derzeit der Schifffahrt bieten. „Ein rein elektrischer Antrieb lohnt sich gegenwärtig nur für kurze Strecken, ansonsten würde das Schiff nur noch Batterien transportieren und hätte keinen Platz mehr für Passagiere.“ Gespeicherter Wasserstoff benötige selbst bei hohem Druck an Bord das siebenfache Volumen herkömmlicher Schiffstreibstoffe, blieben Ammoniak und Methanol.
Ammoniak ist für Passagierschiffe zu giftig
„Ammoniak kann man vielleicht auf Handelsschiffen mit einer gut ausgebildeten kleinen Mannschaft einsetzen, ist für Passagierschiffe aufgrund seiner hohen Toxizität aber nicht geeignet. Daher setzen wir auf Methanol“, sagt Stratmann. Da der Kraftstoff in grüner Form aber derzeit nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stünde, geht Stratmann davon aus, dass noch eine ganze Zeit Diesel-Verbrennermotoren eingesetzt werden müssen. „Im Übrigen ist die Herausforderung für die Energiewende nicht der Verbrennungsmotor“, fügt er hinzu, „sondern, womit er betrieben wird.“ Mit nachhaltigen Treibstoffen gehe das heute schon sehr klimafreundlich.
Stratmann steht auf dem Rolls-Royce-Stand in der Messehalle A4 vor einem großen Motorblock, der die Flexibilität des Herstellers bei Schiffsmotoren zeigt. Da sind normale Diesel-Einspritz-Zylinder neben Methanol-Zylindern angeordnet, weil der sogenannte Dual-Fuel-Motor auf absehbare Zeit das Maß aller Dinge sein wird, also ein Motor, der sowohl mit Diesel, als auch mit Methanol betrieben werden kann.
Segelschiffe könnten zurückkehren
In etwa fünf Jahren will Rolls-Royce damit an den Start gehen. Etwas aufwendiger sei die Konzeption eines Single-Fuel-Motors, der nur mit Methanol betrieben wird. „Auch daran arbeiten wir entschlossen“, so Stratmann.
Vieles wird derzeit erprobt. Dass Schiffe in Zukunft völlig anders aussehen dürften, konnte man am Dienstag auch an der Überseebrücke im Hamburger Hafen beobachten. Dort hatte das Stückgutfrachtschiff „EEMS Traveller“ von der niederländischen Reederei Amasus festgemacht, das auf durch Wind unterstützten Antrieb setzt. Am Heck hat es zwei 17 Meter hohe Segel, die eigentlich eher wie Schornsteine aussehen.
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Tatsächlich handelt es sich um Saugsegel, die das Unternehmen Bound4Blue entwickelt hat. Die Segel sind ähnlich geformt wie Flugzeugflügel, die Kraft wirkt aber horizontal, nicht vertikal, sie geben also Vortrieb, nicht Auftrieb. Etwa 163 Tonnen Treibstoff im Jahr sollen damit eingespart werden können. Das sind 15,6 Prozent des Gesamtverbrauchs.
Vor zehn Jahren gab es auf der SMM nur einen Anbieter für Windsegel, heute sind es bereits gut ein Dutzend. Denn die Nachfrage nach Möglichkeiten zu Treibstoffeinsparungen ist riesig. Die SMM zeigt die Vorreiter der zukünftigen Schifffahrt.