Hamburg. Wie kommt Werbung ins Stadion? Die Lösung des Start-ups Gipedo überzeugt sogar den Deutschen Meister. Auch den HSV und den FC St. Pauli?

Das mit den Bilderrahmen überrascht. Fein aufgereiht wie früher bei Oma auf der Kommode stehen im Büro von Lars Gantenberg in der Hamburger Hegestraße die gerahmten Fotos mit Erfolgen seiner Firma Gipedo: Harry Kane schießt sein erstes Tor für den FC Bayern – und im Hintergrund erscheint das Logo eines Gipedo-Kunden auf der Bande. Oder: Ein BMX-Fahrer springt halsbrecherisch über eine Schanze – auf der virtuell der Name eines Elektronikkonzerns prangt, der ebenfalls bei Gipedo gebucht hat.

Bundesliga: Eine Hamburger Firma mischt mit Bandenwerbung die Stadien auf

Werbekunden und Sportveranstalter, insbesondere Fußballvereine, zusammenzubringen: Das ist das Geschäftsmodell der 2018 von Gantenberg und Matthias Rettenmeier gegründeten Firma, die zum Start der Fußball-Bundesliga an diesem Freitag mehrere neue Schritte geht – dazu später mehr.

Die von Hand gerahmten Bilder überraschen insofern, weil der von Gipedo (griechisch für Stadion oder Sportplatz) entwickelte digitale Marktplatz genau die Abkehr vom Althergebrachten verspricht, nämlich einen weitgehend automatisierten Ablauf, der viel Arbeit spart und beiden Seiten neue Potenziale eröffnen soll.

Gipedo-Slogan: „Wir revolutionieren Werbung im Live-Sport“

„Wir revolutionieren Werbung im Live-Sport“, lautet ein Slogan auf der Homepage des Unternehmens. Und wenn man Lars Gantenberg so zuhört, wie er von seiner Zeit beim Vermarkter Sportfive und beim Fußballportal Transfermarkt.de erzählt, davon, wie er als Werbeexperte den Mathematiker Matthias Rettenmeier kennenlernte und beide mit Blick auf Werbung im Sport den Kopf darüber schüttelten, dass in so einer Milliardenbranche noch mit Fax und in Handarbeit erstellten Excel-Tabellen gearbeitet wird – dann versteht man, was damit gemeint ist.

Dazu muss man zunächst differenzieren: Während das klassische Sport-Sponsoring wie etwa Trikotwerbung nur einen kleinen Teil der Milliardenbudgets der Unternehmen und ihrer Marketingabteilungen abgreift, fließt der Löwenanteil in kurzfristiger buchbare und damit gezielter einsetzbare Formate wie TV-Werbung, Social-Media-Kanäle – oder eben auf Werbebanden, die ja schon lange nichts anderes sind als Bildschirme, auf denen im Sekundentakt neue Botschaften flimmern.

Was früher von Hand erstellt wurde, läuft jetzt automatisch

Die entscheidende Frage, an der Gipedo ansetzt, ist: Wie kommt diese Werbung auf die Bande? Teilweise würden diese Flächen zwar auch von langfristigen Partnern der Vereine gebucht, so Gantenberg. Doch oft blieben Lücken, die bisher manuell gefüllt werden mussten: Dann seien die Vereine auf Partner zugegangen und hätten ihnen diese Zeiten angeboten. Im Erfolgsfall mussten sie die Dateien mit der Werbung einsammeln, technisch prüfen und in eine Excel-Tabelle einarbeiten, die den Verlauf über 90 Minuten sekundengenau abbildet. „Das war ein stundenlanger Aufwand – für jedes Spiel wieder“, so Gantenberg.

Mit der Gipedo-Software laufe das alles automatisch: Die Vereine melden auf dem dazugehörigen Online-Marktplatz, dass sie bei einem Spiel zum Beispiel noch acht Minuten Werbezeit auf einer Bande freihaben, Werbekunden können diese Zeiten buchen und ihre Botschaft hochladen – den Rest erledigt die Software, inklusive Ausspielung, Abrechnung und einer nachträglichen Aufstellung über die tatsächlich erreichten Zuschauer.

Werbekunden wollen Zielgruppen möglichst punktgenau erreichen

So kann der Elektronikkonzern seine TV-Geräte gezielt vor der EM anpreisen, der Autovermieter seine Cabrios nur bei Sommerwetter über die Bande fahren lassen oder der große Einzelhändler seine Werbung komplett auf den Black Friday im Herbst konzentrieren. Die Entscheidung darüber, was über ihre Banden flimmert, behalten dennoch die Hausherren: „Die Vereine haben ein Vetorecht und müssen jede Buchung bestätigen“, sagt Gantenberg. Dafür reiche ein Klick.

Auch Bundesligist VfL Bochum nutzt die Software der Hamburger Firma Gipedo – zum Beispiel für diese Bandenwerbung.
Auch Bundesligist VfL Bochum nutzt die Software der Hamburger Firma Gipedo – zum Beispiel für diese Bandenwerbung. © VfL Bochum 1848 | VfL Bochum 1848

„Wir schaffen einerseits für Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, ihre Zielgruppen sehr viel genauer mit Werbung anzusprechen“, beschreibt der 42-jährige Familienvater das Konzept von Gipedo. „Das erzeugt andererseits eine Nachfrage von Werbetreibenden, die es so bisher nicht gab – und das eröffnet wiederum den Vereinen ganz neue Potenziale.“ Mehr als eine Million Euro an zusätzlichen Einnahmen habe sein erst 2022 offiziell gestarteter Marktplatz bereits in den Sport transferiert.

Mehr als 60 Profi-Vereine nutzen schon die Gipedo-Technik

Zu den Kunden zählen mehr als 60 Profivereine der Fußball-Bundesliga, der 2. und 3. Liga, der Frauen-Bundesliga, der European League of Football sowie der Handball- und der Basketball-Bundesliga. Als besonderer Coup darf gewertet werden, dass sich kürzlich der Deutsche Fußballmeister und Pokalsieger Bayer Leverkusen für die Technik aus Hamburg entschieden hat.

„Mit der Lösung von Gipedo verschlanken wir sowohl interne als auch externe Abstimmungsprozesse in Hinblick auf die Content-Anlieferung unserer Werbepartner und auf die Erstellung von LED-Banden-Playlists“, hieß es vonseiten des Spitzenklubs. Davon erhoffe man sich „eine erhebliche Effizienzsteigerung im täglichen Arbeiten“.

HSV und FC St. Pauli? „Wir sind im Gespräch“

Und wie steht es mit einer Zusammenarbeit mit den Hamburger Profi-Fußballclubs? „Wir sind mit beiden Vereinen im Gespräch“, sagt Gantenberg. „Beim HSV läuft die Vermarktung komplett über den Vermarkter Sportfive, der hier unser Ansprechpartner ist.“

Beim FC St. Pauli, der sich selbst vermarktet und als relativ restriktiv bei der Auswahl seiner Werbepartner gilt, dürfte ein automatisierter Verkauf von Werbezeiten schwieriger umzusetzen sein. Dennoch sei auch der Kiezclub „ein Verein, für den unsere Software-Lösung zur Automatisierung seiner Pre- und Aftersales Prozesse interessant sein könnte“, sagt Gantenberg.

Investor steigt mit siebenstelliger Summe bei Gipedo ein

Einer weiteren Expansion steht jedenfalls nichts im Weg: Kürzlich gaben Gipedo und der institutionelle Investor STS Ventures aus Köln bekannt, dass dieser „mit einem siebenstelligen Betrag“ bei der Hamburger Firma eingestiegen sei. Man wolle Gipedo „auf ein tragfähiges finanzielles Fundament“ stellen und „das weitere Wachstum strategisch begleiten“, hieß es.

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Zum Umsatz mache man keine Angaben, sagt Gantenberg, räumt aber ein: „Wir sind noch nicht profitabel, streben aber für 2025 an, die Gewinnzone zu erreichen.“ Dafür wolle man auf beiden Seiten wachsen: bei der Zahl der Clubs und beim Buchungsvolumen auf dem Gipedo-Marktplatz.

Bundesliga: Gipedo-Kunde Bayer Leverkusen bestreitet Saison-Auftakt

Einen Neu-Kunden kann er am Freitagabend live im Fernsehen verfolgen: Dann tritt Leverkusen zum Bundesliga-Start bei Borussia Mönchengladbach an. Für Gantenberg, Rettenmeier und ihre sieben Mitarbeiter eine besondere Situation: „Wir haben viel Zeit in die Entwicklung gesteckt und unsere Plattform getestet, bevor wir Gipedo an den Start gebracht haben“, sagt Gantenberg. 2022 sei man so weit gewesen. „Dass nur zwei Jahre später Bayer Leverkusen als Deutscher Meister mit uns zusammenarbeitet, bestätigt uns in unserem Weg. Es ist eine tolle Motivation: Wir müssen jetzt liefern, und das machen wir auch.“

Da auch die Borussia Gipedo-Technik nutzt, werde bei dem Spiel auch Werbung zu sehen sein, die bei Gipedo gebucht wurde, verrät Lars Gantenberg. Das könnte ein guter Anlass sein, demnächst einen weiteren Bilderrahmen im Büro aufzustellen.