Hamburg. Der Besitzer von Dancenter erklärt in Hamburg, warum Hunderte Urlaube plötzlich abgesagt wurden und warum er in Dänemark investierte.

  • Großer Frust bei Hunderten Dänemark-Urlaubern: Plötzlich wurden ihre Ferienhäuser storniert
  • Der Ärger richtet sich gegen den Ferienhaus-Vermittler Dancenter
  • Jetzt meldete sich der indische Milliardär zu Wort, dem das Unternehmen gehört

Für Hunderte, vielleicht sogar Tausende Urlauber aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und vielen anderen Bundesländern war es ein Schock: Sie hatten sich für das Frühjahr ein gemütliches Ferienhaus in Dänemark gemietet, alles bezahlt, saßen teilweise schon abfahrbereit im vollgepackten Auto oder waren sogar schon vor Ort in Dänemark, als sie plötzlich die Nachricht erreichte, dass das Haus storniert sei. Spontan umbuchen? In vielen Fällen leider nicht möglich. Der Frust über den Ferienhausvermittler Dancenter war riesig, in manchen Foren machte das Wort „Skandal“ die Runde.

Auch Ritesh Agarwal war sehr betroffen davon, wenn auch auf der anderen Seite. Denn der indische Milliardär hatte Dancenter 2019 übernommen und seinem Hotel-Imperium Oyo einverleibt. Seitdem ging es fast nur bergauf mit dem recht betulichen Ferienhausgeschäft. Doch nun gab es erstmals mächtig Ärger: „Nie wieder Dancenter“, schrieben verärgerte Kunden auf Bewertungsportalen, die Noten für die traditionsreiche Agentur gingen in den Keller, und etliche der privaten Ferienhausbesitzer sollen einen Wechsel zu einem anderen Vermittler erwogen haben.

Dänische Ferienhäuser storniert: Indischer Besitzer erklärt, was schieflief

Agarwal war schon im April zweimal nach Dänemark gereist, um vor Ort die Wogen zu glätten. Nun stellte er sich dem Abendblatt, das als erste deutsche Zeitung über den Vorgang berichtet hatte. Für einen der bekanntesten indischen Investoren, der in seiner Heimat als jüngster Selfmade-Milliardär gefeiert wird und an der örtlichen Ausgabe von „Höhle der Löwen“ beteiligt ist, machte er dabei wenig Aufhebens um seine Person.

Im Hotel Holiday Inn in der City Nord hat der 30-Jährige einen schlichten, kleinen Besprechungsraum reserviert. Er erscheint in Jeans und Pullover und führt das einstündige Gespräch auf Englisch allein, unter vier Augen. Nur seine drei Handys sind immer in Reichweite. Warum er in Hamburg sei? Er wolle später noch das Dancenter-Büro in Wentorf besuchen und einen neuen Standort in Süd-Jütland eröffnen, sagt er. Die Probleme bei Dancenter versucht er gar nicht erst schönzureden. Stattdessen berichtet er offen, was der Plan war und warum das gründlich schiefgegangen ist.

Welches Interesse hat ein indischer Milliardär an dänischen Ferienhäusern?

Aber zunächst muss Agarwal erst mal etwas anderes erklären: Warum interessiert sich ein Hotel-Investor aus Indien überhaupt für eine dänische Ferienhausvermittlung? Die war zusammen mit den Plattformen „Belvilla“ und „Traum-Ferienwohnungen“ in der @Leisure Group gebündelt, die wiederum mehrheitlich dem Axel-Springer-Verlag gehörte. Nach dessen Mitteilung hatte die Gruppe zwar 2018 „ein Rekordergebnis“ von mehr als 24 Millionen Euro vor Steuern erzielt. Doch das sind normalerweise nicht die Dimensionen, in denen ein Ritesh Agarwal denkt.

Der indische Milliardär und Besitzer der Ferienhausvermittlung Dancenter, Ritesh Agarwal, bei einem Besuch in Hamburg im Hotel Holiday Inn.
Der indische Milliardär und Besitzer der Ferienhausvermittlung Dancenter, Ritesh Agarwal, bei einem Besuch in Hamburg im Hotel Holiday Inn. © Andreas Dey/Hamburger Abendblatt | Andreas Dey (FMG)

Warum also das Interesse? „Das ist eine interessante Frage“, sagt er. Dafür müsse er etwas ausholen. Er habe als junger Mann – Oyo hat er mit 19 gegründet – angefangen mit Technologie- und Servicedienstleistungen, erzählt Agarwal: „Wenn man Inhabern kleiner Hotels oder Ferienwohnungen helfen kann, ihre Umsätze zu erhöhen, werden sie gern deine Partner. Das hat in Indien gut funktioniert.“ Daraufhin habe man sich in Europa umgeschaut und das Konzept zunächst in England ausprobiert. „Auch dort hat es gut funktioniert, daher wollten wir in Europa wachsen. So entdeckten wir die @Leisure Group.“

Dancenter wurde 1957 gegründet, um die Ferienhaus-Vermietung zu organisieren

Doch bevor er dem Verlag die Beteiligung abkaufte – Springer sprach damals von einer Einnahme von 180 Millionen Euro – reiste Agarwal erst mal für einige Wochen nach Dänemark und tat das, was seine Kunden so tun: „Ich habe Zeit in Ferienhäusern verbracht und mit Hausbesitzern gesprochen.“ Sein Eindruck? „Faszinierend. Dänische Ferienhäuser sind häufig minimalistisch, aber sehr modisch.“ Gefallen habe es ihm eigentlich überall, aber die meiste Zeit habe er in Nord-Jütland verbracht: „Rund um Blockhus und Løkken.“

Auch die Geschichte habe ihn gereizt: „Dänemark ist für mich so etwas wie der Original-Ferienhaus-Markt“, sagt er und erinnert an die Anfänge der Vermietung vor rund 70 Jahren. Damals, genauer: 1957, wurde Dancenter vom dänischen Tourismusverband gegründet, um die Vermietung zu organisieren. Erst später wurde daraus ein privates Unternehmen, das schließlich 2016 an die @Leisure Group verkauft wurde – und später an Oyo.

Indischer Investor hat Ferienhaus-Buchungen um 120 Prozent gesteigert

Doch natürlich ging es dem indischen Investor weniger um Geschichte als um Rendite. „Ich habe damals gesagt: Wenn wir dieses Erfolgsmodell um moderne Technologie, flexiblere Preissysteme und die Fähigkeit, mehr Buchungen in der Nebensaison zu generieren, ergänzen, können wir den Hausbesitzern mehr Umsatz bringen und damit auch uns selbst“, sagt Agarwal offen und fügt stolz hinzu, dass das gelungen sei: „Von 2019 bis 2023 ist die Zahl der Buchungen bei Dancenter um rund 120 Prozent gestiegen.“

Die Jammerbucht mit Ferienorten wie Løkken (Foto) und Blockhus ist bei deutschen Urlaubern beliebt.
Die Jammerbucht mit Ferienorten wie Løkken (Foto) und Blockhus ist bei deutschen Urlaubern beliebt. © Andreas Dey/Hamburger Abendblatt | Andreas Dey (FMG)

Zu der Marke gehören auch der Ferienparkbetreiber Danland und der kleinere Anbieter Admiral Strand. Zusammen vermitteln sie etwa 15.000 Ferienhäuser in Skandinavien, darunter 12.000 in Dänemark. Die Kunden kommen zur Hälfte aus Deutschland und die andere Hälfte aus Dänemark und anderen Ländern. Insgesamt gibt es in Dänemark weit mehr als 200.000 Ferienhäuser, von denen etwa 40.000 vermietet werden. Diese werden auch von den privaten Besitzern genutzt, die dafür Zeiträume im Jahr blocken müssen.

Problem: Auch von den Eigentümern geblockte Ferienhäuser wurden angeboten

Das war auch der Hintergrund der enormen Probleme: „Wir haben mit Hausbesitzern über Wachstumsmöglichkeiten gesprochen und mit Kunden über ihre Wünsche und Vorstellungen“, berichtet Ritesh Agarwal. „Viele Hausbesitzer haben uns gesagt: Wenn Ihr uns Interessenten für die geblockten Zeiträume bringt, werden wir darüber nachdenken.“

So sei das Programm „Smart Booking“ entstanden und im Dezember gestartet worden: Für Aufenthalte bis Ende März/Anfang April wurden auch geblockte Häuser angeboten, wobei nach einer Buchung die Besitzer per Mail gefragt wurden, ob sie diese akzeptieren oder nicht. „Dabei hatten wir mit 70 Prozent Akzeptanz bei den Ferienhausbesitzern gerechnet“, so Agarwal. „Aber die reale Akzeptanz lag nur bei 15 bis 20 Prozent.“ 35 bis 40 Prozent der Besitzer hätten die Buchungen abgelehnt, was auch in Ordnung gewesen sei. Das führte zwar auch zu Stornierungen, aber in der Regel mit etwas Vorlauf.

„Die Idee war nicht schlecht, aber die Umsetzung hätte besser sein können“

„Das Problem war: Gut 40 Prozent der Hausbesitzer haben sich gar nicht zurückgemeldet, weil sie selbst verreist waren oder die Mail aus anderen Gründen nicht gesehen haben“, erklärt Agarwal. „In diesen Fällen erfolgte die Stornierung oft sehr nah am Anreisetag der Kunden, was zu dem Ärger geführt hat, über den Sie berichtet haben.“ Sein Fazit: „Die Idee war nicht schlecht, aber die Umsetzung hätte besser sein können.“ Das bedaure er.

Wie viele Kunden genau davon betroffen waren, könne er nicht sagen. Das erste Quartal sei traditionell Nebensaison, und Smart Booking habe nur sieben Prozent der Buchungen in dem Zeitraum ausgemacht. „Das war eine kleine Fraktion, die betroffen war“, sagt Agarwal. Indes: Allein das Buchungsportal Fejo, das neben Dancenter auch die Häuser fast aller anderen Anbieter vermittelt, sprach von 400 betroffenen Kunden – und das dürfte nur ein kleiner Teil des Problems gewesen sein, da die meisten Urlauber direkt bei den Anbietern buchen.

Hunderte Ferienhäuser storniert: Dancenter hat das Programm gestoppt

So oder so: Das Thema sei abgehakt, sagt Ritesh Agarwal: „Wir haben dieses Programm beendet.“ Mit Blick auf die wichtige Sommersaison, in der Dänemark oft nahezu ausgebucht ist und die höchsten Preise für Ferienhäuser erzielt werden, wolle man sich wieder als der verlässliche Vermieter präsentieren, der man Jahrzehnte lang war. Immer wieder spricht Agarwal von der „Leidenschaft“ für dänische Ferienhäuser, die er mit den Hausbesitzern teile und dass er den Urlaubern „tolle Sommer-Ferien“ ermöglichen wolle – was man so sagt, wenn man Krisen-PR betreiben muss.

Ungewöhnlich ist allerdings, dass der Investor sich zumindest nach eigenen Angaben sehr direkt den verärgerten Hausbesitzern und Kunden stellt. Mehrfach zeigt er auf dem Handy, wie er mit Betroffenen chattet. „Ich bin auch in der Facebookgruppe, in der sich verärgerte Kunden austauschen. Das ist wichtig“, sagt er und zeigt eine Nachricht einer Kundin, die über Probleme mit einer Buchung berichtet. „Wenn ich ihr Problem löse, erzählt sie das vielleicht ihren Freunden“, hofft Agarwal.

Laufen Dancenter die Ferienhausbesitzer weg? „Nur ein bis zwei Prozent mehr“

Dass die privaten Hausbesitzer Dancenter massenhaft den Rücken kehren, könne er nicht bestätigen. Nach seinen Daten liege diese Zahl in etwa so hoch wie in den Vorjahren: „Vielleicht ein bis zwei Prozent höher.“ Auf der anderen Seite habe Dancenter im März den höchsten Zugang an neuen Häusern in seiner Geschichte erlebt, nämlich 350 bis 400 Häuser.

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Ergänzend zu den lokalen Vermietungsbüros habe man noch ein Extra-Team mit zwölf Personen in Aarhus installiert. „Wir streben auch an, dass der Check-in rund um die Uhr möglich ist, da manche Kunden mitten in der Nacht anreisen“, sagt Agarwal. „Dafür statten wir Häuser mit Digital-Türen aus, für den die Kunden den Code mit den Unterlagen erhalten.“

Dass er massenhaft Jobs nach Indien ausgelagert habe, bestreitet er. Auch als Dancenter noch eine Beteiligung von Axel Springer war, sei die Unternehmenszentrale schon außerhalb von Dänemark angesiedelt gewesen: „Wir haben nur wenige Backoffice-Arbeitsplätze in die Zentrale in Indien verlagert“, sagt Agarwal. „Aber das ganze operative Geschäft – etwa Kundenservice, Betreuung der Hausbesitzer und Reinigung – ist in Dänemark geblieben.“ Dort suche man sogar Personal und wolle 15 weitere Standorte eröffnen.

„Niemand, der bei Dancenter anruft, wird nach Indien durchgestellt“

Auch das unter Urlaubern verbreitete Gerücht, die Dancenter-Hotline sei nach Indien ausgelagert worden, weist er von sich: „Niemand, der bei Dancenter anruft, wird nach Indien durchgestellt.“ Wer in einem lokalen Büro anrufe, spreche mit den Mitarbeitern vor Ort. Die dänische Hotline sei in Aarhus angesiedelt, und wer von Deutschland aus anrufe, werde von einem Büro in Deutschland oder von einem unserer Callcenter in Europa bedient. „Wir haben keinen Telefonservice in Indien. Aber manchmal unterstützen wir bei Problemen per E-Mail aus der Zentrale in Indien.“

Und was ist nun die Lehre aus dem ganzen Ärger? Viele Innovationen hätten geholfen zu wachsen, sagt Agarwal. „Aber diese Innovation hat uns nicht geholfen. Daher haben wir sie gestoppt.“ Künftig werde man neue Ideen erst mal nur bei einer kleinen Zahl an Häusern ausprobieren. Ob es klappt, wird man bald erfahren. In einer Woche beginnen in Hamburg die Mai-Ferien, Tausende Familien werden sich auf den Weg nach Dänemark machen – und hoffen, dass ihr Ferienhaus nicht storniert wird.