Hamburg. Hamburger Pharmaforscher hat in kurzer Zeit 75 Prozent des Börsenwerts eingebüßt. Analysten sehen die Zukunft der Firma trotzdem positiv.
Womit sie sich da in den Büros und ausgedehnten Laboren am Essener Bogen 7 in Langenhorn ganz genau beschäftigen, bleibt für Laien zumeist rätselhaft. Nur wenige Menschen dürften behaupten, dass sie das Geschäftsmodell der Hamburger Evotec SE bis ins Detail verstanden haben. Kurz gesagt: Es geht um die Erforschung und Entwicklung pharmazeutischer Wirkstoffe. Evotec arbeitet dabei für und mit der Medikamentenindustrie weltweit zusammen.
Evotec-Aktie stürzt ab – was ist da los in Langenhorn?
In den vergangenen Jahren liefen die Geschäfte lange Zeit gut, der Jahresumsatz nahm Kurs auf die Milliardenmarke. Und auch seinen Aktionären machte der im MDAX notierte Konzern viel Freude. Im zweiten Corona-Jahr 2021 übersprang das Papier die Marke von 40 Euro deutlich.
Doch die Euphorie ist verflogen, mehr noch: Der Kurs ist tief im Keller. Seit Anfang dieses Jahres hat das Unternehmen 75 Prozent seines Börsenwerts eingebüßt. Nach einem massiven Kurssturz Mitte dieser Woche notiert es nur noch bei um die 5 Euro.
Evotec: Vorstandschef geht zu Jahresbeginn überraschend
Dafür gibt es mehrere Gründe. Um den Jahreswechsel legte der langjährige Vorstandsvorsitzende Werner Lanthaler überraschend nieder. Bald danach sprach Evotec von „Fehlverhalten“. Der CEO hatte offenbar eigene und meldepflichtige Geschäfte mit Evotec-Aktien erst mit unzulässig großer Verzögerung bekannt gemacht.
Der Kursabsturz in dieser Woche wurde durch die von Evotec, das seit 1. Juli mit Christian Wojczewski einen neuen CEO hat, gemeldeten Halbjahreszahlen und einen düsteren Ausblick ausgelöst. „Wir stehen vor Herausforderungen, die dringend angegangen werden müssen“, so Wojczewski. Der Umsatz werde 2024 nur noch minimal auf 790 bis 820 Millionen Euro steigen, gab der Konzern bekannt.
Evotec: Kosten für Kapazitätsaufbau drücken auf den Gewinn
Das Forschungssegment habe in einem „herausfordernden Umfeld“ weniger Umsatz gemacht. Zugleich drückten die Kosten für den Kapazitätsaufbau bei der Biologika-Tochter Just-Evotec Biologics auf den operativen Gewinn. Außerdem fährt Evotec seine Forschungsausgaben stärker zurück als gedacht.
Gleichwohl sehen Analysten die Zukunft des Unternehmens und der Aktie weiter vorwiegend positiv: Von elf Finanzexperten, die Evotec eng begleiten, raten derzeit acht, teils auch in aktuellen Statements nach den Halbjahreszahlen, zum Kauf des Papiers, zwei empfehlen den Aktionären, das Papier zu halten.
Allein der Deutsche Bank-Analyst Falko Friedrichs rät seit Donnerstag zum Verkauf von Evotec. Er glaubt, dass die Aktie nurmehr das Potenzial für einen Wert von 4 Euro hat, und begründet das mit der massiven Gewinnwarnung.
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Viele andere Experten halten dagegen einen Kurs von um die 15 Euro für realistisch und angemessen. Zugleich sparen sie nicht an Kritik. So ist nach Einschätzung der kanadischen RBC Bank die ohnehin nur noch begrenzte Glaubwürdigkeit des Managements und des Vorstands durch die Gewinnwarnung „noch stärker beschädigt“, so der Analyst Charles Weston.
Evotec – Allein die Deutsche Bank rät zum Verkauf der Aktie
Aktionäre, die nach dem heftigen Kursabsturz auf eine Erholung am nächsten Handelstag gehofft haben, wurden am Donnerstag enttäuscht. Am Vormittag drehte die Evotec-Aktien – wenn auch nur leicht – erneut ins Minus.