Hamburg. Vereinbarung über Automatisierung des Umschlags bringt Teile der Belegschaft auch gegen den eigenen Betriebsrat auf. Was jetzt droht.

Manche Kompromisse werden teuer erkauft. Das musste der Betriebsrat der HHLA in der vergangenen Woche feststellen, als er sich gezwungen sah, eine Vereinbarung mit der Geschäftsführung zur Automatisierung des Containerterminals Burchardkai (CTB) zu schließen, die er eigentlich so nicht gewollt hatte. Teuer könnte der Kompromiss letztlich aber auch für die HHLA werden, denn seit der Unterzeichnung der Vereinbarung ist an dem größten Hamburger Containerterminal Feuer unterm Dach.

„Mit solidarischen Grüßen“ haben sich die Vertrauensleute des CTB in einem Infoblatt an die Mitarbeiter gewandt, von denen es am Terminal etwa 1000 gibt. Rechnet man den Servicebetrieb der Instandhaltung hinzu, sind es 1200. In dem Infoblatt ist schon wieder von Streiks und einer „Vielzahl von Möglichkeiten“ für Aktionen die Rede, mit denen man den Arbeitgebern entgegentreten wolle.

Hafen Hamburg: Arbeiter erwägen neue Streiks am HHLA-Terminal Burchardkai

Auslöser ist der allgemeine Unmut am Terminal über den Interessenausgleich, den die Arbeitnehmervertreter im Rahmen des bevorstehenden Automatisierungsprozesses mit der HHLA-Führung vereinbart haben. Demnach wird ein ganzes Geschäftsfeld – der horizontale Containertransport auf dem Terminal – komplett umgestellt, wie das Abendblatt berichtete.

Automatisierte Lagerkräne verladen im Hamburger Hafen auf dem HHLA-Terminal Burchardkai (CTB) Container auf Lkw.
Automatisierte Lagerkräne verladen im Hamburger Hafen auf dem HHLA-Terminal Burchardkai (CTB) Container auf Lkw. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Anstatt bemannter Hubwagen, Van Carrier genannt, sollen künftig fahrerlose Transportfahrzeuge die Container, die vom Schiff abgeladen werden, in die inzwischen automatisierten Blocklager bringen. Die vom Schiff gelöschten Container werden auch nicht mehr wie bisher an der Kaikante abgesetzt, sondern direkt auf die Transportroboter verladen. Ganze Arbeitszwischenschritte fallen weg und machen die Schiffsabfertigung schneller und effizienter.

Mehr als 200 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Das ist von der HHLA-Führung genau so beabsichtigt, weil ihr die Konkurrenzhäfen in Antwerpen und in Rotterdam in Sachen Effizienz inzwischen davongelaufen sind. Allerdings macht die Automatisierung mittelfristig 183 Van-Carrier-Fahrer überflüssig. Und weil auch an anderer Stelle mehr automatisiert wird, etwa am Gate, an dem die Ladung das Terminal verlässt, stehen mithin mehr als 200 Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Die Hafenarbeiter sorgen sich um ihre Jobs. Sie befürchten zudem einen Zwang zur Umschulung für diejenigen, deren Arbeitsplätze infolge der Automatisierung wegfallen. Wer Qualifizierungsangebote nicht annehme, riskiere den Verlust des Jobs, heißt es. Und viele Mitarbeiter fragen sich, warum der Betriebsrat eine solche Einigung unterschrieben hat.

Hafenarbeiter sorgen sich um ihre Jobs

Wortreich erklären die Vertrauensleute nun in ihrem Infoblatt, dass sie selbst mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, letztlich aber zugestimmt hätten, um für die Beschäftigten irgendetwas zu retten. Da man sich mit der Unternehmensführung nicht einigen konnte, wurde eine Einigungsstelle eingerichtet – vor der den Arbeitnehmervertretern aber eine Niederlage gedroht habe.

Zahlreiche Van Carrier stehen am Containerterminal Burchardkai (CTB) still. Sie sollen durch selbstfahrende Transportwagen ersetzt werden.
Zahlreiche Van Carrier stehen am Containerterminal Burchardkai (CTB) still. Sie sollen durch selbstfahrende Transportwagen ersetzt werden. © DPA Images | Bodo Marks

„Das Betriebsverfassungsgesetz ist nicht unser Freund. Ja, es gibt uns Rechte, aber gleichzeitig schränkt es uns ein, unsere Interessen durchzusetzen und zwingt uns in Einigungsstellen, in denen Rechtsanwälte und Arbeitsrichter dominieren“, heißt es in dem Papier der Vertrauensleute.

Hafenarbeiter wollen Tarifvertragsverhandlungen mit Aktionen begleiten

Man sei aber nicht bei allem gezwungen, sich auf Rechtsanwälte und Gerichte zu verlassen. „Derzeit stehen mit dem HHLA-Vorstand drei Tarifverträge zur Verhandlung an: ein Sozialtarifvertrag zu den Umstrukturierungs- und Automatisierungsvorhaben, ein Tarifvertrag über die zukünftigen Betriebsratsstrukturen und ein erneuter Tarifvertrag über die betriebliche Mitbestimmung.“

Wenn es um Tarifverträge geht, sind Streiks möglich. Deshalb verweisen die Vertrauensleute darauf und auf weitere mögliche Aktionen. „Wenn es um die Zukunft unserer Arbeitsplätze und deren Gestaltung geht, sind wir alle gefragt“, endet ihr Schreiben.

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Bei den Hafenarbeitern hallt das nach. Viele sind schon wieder im Arbeitskampfmodus: „Der erzielte Kompromiss ist unzureichend. Wir stehen vor einem massiven Arbeitsplatzverlust und fühlen uns im Stich gelassen. Unsere einzige Chance, Verbesserungen zu erreichen, liegt in gewerkschaftlichen Kämpfen“, sagt einer.

Der Konflikt am Burchardkai kommt für die HHLA zur Unzeit. Überlagert wird der lokale Streit nämlich von der grundsätzlichen Tarifauseinandersetzung in den deutschen Seehafenbetrieben. Nachdem vier Verhandlungsrunden ohne Einigung geblieben waren, hatten die Arbeitgeber ein finales Angebot zur Anhebung der Stundenlöhne vorgelegt.

Hafen Hamburg: Am 20. August entscheidet sich, ob es Streiks gibt

Die Gewerkschaft Ver.di befragt derzeit ihre Mitglieder, ob sie das Angebot annehmen oder eine Urabstimmung über unbefristete Streiks in den deutschen Häfen ansetzen soll. Die Befragung läuft noch bis zum 20. August.