Hamburg. Start-up Planeteers hat eine Technik entwickelt, die Kohlendioxid neutralisiert. Testlauf ist in Norddeutschland geplant. Die Details.

Was wäre, wenn sich CO2-Emissionen auflösen würden – in einem natürlichen Prozess und ohne Schaden für Umwelt und Menschen? Klingt fantastisch? Zu fantastisch? Vier Hamburger Gründer haben eine Technologie entwickelt, mit der sie künftig große Mengen CO2 mithilfe von Kalkstein neutralisieren und im Meer speichern wollen. Planeteers haben sie ihr Start-up genannt. Ihre Mission: als „Ingenieure für den Planeten“ etwas gegen den Klimawandel zu tun.

Die Zukunft beginnt in einer Garage in einem Eimsbütteler Hinterhof. Hier haben Florian Brinkmann (43), Florian Birner (43), Frank Rattey (51) und Jens Hartmann (52), Geologie-Professor an der Universität Hamburg, ihr Forschungslabor eingerichtet. Wobei „Labor“ es eigentlich nicht ganz trifft: Der Backsteinbau ist Werkstatt, Büro und Konferenzraum. Hier haben die vier mit Experten und Partnern in den vergangenen Monaten einen Reaktor gebaut, der den Prozess der sogenannten Kalksteinverwitterung stark beschleunigt: von mehreren Hundert Jahren auf zehn Minuten.

CO2-Abbau: Hamburger entwickeln neues Verfahren

„Der Klimawandel ist allgegenwärtig. Wir haben vielleicht noch 20 Jahre Zeit, um an den schlimmsten Auswirkungen vorbeizukommen“, sagt Planeteers-Mitgründer Florian Brinkmann. „Wir glauben daran, dass technische Lösungen dabei helfen können.“

Treibhausgas-Emissionen sind die Hauptursache für die globale Erwärmung. Allein in Deutschland wurden dem Umweltbundesamt zufolge im vergangenen Jahr knapp 600 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Technologien entwickelt, mit denen CO2 in andere Stoffe umgewandelt werden kann.

Hamburg, Oelraffinerie im Harburger Hafen
Treibhausgas-Emissionen sind Hauptursache für die globale Erwärmung. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland knapp 600 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen (Symbolfoto). © picture alliance / Caro | Muhs

Die Idee, sich von der Natur abzugucken, wie dort CO2 abgebaut wird, ist nicht neu. Planeteers-Mitgründer Jens Hartmann, Leiter der Arbeitsgruppe für Aquatische Geochemie an der Hamburger Universität, beschäftigt sich seit der UN-Klimakonferenz in Kyoto 1997 mit der Frage, wie die Ozeane zur Aufnahme von CO2 beitragen können.

Vorbild ist ein natürlicher Prozess: Regen fällt durch die Luft, nimmt CO2 auf und reagiert zu Kohlensäure. Diese trifft am Boden auf Kalkstein und bildet sogenanntes Bi- oder Hydrogenkarbonat – ein Stoff, der auch in natürlichem Mineralwasser enthalten ist. Der wird dann über die Flüsse in die Ozeane gespült.

Bei der UN-Klimakonferenz in Kyoto fing alles an

„Das passiert ständig und überall auf der Erde, unschädlich für Umwelt und Mensch“, sagt der Wissenschaftler. Das Problem: Es dauert mehrere Hundert Jahre. Hartmann ist überzeugt, dass man diesen Prozess nutzen kann, rechnete und forschte weiter. Im Jahr 2020 fing der Geochemiker an, mit seinem Team an der Universität einen ersten Laborreaktor zu entwickeln.

Dass daraus das Start-up Planeteers wurde, hat mit Florian Brinkmann zu tun. Er ist auch Geochemiker, war nach längerem Auslandsaufenthalt, einem Wirtschaftsstudium und erster Start-up-Gründung wieder in Hamburg gelandet und auf der Suche nach einem spannenden Geschäftsmodell. Nach dem Kontakt mit Hartmann und seinem Forschungsprojekt entstand der Plan, „beide Welten miteinander zu verbinden“, so Brinkmann. Das Ziel: „Grundlagenforschung in Anwendung zu bringen.“

Garagen-Start-up entwickelt Forschungsreaktor weiter

Ende 2022 gründeten die beiden mit Frank Rattey, ehemals Unternehmensberater und Airbus-Manager, sowie Wirtschaftsingenieur und Unternehmer Florian Birner das Start-up Planeteers. „Unsere Lösung ist eine modulare, skalierbare Reaktor-Einheit, die weltweit eingesetzt werden kann“, sagt Birner. In den vergangenen Monaten hat das Quartett in der Eimsbütteler Garage den Uni-Laborreaktor weiterentwickelt und um das 50-Fache vergrößert. Die Finanzierung von einer Million Euro kam über Fördermittel der Investitions- und Förderbank Hamburg sowie Business Angel und weitere Partner.

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Inzwischen ist die Apparatur aus der Garage in einen transportablen Container umgezogen, der gegenüber vom Firmensitz an der Eimsbütteler Straße steht. Dass hinter den grünen Stahlwänden an der Rettung des Weltklimas gearbeitet wird, weiß kaum jemand. Im Inneren ist ein Kohlendioxid-Wäscher eingebaut, außerdem Wasserpumpen und der eigentliche Reaktor, der in einem kontinuierlichen Prozess mit einer Kalksteinmischung gespeist wird. „Das Fassungsvermögen sind 800 Liter. Wenn die Anlage rund um die Uhr in Betrieb ist, können wir mit unserem ersten Pilotreaktor 60 Tonnen CO2 im Jahr neutralisieren“, sagt Frank Rattey.

Von Mitte August an soll die Technologie erprobt werden: Erster Einsatzort ist die Kläranlage im schleswig-holsteinischen Hetlingen vor den Toren Hamburgs. „Das Interesse von kommunalen Abwasserwirtschaftsbetrieben als auch Industriepartnern ist riesig. Wir arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, die gerade viel dafür tun, Lösungen gegen den Klimawandel zu finden“, sagt Frank Rattey. Weitere Anwendungstests unter anderem in der Klärschlammverbrennungsanlage Wuppertal sind in Vorbereitung. Auch eine Patentanmeldung steht bevor.

CO2-Abbau: Hamburger entwickeln neues Verfahren

Kunden sehen die Planeteers-Gründer in der Schwerindustrie, aber auch bei kleineren Unternehmen mit CO2-Ausstoß. „Die staatlichen Auflagen zur Dekarboniserung steigen weltweit – bei uns in Europa sind bereits 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 55 Prozent zu reduzieren“, sagt Florian Birner. Dabei setzt das Start-up auf ein zweigleisiges Erlösmodell: durch Vermeidung von CO2 und damit Erreichen der Netto-Null-Dekarbonisierungsziele und durch den Verkauf von CO₂-Zertifikaten zum Ausgleich von nicht vermeidbaren Rest-Emissionen.

Schon im nächsten Jahr soll als weiterer Schritt ein Reaktor mit einer Jahreskapazität von 1000 Tonnen CO2 fertig werden. In zwei Jahren, so der Plan, könnte dann die erste industrielle Nutzung mit 2500 Tonnen möglich sein. Beide Vorhaben sind bereits finanziert.