Hamburg. Verbandschefin Brigitte Nolte über Kaufzurückhaltung, zu frühe Rabattaktionen und einen ungewöhnlichen Vorschlag für kleine Läden.

Auch wenn die größte Beständigkeit dieses Sommers seine Unbeständigkeit ist, auf einen Sommertermin können die Hamburger sich verlassen: Am kommenden Montag, wie immer dem letzten im Juli, startet der Sommerschlussverkauf (SSV). Eigentlich wurde die große Rabattschlacht schon vor Jahren offiziell abgeschafft und viele Einzelhändler in der Innenstadt bieten schon länger reduzierte Preise in den Läden, aber das Finale kann sich mit hohen Rabatten für Kundinnen und Kunden noch mal richtig lohnen.

„Die Händler sind nicht zufrieden“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord im Abendblatt-Gespräch. Vor allem dem Modehandel habe der schlechte Saisonstart zu schaffen gemacht. „Die Branche ist immer stärker vom Wetter abhängig. Wenn es wie in diesem Jahr im Juni zu kalt und im Juli unbeständig ist, bleibt die Sommerkleidung hängen“, sagt die Handelsexpertin. „Das Wetter passte nicht zur Ware.“

Sommerschlussverkauf in Hamburg mit hohen Rabatten – Einzelhandel unter Druck

Ein Problem, was angesichts der Klimaveränderungen in Zukunft noch häufiger vorkommen wird. Trotzdem sieht Nolte die Reduzierungswelle schon kurz nach Saisonbeginn kritisch. „Das ist nicht der richtige Weg. Eigentlich gibt es die Tendenz in der Branche, die Saison zu verlängern statt zu verkürzen.“ Sprich: Nicht schon im Juni die Preise purzeln zu lassen, sondern erst zum Sommerschlussverkauf Ende Juli.

Allerdings sei die Lage für viele Unternehmen durch die anhaltende Kaufzurückhaltung nach Pandemie, Kriegen und Krisen weiterhin angespannt, die Liquidität nicht immer ausreichend. „Man brauchte starke Nerven in diesem Jahr.“

Insgesamt gehen die Prognosen für dieses Jahr von einem Plus von nominal 3,5 Prozent im Einzelhandel aus. „Das hört sich besser an, als es ist. Durch die Kostensteigerungen bleibt davon real gerade mal ein Prozent übrig“, sagt Nolte. Der Modehandel verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein Umsatzpari zu 2023, was real ein Minus bedeuten würde. Auch der Möbelhandel kämpft, wie diverse Insolvenzen und Geschäftsschließungen in der Branche offenbaren. Dagegen läuft es in den Supermärkten und Discountern dank guter Umsatzzuwächse wieder besser. „Die Hoffnung liegt jetzt darauf, dass im traditionell umsatzstärkeren zweiten Halbjahr die Konjunktur anzieht und damit auch die Konsumfreude der Deutschen.“

Hamburg-City: Weniger Leerstände als befürchtet

Trotz des schwierigen Marktumfeldes und viel Kritik sieht Brigitte Nolte optimistisch auf die Entwicklung in Hamburg, vor allem auch der Hamburger City. „Es gibt eine Sogwirkung der Innenstadt, zumindest für Sortimente des mittelfristigen Bedarfs“, sagt die 58-Jährige, die in ihrer Funktion für den mächtigen Handelsverband Nord seit mehr als acht Jahren praktisch Mrs. Einzelhandel in Hamburg ist. In vielen Bereichen sei ein Transformationsprozess in Gange. Das fängt bei der Umgestaltung des Jungfernstiegs an, betreffe aber viele weitere Quartiere.

Zum Beispiel das umgestaltete Rathausquartier, in dem auch das Büro des Handelsverbands liegt. Beim Abendblatt-Fototermin vor der Tür sieht man Menschen durch die neu geschaffene Fußgängerzone in der Kleinen Johannisstraße flanieren und in den Lokalen sitzen, auch die angrenzenden Schauenburgerstraße und die Große Bäckerstraße werden umgestaltet. „Nachdem zunächst die Kritik von Händlern und Gastronomen groß war, äußern die meisten sich jetzt zufrieden“, sagt die Handelsmanagerin. Jede Baumaßnahme bedeute für die ansässigen Betriebe eine Durststrecke. Aber jetzt, wo das Ergebnis sichtbar wird, überwögen deutlich die Vorteile.

Saturn schließt Mietvertrag für zehn Jahre

Dass der Handel der Hamburger City die Treue halte, lässt sich ihrer Meinung auch daran ablesen, dass die Leerstände niedriger seien als befürchtet. „Unternehmen bekennen sich zu Hamburg“, sagt Nolte und nennt als Beispiel den Elektronikhändler Saturn am Anfang der Mönckebergstraße, der gerade einen Zehnjahresvertrag für die Kaufhausimmobilie unterschrieben habe und mit neuen Konzepten vor allem junge Leute ins Geschäft holen wolle.

Auch der Umbaustart im ehemaligen Kaufhof mit neuem Konzept mit Büros, Wohnungen und Einzelhandel stimme sie zuversichtlich. „Es geht dem Handel nicht gut, aber in der Innenstadt verändert sich gerade Vieles zum Guten.“

Mehr Wirtschaftsthemen

Die Eröffnung des XXL-Einkaufszentrums Westfield Überseequartier in der HafenCity im Oktober sieht sie gelassen. „Die Kräfteverschiebung wird erst mal bitter für die Innenstadt“, sagt Nolte. Aber das sei auch eine Chance für Entwicklung. „Das Ziel muss eine Nutzungsmischung sein.“ Deshalb sieht sie etwa die Initiative von Bausenatorin Karin Pein positiv, innovative Konzepte in der City mit 50.000 Euro zu fördern.

Sommerschlussverkauf mit hohen Rabatten: Förderung für kleine Läden

Eine weitere Stellschraube sind die Mieten. Bei Neuvermietungen seien diese je nach Lage um bis zu 50 Prozent gesunken, weiß die Handelsexpertin. Trotzdem reicht das gerade bei kleinen, inhabergeführten Läden nicht immer. Der Handelsverband Deutschland hatte gerade erst eine Prognose vorgelegt, nach der bundesweit bis Ende 2024 weitere 5000 Geschäfte vom Markt verschwinden. „Der Konzentrationsprozess geht weiter“, sagt Brigitte Nolte auch für Hamburg. Sie fordert deshalb Hilfen für kleinere Einzelhandelsunternehmen. „Wenn es dafür exakte Kriterien gibt, sollte man das tun.“