Hamburg. Durch das Sponsoring der Fußball-EM ist die Bekanntheit der Marke gestiegen. Das spüren auch die Verkäufer im Hamburger Showroom.
„Möchten Sie einen Kaffee?“ Der junge Verkäufer im Showroom des ebenfalls jungen Autohauses am Ballindamm in Hamburg weiß, wie man morgens die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden gewinnt. Denn der Vollautomat für den schwarzen Wachmacher ist nicht etwa an der Steckdose angeschlossen, sondern an der Ladebuchse eines Atto 3.
So heißt eines der insgesamt sechs Modelle, die der chinesische Autohersteller BYD zurzeit auf dem deutschen Markt anbietet. Alle sind elektrisch, die meisten sogar vollelektrisch.
BYD in Hamburg: Chinesischer Elektroautobauer hat seit Ende April Showroom am Ballindamm
Dort, wo Mercedes früher seinen „me store“ betrieben hat, findet sich seit Ende April dieses Jahres die erste Dependance von BYD in Hamburgs City mit Platz für maximal fünf Vorführwagen. Betrieben wird sie in Verantwortung der SPT Avior SE & Co. KG. Gleiches gilt für die im Dezember 2022 eröffnete BYD-Zentrale mit Servicecenter am Großmoorbogen in Neuland (Bezirk Harburg) und das große BYD-Autohaus, ebenfalls mit Werkstatt, an der A1 in Sittensen.
Hinter SPT Avior stehen Investoren, die bereits über langjährige Erfahrungen im deutschen Autohandel verfügen und an die Zukunft der chinesischen Elektroautos auf dem norddeutschen Markt glauben. Viktor Hafner ist dort Geschäftsführer und als solcher verantwortlich für die Expansion der Marke BYD in Hamburg und Umgebung.
BYD-Partner SPT Avior plant bis 2028 Expansion in Norddeutschland
„In den nächsten vier Jahren wollen wir unser Standortnetz so weit ausbauen, dass Kunden in ganz Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Hannover Ansprechpartner für den Verkauf und den Service von BYD-Fahrzeugen finden“, sagt Hafner. Geplant seien dafür einige wenige City-Stores in den Großstädten, zudem BYD-Autohäuser, die eher am Stadtrand liegen. „Die Idee bei BYD in Deutschland ist es nicht, bei einem Mehrmarkenhändler Unterschlupf zu finden, sondern jeweils eigenständige Vertriebspartner zu haben. Wir sind das im Norden der Bundesrepublik.“
Doch wie ist es eigentlich um die Bekanntheit des Autoherstellers bestellt, dessen drei Buchstaben für den Slogan „Build your Dreams“ (Baue deine Träume) stehen? Hat die zurückliegende Fußballeuropameisterschaft geholfen, bei der BYD ein Hauptsponsor war? „Das hat uns tatsächlich eine Menge Rückenwind gegeben“, sagt Hafner. Man habe sogar gespürt, wenn in Hamburg ein EM-Spiel stattgefunden habe, gerade dann seien vermehrt Neugierige in den Showroom gekommen und hätten Fragen zu den Autos gestellt.
BYD: Europachefin Stella Li sieht EM-Werbung als großen Erfolg
Zwar ist die EM inzwischen vorbei, die entsprechende Dekoration hat Hafner in seinem Showroom aber noch nicht wieder abgebaut. Zum Fototermin mit dem Abendblatt steht noch eine große Stellwand parat, die an den Werbeauftritt erinnert.
In manchen Ländern habe sich dank der EM der Bestelleingang verdoppelt oder sogar verdreifacht, sagt Stella Li, im BYD-Vorstand verantwortlich für Europa, die kürzlich dem Branchenblatt „Autohaus“ ein Interview gab. Die 53 Jahre alte Managerin gilt hinter Wang Chuanfu, dem Konzernchef und Gründer von BYD, als Nummer zwei im Unternehmen.
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Auch Hafner verweist im Abendblatt-Gespräch mehrfach auf dieses Interview, schließlich ist er Vertriebspartner von BYD und nicht deren offizieller Sprecher. Mit Lis Aussagen kann er sich allerdings sehr gut identifizieren, etwa mit dieser: „Bei Google wird jetzt doppelt oder dreimal so häufig nach BYD gesucht. Die Sichtbarkeit der Marke hat sich deutlich verbessert. Die EM hat sich für uns ausgezahlt.“ Auch das Vertrauen der Händler in die Marke sei gestärkt worden.
BYD: Wegfall der E-Auto-Prämie ließ Verkäufe abstürzen
Das ist womöglich auch nötig angesichts der aktuellen Verkaufszahlen. Wurden 2023 – als es in Deutschland noch eine Förderprämie von bis zu 6000 Euro pro E-Auto gab – insgesamt 4141 BYD-Neuwagen zugelassen, waren es im ersten Halbjahr 2024 nur noch 1202, also im Schnitt rund 200 im Monat. Damit lässt sich kaum der Ausbau eines Händlernetzes inklusive Marketingaufwand refinanzieren.
Doch betrifft die derzeitige Zulassungsflaute nicht nur den chinesischen Hersteller, sondern fast alle Anbieter von Elektroautos. „Man spürt natürlich, dass die Förderprämie für E-Autos gestrichen wurde“, bestätigt Hafner. Allerdings seien branchenweit anschließend bereits Preisanpassungen nach unten erfolgt, auch bei BYD.
Rein über das Thema „Preis“ möchte BYD laut Hafner seine Autos ohnehin nicht in den Fokus rücken. Vielmehr gehe es der Marke darum, mit Design und Technologie zu überzeugen. „Die Autos haben eine gute Verarbeitungsqualität, holen fünf Sterne im Crashtest, haben ein ansprechendes Design, hinter dem auch europäische Expertise steckt, und eine Batterietechnik, die andere so nicht bieten“, betont Hafner.
Gemeint sind die Eisen-Phosphat-Batterien, die Herzstück des ganzen Unternehmens sind und nicht nur in Autos verbaut werden, sondern auch als Stromspeicher in vielen Häusern. Die Akkus gelten vor allem in puncto Entflammbarkeit als besonders sicher.
BYD: Bei Expertentests schneiden nicht alle Modelle durchweg gut ab
Tatsächlich schneiden die BYD-Automodelle bei Tests der Alltagstauglichkeit überwiegend gut ab, aber keineswegs immer. Der ADAC zum Beispiel sieht zwar den Atto als „gefälliges Kompakt-SUV“ mit ausgewogenen Fahreigenschaften und umfangreicher Komfort- und Sicherheitsausstattung, beim Seal U lobt der Tester „hohe Qualität, feines Ambiente und dazu eine gute Reichweite“. Den kompakten Dolphin hingegen zerpflückte „Auto, Motor und Sport“ unlängst im Vergleichstest mit Cupra Born und Co. wegen schlechter Fahrwerksabstimmung und eines zu hohen Bremsweges. Ein weiteres BYD-typisches Problem sei die Reichweitenprognose im Navigationssystem, die lediglich mit WLTP-Normwerten rechne und deshalb oft falschliege.
So kommt es am Ende wahrscheinlich doch ein Stück weit auf den Preis an. Und darauf, inwieweit heutige Neuwagen später als Gebrauchtwagen nur mit hohem Wertverlust Abnehmer finden, so wie es zurzeit mit fast allen gebrauchten Elektroautos ist. Wer seinen Wagen least, ist zumindest dieses Risiko los, da die Rücknahme des Händlers garantiert ist – hier hat BYD gerade Kooperationspläne unter anderem mit ALD angekündigt.
Wie BYD mögliche Strafzölle der EU durch neue Werke vermeiden will
Im Fall von BYD kommt nun aber noch ein weiteres Problem hinzu: die mögliche Einführung von Strafzöllen durch die EU, die Autos aus China in Deutschland verteuern würde. Ursache ist, dass China offenbar mit seiner staatlichen Hilfe den Wettbewerb verzerrt, wenngleich sich auch deutsche Hersteller gegen derartige EU-Zölle ausgesprochen haben. BYD rechnet frühestens ab November mit 17,4 Prozent Strafzoll, während andere chinesische Marken sogar mit bis zu 37,4 Prozent extra besteuert werden sollen.
Noch ist allerdings nicht klar, ob es bei BYD wirklich zu neuen EU-Zöllen kommt, schließlich könnte der Import bald auch anders erfolgen. Hafner: „Es wird ein Werk in Ungarn gebaut, auch eine Fertigung in der Türkei steht an. Zudem hat Stella Li angedeutet, dass nicht auszuschließen ist, dass BYD in Deutschland ein Entwicklungszentrum aufbaut.“
Auto-Experte Dudenhöffer sieht bei BYD „noch viel Luft nach oben“
So oder so würde sich an den derzeitigen Listenpreisen nichts ändern, betont der Hamburger Geschäftsführer, schon gar nicht nach oben: „Wir bleiben erst mal bei den aktuellen Preisen.“ Diese starten derzeit mit 32.990 Euro für den Dolphin und reichen bis rund 70.000 Euro für den Tang. Bei allen Modellen ist eine umfangreiche Ausstattung bereits serienmäßig. Darüber hinaus gibt es jeweils ein noch höherwertiges Ausstattungspaket, weitere Auswahlmöglichkeiten außer bei der Farbe gibt es nicht.
Obwohl Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Centers Automotive Research in Bochum, durchaus mit einiger Skepsis auf die Modellvielfalt und die Marketingaktivitäten chinesischer Hersteller in Deutschland guckt, wie er dem Abendblatt verriet, glaubt er mittelfristig daran, dass sich zumindest zwei Marken hierzulande etablieren werden: neben MG (SAIC) auch BYD. Dazu sei es allerdings notwendig, nicht nur viel Geld in einmalige Kampagnen wie zur Fußball-EM zu investieren, sondern auch an der Kommunikation mit den Kunden zu arbeiten. „Da ist noch viel Luft nach oben“, so Dudenhöffer.