Hamburg. Offiziell ist der Sommerschlussverkauf abgeschafft. Aber viele Händler in der City senken jetzt noch mal die Preise. Die Gründe.
„Sommerschlussverkauf?“ Die junge Frau vor dem Schaufenster mit knalligen Rabattschildern schaut fragend. „Sie meinen Sale, oder?“, sagt sie. In der Hand hat sie schon zwei Einkaufstüten. Jetzt klappt sie den Regenschirm zu und steuert auf die nächste Ladentür zu.
Wer in diesen Tagen in der Hamburger Innenstadt unterwegs ist, bekommt fast überall Sommerkleider, Shorts, Sandalen und Bademode zu deutlich reduzierten Preisen. Für Schnäppchenjäger, die zu antizyklischen Käufen neigen, eine gute Gelegenheit. Bei Galeria Karstadt in der Mönckebergstraße gibt es noch mal 30 Prozent auf bereits reduzierte Bekleidung. Auch beim Sportartikelhändler Sportscheck, beim Modekaufhaus Peek & Cloppenburg oder bei internationalen Filialisten wie Zara oder H&M gibt es saftige Preisnachlässe. Teilweise sind es bis zu 70 Prozent weniger für viele Produkte.
Sommerschlussverkauf ist offiziell abgeschafft
Regen hin oder her: Die Saisonware muss raus, um Platz zu schaffen für die neuen Herbstkollektionen. Anfang der Woche hat der Einzelhandel die finale Reduzierungsphase in den Geschäften eingeleitet. Offiziell gibt es den Sommerschlussverkauf (SSV) zwar schon seit 2004 nicht mehr. Aber viele Geschäfte halten an der Tradition fest. Nur, dass es jetzt meist nicht mehr so genannt wird. Große SSV-Schilder sind in den Geschäften praktisch verschwunden, wie eine Stichprobe des Abendblatts ergab. Der Modehändler Anson’s etwa wirbt mit „Männerschlussverkauf“ im Schaufenster.
„Wir diskutieren immer wieder, ob der Schlussverkauf noch zeitgemäß ist“, sagt Andreas Bartmann, Präsident des Handelsverbands Nord und auch auf nationaler Verbandsebene im Handelsverband Deutschland (HDE) engagiert. Aber viele Kunden und Kundinnen hätten den Termin im Kalender und warten darauf.
Also läutet der HDE jedes Jahr wieder am letzten Montag im Juli eine Art inoffiziellen Sommerschlussverkauf ein. Schwerpunkt sind Bekleidung und Schuhe, aber auch Sportgeschäfte, Möbelhändler und Baumärkte locken mit Rabatten. „Es gibt die besten Preise, weil es die letzte große Abschlagswelle der Saison ist“, sagt Bartmann, der sich als Geschäftsführer des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter mit Verkaufsstrategien auskennt.
Preise für Bekleidung um gut fünf Prozent gestiegen
Shoppen ist teuer geworden. Auch im Modehandel sind die inflationsbedingten Preissteigerungen zu spüren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts betrugen sie im ersten Halbjahr dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr 5,7 Prozent bei Bekleidung und 2,9 Prozent bei Schuhen. Damit liegen sie knapp unter der allgemeinen Inflationsrate von 6,4 Prozent in dem Zeitraum. Da ist es natürlich erfreulich für die Kundschaft, wenn sie zum Saisonende noch mal kräftig sparen können.
Angesichts der unterschiedlichen Situation in den Warenlagern der Handelsunternehmen geht der HDE allerdings davon aus, dass sich in diesem Jahr nicht alle Läden am Sommerschlussverkauf beteiligen. Das sieht auch der Geschäftsführer des BTE Handelsverband Textil, Schuhe, Lederwaren, Axel Augustin, so: „Branchenweit gibt es aber eine gute Auswahl.“ Allerdings seien im Bekleidungshandel bei einem Umsatzminus von immer noch gut fünf Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 große Unterschiede bei den Einzelhändlern sichtbar.
Große Modehändler im mittleren Preissegment unter Druck
„Für die Mittelständler läuft es gerade besser als für die großen Handelsketten“, sagt der Handelsexperte. „Die unprofilierte Mitte tut sich schwer.“ Viele Kunden hätten weniger Geld zur Verfügung und wanderten zu den Billigketten ab. Das zeige sich an den wirtschaftlichen Problemen von Firmen wie dem Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der sich nach einer Sanierungsphase gerade aus der zweiten Insolvenzverfahren innerhalb von drei Jahren gearbeitet hat, oder dem Düsseldorfer Modehaus Peek & Cloppenburg, das ebenfalls ein Schutzschirmverfahren angemeldet hat.
Dagegen machten kleinere Textilhändler wie etwa New Yorker gerade gute Geschäfte. Von der Entwicklung völlig abgekoppelt sind die internationalen Luxus- und Premiummarken, die auch in Krisenzeiten eine stabile Kundschaft haben.
Das zeigt sich auch in der Hamburger Innenstadt. Während die Geschäfte rund um den Neuen Wall und Jungfernstieg nur vereinzelt mit Rabatten werben, konzentrieren sich die Sale-Angebote im Bereich der großen Einkaufsmeilen Spitalerstraße und Mönckebergstraße. Auch im Einkaufszentrum Europa Passage locken viele Einzelhändler mit Rabatten.
SSV: Früher dauerte die Preisschlacht genau zwölf Tage
„Aber es ist ganz anders als früher, als wir wirklich erst am Sonnabendabend vor dem Beginn des offiziellen SSV anfangen durften, die Preisschilder zu überkleben“, sagt Centermanager Jörg Harengerd, der lange im Handel gearbeitet hat. Hintergrund war das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das die Preisschlacht zum Saisonende nur für jeweils zwölf Tage im Sommer und im Winter geregelt hat.
Nachdem die festen Vorschriften vor neun Jahren gefallen sind, beginnen die ersten Rabattaktionen inzwischen etwa als „Mid Season Sale“ praktisch schon Ende Mai. „Der Bekleidungshandel macht sich mit den immer früheren Sale-Phasen das Geschäft selbst kaputt“, kritisiert der Branchenkenner die Preisspirale. „Bei 20 Prozent Rabatt kommt niemand mehr.“
Wieder mehr Menschen in der Stadt, aber weniger als in München
Dass sich die Preisspirale immer schneller dreht, hat auch mit dem Onlinehandel zu tun, der den stationären Handel unter Druck setzt. Trotzdem ist die Stimmung bei den Händlern in der Hamburger Innenstadt nach den schwierigen Corona-Jahren verhalten positiv. Die Menschen sind zurück. Das spiegelt sich auch in den Passantenmessungen des Anbieters Hi-Street. Im ersten Halbjahr 2023 waren etwa in der Spitalerstraße, nach der Zählung die meist frequentierte Shoppingstraße der Stadt, mehr als acht Millionen Menschen unterwegs – sechs Prozent mehr als im Vorjahr.
Im Vergleich der Top-Einkaufsstraßen in Deutschland liegt die Hamburger Spitzenstraße allerdings nur auf Platz 18. Die ersten drei Ränge belegen Münchner Destinationen, besser als Hamburg schneiden auch Frankfurt, Düsseldorf und Hannover ab.
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Eine endlose Rabattschlacht wie in den vergangenen Jahren, als die Pandemie mit Geschäftsschließungen und Hygieneregeln dem Handel massiv zugesetzt hat, zeichnet sich in diesem Jahr nicht ab. Viele Händler haben anders und zielgenauer eingekauft. Im heißen Juni waren zudem Sommerartikel schon gut verkauft worden, heißt es in den Branche. Nun könnte möglicherweise das miese Wetter für Kunden in Hamburger Geschäften sorgen. „Das regnerische Wetter führt dazu, dass die vielen Urlauber aus den Regionen an der Nord- und Ostsee zu uns in die City kommen und auch den Handel aufsuchen“, sagt Citymanagerin Brigitte Engler.
Sommerschlussverkauf: Der nächste Sale kommt bestimmt
Ob Sommerschlussverkauf oder Summer Sale – spätestens Mitte August müssen die Ladenhüter raus. Dann werden die neuen Kollektionen in die Geschäfte geräumt. Die ersten Herbst- und Winterwaren sind bei vielen Einzelhändlern längst in den Lagern. Und dann steht praktisch das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Für den Handel ist das die wichtigste Zeit im Jahr.
Schon jetzt zeigt sich, dass sich der Wettbewerb um die Kunden weiter verschärfen wird. Nach einer aktuellen Umfrage des Online-Marktforschungsinstituts Civey im Auftrag von Ebay drückt die Inflation auf die Shoppinglaune zum diesjährigen Weihnachtsfest: Jeder Fünfte will demnach weniger für Geschenke ausgeben. Der nächste Sale kommt also bestimmt – spätestens am Black Friday am letzten Novemberwochenende.