Hamburg. Schweizer Reederei steigt beim Hamburger Hafenkonzern ein. Welche Chancen und Risiken gibt es? Wie steht es um die Arbeitnehmerrechte?
Nach der Zustimmung der Bürgerschaft in erster Lesung befindet sich der geplante Teilverkauf der HHLA an die Schweizer Reederei MSC auf der Zielgeraden. Das Abendblatt beleuchtet Chancen und Risiken, die sich aus dem Deal ergeben.
Eine Partnerschaft mit MSC – macht das Sinn?
Die fast zehn Jahre tobende Schifffahrtskrise, die 2008 durch eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgerufen worden war, hat den Markt der Handelsschifffahrt grundlegend verändert. Reedereien sind in die Insolvenz gegangen, andere flüchteten sich in Fusionen. Um die Schiffe besser auszulasten und die Risiken von Ertragsausfällen zu minimieren, gründeten die großen Linienreedereien starke Allianzen, die ihnen gegenüber den Häfen viel Macht einräumte. Das bekam auch die HHLA zu spüren. Anstatt 24 einzelnen Linienreedereien standen ihr plötzlich drei große Konsortien gegenüber. Droht ein Kunde, aufgrund hoher Umschlagskosten seine Verträge mit der HHLA zu kündigen, würde der Umschlag nicht nur um ein paar Tausend Boxen sinken, sondern um Hunderttausende.
MSC-HHLA-Deal: Ein gutes Geschäft oder ein fauler Pakt?
Vor diesem Hintergrund könnte man sagen, dass der Hamburger Senat einen guten Partner gefunden hat. MSC ist die größte Reederei der Welt und wächst weiter. Marktexperten gehen davon aus, dass das Unternehmen Anfang kommenden Jahres so groß sein wird, dass es keine weiteren Reedereipartner mehr benötigt. Mehr noch: Der Marktanteil von MSC würde so bedeutend sein, dass die Reederei die Offensive der Hamburger Konkurrentin Hapag-Lloyd kontern könnte, die im kommenden Jahr mit Maersk eine neue Schifffahrtsallianz bilden wird.
MSC verspricht, ab 2031 jährlich mindestens eine Million Standardcontainer über den Hamburger Hafen umzuschlagen. Das ist ein starkes Plus und notwendig: denn der Hamburger Hafen verliert seit Jahren kontinuierlich Ladung an Konkurrenzhäfen. 2023 waren es gerade einmal 7,7 Millionen Standardcontainer. Das ist so wenig wie zuletzt im Jahr 2014.
MSC-HHLA-Deal: Undurchsichtige Firmenstruktur
Als Nachteil könnte sich erweisen, dass Hamburg den neuen HHLA-Teilhaber MSC nicht wirklich gut kennt und ihn nur schwer einschätzen kann. Die Schweizer Reederei MSC hat zwar mit Sören Toft einen Vorstandschef, der mit Hamburg den Deal ausgehandelt hat und der für den Senat der direkte Ansprechpartner ist. Das Sagen hat bei dem Unternehmen aber nur einer, der italienische Gründer und Eigentümer Gianluigi Aponte. Der wiederum gilt als verschlossen und hat sich in der Hansestadt bisher nicht sehen lassen.
Zudem ist die MSC-Firmenstruktur recht undurchsichtig: Hamburg und die Reederei wollen ihre Beteiligung an der HHLA künftig in einer Dachgesellschaft, der Port of Hamburg Beteiligungsgesellschaft SE, bündeln. Vertragspartner ist aber nicht MSC, sondern eine verschachtelte Gesellschaftsstruktur namens SAS Shipping Agencies Services mit Sitzen in Luxemburg und auf Zypern.
MSC Deutschland wird nach außen von Nils Kahn repräsentiert, einem verlässlichen und in Hamburg angesehenen Schifffahrtsmanager. Tatsächlich ist er aber nicht Geschäftsführer von MSC Germany, sondern nur mit der Geschäftsführung beauftragt. Die tatsächlichen Geschäftsführer heißen Lawrence Matthews und MSC-Finanzchef Yannick Anselme. Und auch sie sind hierzulande öffentlich noch nicht in Erscheinung getreten.
Behält die HHLA ihre Unabhängigkeit?
Befürworter und Gegner der Transaktion sind vor allem darüber uneins, ob die Stadt auch in Zukunft die Entscheidungshoheit über den Hafenkonzern HHLA behält. Hielt die Stadt in der Vergangenheit knapp 70 Prozent an dem Hafenkonzern, während der Rest an der Börse gehandelt wurde, sollen es in Zukunft nur noch 50,1 Prozent sein. Dennoch erhalte die Stadt künftig mehr Entscheidungsbefugnis, sagt der Senat, weil sie aufgrund der aktienrechtlichen Struktur mit einem hohen Anteil von außenstehenden Aktionären in der Vergangenheit kaum strategische Entscheidung habe durchsetzen konnte.
Tatsächlich ist es einfacher, wenn man sich nur noch mit einem Partner abstimmen muss. Aber genau das werde zum Problem, behaupten die Kritiker, weil künftig alles gemeinsam entschieden werden müsse – und zwar mit einem privatrechtlichen Unternehmen, das ganz andere Ziele verfolge als die Stadt. Schon in der Vereinbarung mit MSC steht beispielsweise festgeschrieben, dass man gemeinsam einen langfristigen Investitionsplan für die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit der HHLA auf globaler Ebene entwickeln werde.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass bereits früh über wichtige Personalien bei der HHLA entschieden wurde: Die Vorstandschefin wird von der Stadt gestellt und heißt für die nächsten fünf Jahre weiterhin Angela Titzrath. Auch den Arbeitsdirektor besetzt künftig die Stadt. Aber über die wesentlichen Vorstandsposten, nämlich die für Finanzen und den operativen Betrieb der HHLA, entscheidet künftig MSC.
Ist der Kaufpreis zu niedrig oder angemessen?
Der Kaufpreis für die HHLA-Anteile ist ausschließlich anhand des Aktienkurses ermittelt und mit einem Aufschlag versehen worden. Der Durchschnittskurs der HHLA-Aktie lag in den letzten drei Monaten vor der Offerte von MSC bei 11,25 Euro. Das Kaufangebot von MSC lautet 16,75 Euro pro HHLA-Aktie. Für die rund 19 Prozent seiner Anteile, die der Senat an MSC verkauft, erhält er also 230 Millionen Euro. Das sei „grotesk niedrig“, sagen Kritiker. Sie bemängeln, dass nur der Aktienkurs zur Unternehmensbewertung herangezogen wurde.
Allein die HHLA-Bahntochter Metrans war 2022 mit 1,5 Milliarden Euro bewertet worden. Und auch die Terminals sind durchaus wertvoll. Experten taxieren den Anteil von 19,9 Prozent allein an den Terminals Burchardkai und Altenwerder auf etwa 400 Millionen Euro.
Schifffahrtsexperte Jan Tiedemann vom Branchendienst Alphaliner widerspricht. Ein Hafenunternehmen nach seinem Aktienkurs zu bewerten sei durchaus üblich, sagte er dem Abendblatt. Wenn die HHLA tatsächlich so viel mehr wert wäre, hätte doch so mancher Aktionär bei einem „grotesk niedrigen“ Preis von 16,75 Euro pro Aktie zugegriffen. „Das Gegenteil ist geschehen. Viele Aktionäre haben ihre HHLA-Anteile an MSC verkauft.“
Gibt es Investitionen in den Hafen?
Hamburgs Wettbewerber an der Nordsee, insbesondere Antwerpen und Rotterdam, sowie an der Ostsee, beispielsweise Danzig, haben ihre Kapazitäten in den vergangenen Jahren ausgebaut und ihre Effizienz durch Automatisierung und Digitalisierung gesteigert. Die HHLA benötigt also hohe Investitionen, um mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Es geht um etwa 1,2 Milliarden Euro zwischen 2025 und 2028. Da kann es sich als Vorteil erweisen, wenn man mit MSC einen finanzstarken Partner an der Seite hat.
Allerdings wird MSC nur einen kleinen Teil der Investitionen tragen. Zusammen mit dem Senat ist nämlich vereinbart worden, der HHLA eine Eigenkapitalspritze von 450 Millionen Euro zukommen zu lassen. 230 Millionen davon stammen aus dem Erlös, den die Stadt aus dem Teilverkauf ihrer Anteile erzielt. Etwa gleich hoch ist die Summe, die MSC noch einmal darauflegt.
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Wird das reichen? Bei Weitem nicht. Schaut man sich die Investitionen der HHLA in der Vergangenheit an, hat sie jährlich etwa eine Milliarde Euro in ihre Anlagen investiert. Jetzt gibt es Geld für Metrans und die Containerterminals Tollerort sowie Altenwerder. Ein zusätzliches Terminal wie die geplante Westerweiterung könnte man davon nicht bauen. Und die Zeiten, in denen der Senat nach dem Landlord-Prinzip die Infrastruktur im Hafen selbst finanzierte, sind vorbei.
Wie sieht die Zukunft der Arbeitnehmer aus?
Die genaue Zukunft der Beschäftigten ist unklar. Der Senat hat mit MSC zumindest vereinbart, dass für die Dauer von fünf Jahren keine Änderungen an Tarifverträgen sowie bestehenden Pensionsverpflichtungen vorgenommen werden, es zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt und die HHLA die Arbeitgeberverbände nicht verlassen wird. Die Bürgerschaft hat zusätzlich den Senat aufgefordert sicherzustellen, dass die Tarifbindung über die fünf Jahre hinaus bestehen bleibt und die HHLA die Sicherung und den Erhalt von qualifizierten Arbeitsplätzen als wichtiges Ziel der Geschäftspolitik verfolgt.
Wie sieht es mit dem Kündigungsschutz der HHLA-Mitarbeiter aus?
„Der Senat beabsichtigt, den von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossenen Anliegen nachzukommen“, sagte ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde. Die HHLA werde auch nach Ablauf von fünf Jahren Mitglied des Arbeitgeberverbandes bleiben. Das sei nicht befristet. „Daraus ergibt sich die Zugehörigkeit zum entsprechenden Tarifsystem. Eine Notwendigkeit für Nachverhandlungen mit MSC ergibt sich daraus nicht“, so der Sprecher.
Was aber den Kündigungsschutz betrifft, will der Sprecher keine weiteren Zusagen machen. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen in den kommenden Jahren gehört zu den Aspekten, die der Senat in den Verhandlungen zugunsten der Beschäftigten erwirkt hat. Die Regelung gehe weit über die gegenwärtige Lage hinaus, bislang gebe es bei der HHLA so etwas nicht. „Hypothetische Fragen über die danach liegende Zukunft können seitens des Senats nicht kommentiert werden.“