Hamburg. Allianz setzt verstärkt auf die eigenen Terminals der Partner an der deutschen Nordseeküste. Für Hamburg ist das keine gute Nachricht.
Hapag-Lloyd und der dänische Konkurrent Maersk haben eine langfristige Zusammenarbeit vereinbart. Die beiden Großreedereien wollen ab 2025 unter dem Namen „Gemini Cooperation“ ein gemeinsames Servicenetzwerk im Seeverkehr aufbauen.
Die neue Kooperation zwischen Hapag-Lloyd und Maersk wird einen Flottenpool von rund 290 Schiffen umfassen mit einer kombinierten Kapazität von 3,4 Millionen Standardcontainern (TEU). Davon wird Maersk 60 Prozent und Hapag-Lloyd 40 Prozent zur Verfügung stellen.
Hapag-Lloyd schließt sich mit großem Rivalen zusammen
Der dänische Konzern Maersk ist nach MSC die zweitgrößte Reederei der Welt. Hapag-Lloyd die Nummer fünf. Zusammen werden sie in bestimmten Fahrtgebieten branchenführend werden. Maersk betreibt bisher noch mit dem Branchenprimus MSC eine Allianz, die aber 2025 endet.
Hapag-Lloyd fährt seit 2017 in einer Schifffahrtsallianz mit mehreren asiatischen Reedereien. Neben der taiwanesischen Reederei Yang Ming und dem koreanischen Unternehmen Hyundai Merchant Marine gehört dazu Ocean Network Express (ONE), in der mehrere japanische Reedereien ihr Containergeschäft gebündelt haben.
Hapag-Lloyd und Maersk rütteln bisherige Allianzen durcheinander
Diese Hapag-Lloyd-Partner werden sich jetzt anders sortieren. „Die Karten werden neu gemischt“, sagte der Deutschland-Chef von One, Jan Holst. Reedereien schließen sich gerne in Allianzen zusammen, um die Liniendienstangebote der einzelnen Partner zu integrieren und aufeinander abzustimmen. Sie können dadurch ihr Netzwerk erweitern, mehr Laderaum ihren Kunden anbieten und die Zahl ihrer Abfahrten erhöhen.
Die beiden künftigen Gemini-Partner sind an zahlreichen Umschlagterminals in verschiedenen Häfen beteiligt, die einander gut ergänzen: Maersk verfügt über 59 Terminals in 31 Ländern auf allen Kontinenten. Hapag-Lloyd hat Beteiligungen an 20 Terminals in Europa, Lateinamerika, USA, Indien und Nordafrika.
Hapag-Lloyd-Chef: Hamburg verliert Ladung an Bremerhaven und Wilhelmshaven
Für den Hamburger Hafen ist das Bündnis keine gute Nachricht. Hapag-Lloyd und Maersk haben angekündigt, dass sie die Gemini-Cooperation um Häfen herum aufbauen werden, in denen die Partner eine starke Terminalpräsenz haben. Das sind in Deutschland Bremerhaven und Wilhelmshaven. Hamburg dagegen gilt nicht als Gemini-Hafen. Für Maersk ist Hamburg schon jetzt nur zweite Wahl. Aus Kreisen des dänischen Unternehmens heißt es, dass zwei Drittel der gesamten Ladung, die Maersk nach Deutschland bringt, über Bremerhaven abgewickelt werden, nur ein Drittel über Hamburg.
Und Hapag-Lloyd wird sein Engagement in Hamburg zurückfahren. „Deutschland wird insgesamt mehr Ladung bekommen. Für den Hamburger Hafen wird es etwas weniger sein“, sagte der Vorstandschef von Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen. Er rechnet mit einem Rückgang von etwa zehn Prozent des bisherigen Hapag-Lloyd-Umschlags an der Elbe.
Hamburg verliert auch direkte Verbindungen nach Asien
Mehr noch: Durch die Konzentration auf die Häfen, in denen die beiden Partner Umschlagterminals in der eigenen Hand haben, verliert Hamburg absehbar eine Reihe von direkten Schifffahrtsverbindungen nach Asien. Denn die Container, die über die Zwillingskooperation abgewickelt werden, sollen künftig von Hamburg aus auf kleineren Frachtern zunächst nach Rotterdam und Tanger gebracht und von dort aus nach Asien verschifft werden.
Nicht nur wegen der Vernetzung eines Teils ihrer Flotten, sondern auch wegen eben dieser Terminalpräsenz sehen die beiden Unternehmen einen guten Grund zur Kooperation. Maersk und Hapag-Lloyd haben Pünktlichkeitsoffensiven gestartet und wollen zusammen eine Fahrplanzuverlässigkeit von mehr als 90 Prozent erreichen. Eigene Terminals sind ein Schlüssel zu sehr effizienten Abläufen bei den Lade- und Löschvorgängen in den Häfen und damit zu mehr Pünktlichkeit.
Opposition befürchtet Ladungsverlust
Die Kooperation der beiden Branchenriesen fußt auf einem direkten Zugang zu eigenen Terminals. Da möchte man sich ungern mit einem Dritten absprechen müssen. Doch genau das könnte in Hamburg künftig notwendig sein, weil der Senat mit dem größten Konkurrenten MSC eine Vereinbarung geschlossen, die der Schweizer Reederei im Hamburger Hafen viel Einfluss einräumt. Hamburg und MSC wollen den Hafenkonzern HHLA künftig gemeinsam betreiben. MSC soll bis zu 49,9 Prozent an der HHLA erhalten. Die Schifffahrtskaufleute von Hapag-Lloyd fühlten sich von dieser Entscheidung verprellt. Sie hatten sich ebenfalls um die HHLA beworben.
Dabei ist die Ankündigung einer Allianz mit Maersk keine direkte Reaktion von Hapag-Lloyd auf Hamburgs Einladung an MSC. Die Verhandlungen über Gemini hatten schon zuvor begonnen. Sie wirft aber ein neues Schlaglicht auf den Deal, den Hamburg mit MSC eingehen will.
Schadet der Senat mit dem MSC-Deal dem Hafen?
Noch bevor Habben Jansen am Nachmittag die Auswirkungen seines neuen Bündnisses auf den Hamburger Hafen verkündete, schwante der Opposition schon, dass Hamburg darunter leiden könnte. „Die Entwicklung erfüllt mich mit Sorge, fraglich ist, ob Maersk und Hapag-Lloyd Dienste und damit Tonnage aus Hamburg abziehen“, sagte der Hafenexperte der CDU, Götz Wiese. „Es wird immer deutlicher: Die Beteiligung der Reederei MSC an der HHLA im Ganzen wäre eine Fehlkonstruktion. Es besteht das große Risiko, dass unser Hafen nicht mehr als offener Handelsplatz wahrgenommen wird, an dem alle Reedereien gleichermaßen willkommen sind.“
Der Hafenexperte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, sieht es ebenso: Die neue Allianz von Maersk und Hapag-Lloyd verstärke die Gefahr, dass sich der Hamburger Senat mit seiner geplanten Zusammenarbeit mit MSC verzockt hat.
FDP kritisiert rot-grüne Geisterfahrt in Hafenpolitik
Das Gemini-Bündnis habe das Potenzial, den Hafenstandort Hamburg weiter zu schwächen, glaubt auch der Hamburger Hafenexperte der FDP, Michael Kruse. Er sieht eine Mitverantwortung beim Senat. „Mit seiner unberechenbaren Hafenpolitik hat Bürgermeister Tschentscher großen Schaden angerichtet. Die rot-grüne Geisterfahrt in der Hafenpolitik muss enden, bevor der Hamburger Hafen ein Museumshafen mit gelegentlichem Containerverkehr wird.“
Nach Ansicht unabhängiger Schifffahrtsexperten sind die Folgen für den Hamburger Hafen noch nicht in vollem Umfang absehbar: „Hamburg ist nicht gefeit davor, dass jetzt Liniendienste verlagert werden“, sagt Schifffahrtsexperte Jan Tiedemann vom Branchendienst Alphaliner. „Aber das Schicksal des Hamburger Hafens hängt nicht allein an Hapag-Lloyd. Er hat den Vorteil, dass es viel lokales Ladungsaufkommen gibt, das schiebt man nicht einfach hin und her. Diese Volumina sind schon an Hamburg gebunden.“
Hapag-Lloyd-Chef lobt Zusammenschluss mit dem Rivalen Maersk
Jan Ninnemann, Logistikprofessor an der Hamburg School of Business Administration (HSBA), meint, die Rückwirkungen der neuen Allianz auf den Hamburger Hafen seien noch unklar. „Maersk ist nicht so auf Hamburg fixiert, sondern eher auf Bremerhaven. Zudem war Hapag-Lloyd wegen seiner Zusammenarbeit mit der HHLA in ,The Alliance‘ der starke Partner, der dafür sorgte, dass auch die asiatischen Reedereien ihre Ladung vor allem nach Hamburg brachten. Ob sie das auch künftig tun werden, bleibt abzuwarten.“
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) gewinnt hingegen der neuen Allianz Positives ab: „Es ist gut, dass es mit Hapag-Lloyd einer deutschen Reederei gelungen ist, sich mit internationalen Partnern zusammenzutun. Es ist auch gut, dass der Hamburger Hafen durch mehrere Standbeine Teil solcher internationalen Netzwerke ist. Er spielt eine wichtige Rolle als Destination für Fracht- und Ladungsströme.“
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„Das ist ein wichtiger Schritt in unserer Strategie, die Nummer eins bei der Qualität zu werden.“, sagte Habben Jansen. „Durch diese Zusammenarbeit bieten wir unseren Kunden ein flexibles Seeverkehrsnetz, das die Messlatte für Zuverlässigkeit in unserer Branche höher legt“, ergänzte der Vorstandschef von Maersk, Vincent Clerc.
Die Handelskammer fordert mehr Wettbewerb im Hamburger Hafen: „Die angekündigte Veränderung im Bereich der Containerlinien zeigt einmal mehr, dass der Hamburger Hafen seine Wettbewerbsposition stärken muss“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Malte Heyne. Die Beteiligung von Containerreedereien an Terminals werde noch weiter an Bedeutung gewinnen. „Hamburg kann von dieser Entwicklung profitieren, wenn es die Voraussetzungen für weiteren Wettbewerb unter den Terminalbetreibern schafft.“