Hamburg. Beschäftigte von Allnex in Wandsbek haben lange gekämpft – vergeblich. Wie es für sie weitergeht, was am Standort passieren könnte.

„Wir haben uns entschieden, für den Erhalt des Standorts zu kämpfen, nicht für hohe Abfindungen.“ So hat das Betriebsratschef Christian Wolf vor knapp einem Jahr gesagt, im Namen der Beschäftigten der Chemiefabrik Allnex in Hamburg-Wandsbek. Erfolgreich waren sie nicht, es ist dann doch so gekommen, wie das Unternehmen es will.

Seit Dienstag hat Allnex an der Helbingstraße die Produktion von Kunstharzkomponenten für Spezialfarben, Lacke, Klebstoffe eingestellt. An diesem Sonntag schließt der Betrieb.

Allnex in Hamburg schließt: „Hier liegen sich Männer weinend in den Armen“

Es ist das Ende einer mehr als 90 Jahre alten Fabrik. Und es ist für die meisten der noch etwa 120 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine emotionale Phase. „Wir sind alle sehr traurig, es wird viel geheult. Hier liegen sich Männer weinend in den Armen“, sagt Wolf über die vielen Abschiede, die in diesen Tagen genommen werden.

Die Fabrik produziert seit 1933, sie hatte viele Besitzer und Namen, zuletzt Allnex, das letztlich einem thailändischen Konzern gehört. Dass der Standort Wandsbek geschlossen wird, hatte Allnex im Frühjahr 2023 angekündigt. Begründung: ein deutlicher Nachfragerückgang in Europa. Das, was sie an der Helbingstraße herstellen, sollen andere Allnex-Standorte übernehmen. Das Areal an der Helbingstraße sei ausgereizt, Investitionen lohnten sich nicht, hieß es.

Allnex-Schließung ist „kurzsichtig“, „krass falsch“, „dumm“, heißt es

Betriebsrat, Senatoren, Bezirkspolitiker und die Chemiegewerkschaft IG BCE nennen das wahlweise „unverständlich“, „kurzsichtig“, „krass falsch“ oder schlicht „dumm“. Ein Umdenken des Unternehmens löste das nicht aus.

Immerhin: Unterstützt von einigen Warnstreiks im Herbst und Winter handelten die Firma und die Gewerkschaft Regelungen für die Beschäftigten aus, von denen die für den Betrieb zuständige IG-BCE-Skretärin Ute Sierck sagt, sie hätten „eine hohe Qualität. Es ist ein sehr guter Sozialplan und ein guter Sozialtarifvertrag.“ Es gibt vergleichsweise hohe Abfindungen, Beschäftigte können bis zu einem Jahr lang in eine Transfergesellschaft wechseln, dort Fortbildungen und Bewerbungstrainings machen. Die Firma stockt das von der Arbeitsagentur gezahlte Transferentgelt auf 85 Prozent des Nettogehalts auf. Es sind finanzielle Puffer bis zum Ruhestand oder zu einem neuen Job.

Allnex schließt – Chancen auf neuen Job sind nicht schlecht

Die Chance, einen zu finden, sind für die Allnexer nach Einschätzung von Gewerkschaft und Betriebsrat „nicht schlecht“ oder sogar „ganz gut“. Ein bisschen Sorge macht sich Christian Wolf um die Kollegen, die als Ungelernte im Betrieb angefangen haben. Die seien inzwischen zwar oft anerkannte Experten auf ihrem Gebiet – hätten aber eben keinen anerkannten Berufsabschluss.

Auf dem acht Hektar großen Werksgelände werden seit 1933 Chemieprodukte hergestellt, es ist mit Schadstoffen belastet. Entstehen dort in einigen Jahren neue Wohnungen?
Auf dem acht Hektar großen Werksgelände werden seit 1933 Chemieprodukte hergestellt, es ist mit Schadstoffen belastet. Entstehen dort in einigen Jahren neue Wohnungen? © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Der Personalabbau begann schon 2023, die Azubis wechselten in andere Firmen. Christian Wolf weiß von Kollegen, die am 1. Juli oder am 1. Oktober woanders anfangen. Und einige Dutzend sind erst einmal noch damit beschäftigt, ihre früheren Arbeitsplätze zu demontieren. Allnex will das Betriebsgelände komplett räumen und dann verkaufen. Gewerkschaftssekretärin Sierck sagt über die, die vorerst bleiben. „Die reißen jetzt ab, was so etwas wie ihr Zuhause war. Es ist ein Trauerspiel.“

Allnex: Entstehen auf dem Areal der Chemiefabrik neue Wohnungen?

Allnex bekräftigte auf Anfrage: „Wir planen, das Gelände Ende 2026 komplett geräumt und verkauft zu haben.“ Im Umfeld des Unternehmens heißt es, es gebe bereits Gespräche mit einem Interessenten, der auf dem acht Hektar großen Areal Wohnungen bauen wolle. Allnex äußerte sich dazu gegenüber dem Abendblatt nicht.

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Planungsrechtlich sind Wohnungen an der Helbingstraße möglich. Aber: Das Areal ist nach 90 Jahren mit Schadstoffen kontaminiert. Seit Jahren gibt es Vorkehrungen, die eine Ausbreitung ins Grundwasser und in die Wandse verhindern sollen. Der Hamburger IG-BCE-Chef Jan Koltze, der auch SPD-Bürgerschaftsabgeordneter ist, sagt: „Wenn dort Wohnungen errichtet werden sollen, müssen vorher die Altlasten beseitigt werden. Meine Erwartung ist, dass die Stadt darauf achtet, dass Allnex die Verantwortung dafür trägt.“