Hamburg. Ein Firmenchef ist klar dafür, vollen Lohnausgleich aber lehnen Hamburger Firmen ab. Ein bekannter Ökonom sieht das ganz anders.
Wenn es nach den Vorstellungen der IG Metall geht, dann könnte die fünftägige Arbeitswoche für viele Beschäftigte bald passé sein. Ihr Verhandlungsführer in der nordwestdeutschen Stahlindustrie will mit der Forderung zur Einführung einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich in die nächste Tarifrunde gehen.
„Wir wollen eine echte Entlastung für die Beschäftigten erreichen, ohne dass sie deshalb weniger verdienen“, sagte Knut Giesler der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. So solle die Wochenarbeitszeit von 35 auf 32 Stunden gesenkt werden.
Vier-Tage-Woche – Hamburger Ökonom glaubt daran
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann möchte die Vier-Tage-Woche nicht nur auf die Stahlindustrie beschränken, sondern auf andere Branchen ausweiten. „Die Stahlindustrie war schon oft Vorreiter für fortschrittliche tarifliche Regelungen – auch bei der Arbeitszeit“, sagte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft und erinnerte an die einstige Einführung der 35-Stunden-Woche.
Aus der Wissenschaft kommt Zustimmung. „Die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wird eher früher als später kommen. Faktisch sind wir in vielen Bereichen bereits nicht weit weg davon“, sagte der in Hamburg lebende Ökonom Henning Vöpel auf Anfrage. Dies sei nicht nur eine Frage der „neuen demografischen Macht der Beschäftigten“ durch den zunehmenden Fachkräftemangel, sondern auch der Arbeitsproduktivität.
Vier-Tage-Woche durch technischen Fortschritt möglich
„Durch die höheren Arbeitskosten steigt der Druck auf Unternehmen, stärker zu automatisieren. Letztlich wird also der technische Fortschritt die Vier-Tage-Woche möglich machen“, sagte Vöpel, der lange Jahre das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut leitete und nun in Berlin Direktor des Centrums für europäische Politik (cep) ist. Übergangsweise könne vor allem in Schichtbetrieben durch die Vier-Tage-Woche die Auslastung allerdings sinken. „Die Maschinen sind nicht mehr rund um die Uhr einsetzbar, und deshalb kann die Produktion teurer werden und gegebenenfalls abwandern.“
Volkswirtschaftlich sei eine Vier-Tage-Woche „zunächst nicht schlimm“, so Vöpel weiter. Schließlich sei über die vergangenen Jahrhunderte die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 80 auf 40 Stunden gefallen. Vöpel: „Der Treiber hierfür war zumeist der technische Fortschritt.“
Nordmetall spricht von einer „Debatte zur Unzeit“
Aber wie reagieren die Arbeitgeber auf diese Pläne? Klare Ablehnung kommt vom Verband Nordmetall, dem norddeutschen Gegenspieler der IG Metall. Es sei eine „Debatte zur Unzeit“, sagte Hauptgeschäftsführer Nico Fickinger: „In Zeiten des Fachkräftemangels brauchen wir nicht weniger, sondern mehr Arbeitsvolumen, um uns aus der Krise herauszuarbeiten und die Herausforderungen der ökologischen Transformation zu meistern.“
Über Arbeitszeitverkürzungen sei früher diskutiert worden, als es hohe Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung gab. Nun gebe es einen eklatanten Mangel an Personal, der sich durch die demografische Entwicklung noch verschärfen werde. Die Produktion in Deutschland müsse für die Arbeitgeber attraktiv gehalten werden, „um eine schleichende Deindustrialisierung und eine Verlagerung ins Ausland zu verhindern“, so Fickinger.
Airbus verweist auf flexible Arbeitszeitgestaltung
Und wie sehen es Hamburger Unternehmen? Spüren sie den Fachkräftemangel? Fragen Bewerber bei Einstellungsgesprächen bereits nach einer Vier-Tage-Woche? Unsere Redaktion fragte nach.
Airbus: Der Flugzeugbauer verweist generell auf das Nordmetall-Statement. Darüber hinaus biete man bereits heute diverse Möglichkeiten zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung wie Arbeitszeitkonten, Teilzeit und verkürzte Vollzeit, Sabbaticals und die Wandlung von Gehaltsbestandteilen in zusätzliche freie Tage an.
Aurubis hält Vier-Tage-Woche für „schwer realisierbar“
Die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sei „nur schwer realisierbar“, werde „nicht aktiv“ verfolgt und sei bei Bewerbungsgesprächen bislang auch noch nicht aufgekommen, sagte ein Sprecher der Kupferhütte Aurubis. Als ein Grund für die schwierige Umsetzbarkeit wird die Arbeit im Schichtbetrieb genannt.
Aurubis spüre den Fachkräftemangel insbesondere in den MINT-Berufen – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – und reagiere mit Flexibilität wie mobilem Arbeiten und Arbeitszeitgestaltung darauf. Reduzierte Arbeitszeiten würden stärker in der Verwaltung nachgefragt als in der Produktion.
Vier-Tage-Woche? Frage stellt sich nicht, sagt Beiersdorf
„Die Frage nach der Einführung einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich stellt sich uns nicht“, sagte ein Sprecher des Nivea-Herstellers. Allein in Deutschland gebe es mehr als 350 verschiedene Arbeitszeitmodelle wie Teilzeit, Gleitzeit, mobiles Arbeiten und Jobsharing, bei dem sich zwei Personen eine Rolle teilen.
Man sehe sich als attraktiver Arbeitgeber, nehme trotzdem den Fachkräftemangel wahr – steuere dem aber erfolgreich entgegen, indem zum Beispiel kreativ an Hochschulen um Nachwuchs geworben werde. Rund 18 Prozent der Beschäftigten arbeiteten in Teilzeit.
Block House: Chef möchte die Vier-Tage-Woche
Die Steakhouse-Kette beklagt, dass das Arbeitsschutzgesetz von 1994 stamme und „starre und unflexible arbeitszeitrechtliche Vorschriften“ enthalte. So könne beispielsweise ein Arbeitnehmer auf einer Hochzeitsfeier auch auf seinen Wunsch hin nicht länger als zehn Stunden eingesetzt werden.
„Für die Einführung der Vier-Tage-Woche gibt es von uns ein klares ,Ja’“, sagte Chef Stephan von Bülow. Aufgrund der massiv gestiegenen Lohnkosten in der Gastronomie sei ein voller Lohnausgleich jedoch utopisch und unbezahlbar. Verschiedene Benefits und Mitbestimmung bei der Dienstplangestaltung trügen „zum gesunden Gleichgewicht von Arbeit und Privatleben“ der Mitarbeiter bei.
Eppendorf SE fürchtet um Wettbewerbsfähigkeit
„Eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich würde Eppendorf nicht mehr wettbewerbsfähig agieren lassen“, sagte ein Sprecher des Laborbedarfsherstellers und verweist auf den internationalen Wettbewerbsdruck in der Life-Science-Branche mit harter Preisgestaltung und hohem Kostendruck.
Es gebe allerdings für Beschäftigte die Möglichkeit, an „nur“ vier Tagen in der Woche zu arbeiten – jedoch nicht bei vollem Lohnausgleich. Flexible und individuelle Arbeitszeitmodelle würden genutzt, um auf den sehr deutlich spürbaren Fachkräftemangel zu reagieren.
Flughafen Hamburg – jeder Fünfte arbeitet Teilzeit
„Nach der beschriebenen Vier-Tage-Woche wird aktuell nicht gefragt“, sagt eine Unternehmenssprecherin zur Situation in Einstellungsgesprächen. Sie gebe es derzeit am Airport auch nicht. Teilzeit und mobiles Arbeiten seien natürlich Themen, bei denen man große Flexibilität biete. Aktuell arbeiteten rund 20 Prozent der Beschäftigten bei der Flughafen Hamburg GmbH in Teilzeit.
Neue Mitarbeiter würden vor allem in der IT, Elektrotechnik, Mechatronik und bei den Bodenverkehrsdiensten gesucht. Dabei setze man auf Benefits wie Alters- und Gesundheitsvorsorge, Sportangebote und Rabatte. Zudem sei es „möglich und sogar üblich, per Quereinstieg in andere Bereiche zu wechseln und dort auch Führungspositionen zu besetzen“.
Hapag-Lloyd plant Vier-Tage-Woche „absehbar nicht“
Die Vier-Tage-Woche sei „absehbar nicht geplant“, sagte ein Sprecher der Reederei: „Wir bieten mit einer 38-Stunden-Woche, flexibler Arbeitszeit und einem guten Mix aus Arbeiten im Büro und von zu Hause bereits umfassende Flexibilität.“
In Bewerbungsgesprächen werde so gut wie nie nach einer Vier-Tage-Woche gefragt. Man halte sie auch nicht als ein geeignetes Instrument, um den sich bemerkbar machenden Fachkräftemangel zu lindern. Schließlich funktioniere das globale Geschäft nur durch die enge Zusammenarbeit aller Mitarbeiter weltweit, um den reibungslosen Ablauf der Transportketten täglich sicherzustellen.
Etwa jeder siebte Hapag-Lloyd-Beschäftigte in Deutschland arbeite in Teilzeit. Mit reduzierten Arbeitszeiten habe man „gute Erfahrungen“ gemacht.
New Work möchte Arbeitsergebnis in den Vordergrund stellen
Rund 16 Prozent aller Beschäftigten des Karriere-Netzwerkes arbeiten in Teilzeit, bei den Führungskräften immerhin zwölf Prozent. Jeder Mitarbeiter habe die Chance, die Arbeitszeit nach seinen Wünschen zu reduzieren, so ein Sprecher. Aber: „Die Einführung einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich planen wir aktuell nicht.“
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Während zum Beispiel im produzierenden Gewerbe Zeit ein wichtiger Faktor zur Bewertung der Produktivität sei, sollte bei der sogenannten Wissensarbeit das Ergebnis im Zentrum stehen. Daher sollten alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen wie Politik, Gewerkschaft und Unternehmen die Entwicklung neuer Modelle anstreben. Als „recht attraktiver Arbeitgeber“ spüre man den Fachkräftemangel zwar, erhalte momentan aber „meist viele Bewerbungen“.
Vier-Tage-Woche – Otto Group lehnt sie ab
Der Onlinehändler Otto nimmt einen verstärkten Wettbewerb in den Technologieberufen um Arbeitskräfte wahr, sieht sich für diesen „allerdings gut gerüstet“, sagte ein Sprecher. Auch dank zahlreicher Benefits – wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, Personalrabatte, Zuschuss für HVV-ProfiTickets sowie Gesundheits- und Sportprogramme. Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle gehörten ebenfalls dazu.
Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten liege bei 18 Prozent, hinzu kämen noch weitere 23 Prozent, die in vollzeitnaher Teilzeit arbeiten mit einem Beschäftigungsgrad zwischen 80 und 100 Prozent. Das Fazit des Otto-Sprechers zu der von der IG Metall angestrebten Vier-Tage-Woche: „Für Otto ist das aktuell kein Thema.“