Wedel. Weniger Tage, keine Lohnkürzung: Bundesweit ist das Modell ein Novum im öffentlichen Dienst. Warum Wedel als Pionier vorangehen will.

Dieser Schritt dürfte bundesweit einmalig sein: Die Stadt Wedel will noch in diesem Jahr die Viertagewoche für alle Verwaltungsmitarbeiter einführen – ohne Lohnkürzung. Schon im Sommer soll das neue Arbeitszeitmodell an den Start gehen. Ein Novum im öffentlichen Dienst des Landes.

Vereinzelt gibt es in Deutschland die Viertagewoche zwar schon in privaten Unternehmen, in der Verwaltung des öffentlichen Dienstes möchte Wedel nun aber bei diesem Arbeitszeitmodell mit gutem Beispiel vorangehen – und im Ringen um rare Fachkräfte seine Position verbessern.

Viertagewoche: Wedel will bei Arbeitszeiten Vorreiterrolle einnehmen

In Schleswig-Holstein gibt es jedenfalls bisher keine Verwaltung mit dieser für viele Experten fortschrittlichen Arbeitszeitaufteilung. „Ich kenne zumindest keine einzige Stadt, in der die Viertagewoche bereits eingeführt ist. Insofern sehen wir uns da schon in einer Vorreiterrolle“, sagt Jörg Amelung, Fachbereichsleiter Innerer Service der Stadt Wedel und damit so etwas wie der Personalchef.

Schon im Sommer soll es nach Möglichkeit so weit sein. „Die Dienstvereinbarung muss noch vom Personalrat geändert werden. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir in wenigen Monaten dieses Modell anbieten können“, sagt Amelung.

Stadt Wedel beschäftigt derzeit 438 Verwaltungsmitarbeiter

Wedels Bürgermeister Gernot Kaser steht diesem Arbeitszeitmodell positiv gegenüber, Zustimmung gibt es auch seitens der Wedeler Politik. „Fast einstimmig“ hätten die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses der Stadt laut Amelung dafür gestimmt.

Die aktuell 438 Mitarbeiter der Stadt sind jeweils bis zu 41 Stunden wöchentlich tätig. Die Arbeitszeit und das Gehalt sollen bei einer Viertagewoche gleich bleiben, allerdings müssten die Verwaltungsmitarbeiter, die sich für diese Option entscheiden, die Stunden auf vier statt fünf Tage verteilen. Das wäre der Unterschied zu vielen Arbeitgebern mit diesem Modell, bei denen auch die Arbeitszeit reduziert wird.

Viertagewoche: „70 bis 80 Prozent könnten sich dafür entscheiden“

Dazu sei es auch möglich, statt wie bisher um 20 Uhr bis 21 Uhr seine Arbeit im Wedeler Rathaus zu beenden. Schon jetzt gibt es Gleitzeitmodelle für die Beschäftigten in der Verwaltung. Um 6 Uhr kann demnach offizieller Dienstbeginn sein.

Personalchef: Jörg Amelung ist Fachbereichsleiter Innerer Service der Stadt Wedel.
Personalchef: Jörg Amelung ist Fachbereichsleiter Innerer Service der Stadt Wedel. © Stadt Wedel / Sven Kamin

Die Resonanz innerhalb der Wedeler Verwaltung zur Viertagewoche sei positiv. Amelung: „Es kann jeder selbst frei für sich entscheiden, ob es in den eigenen Lebens- oder Arbeitsstil passt. Etwa 70 bis 80 Prozent könnten sich für die Viertagewoche entscheiden, schätze ich.“ Für fast alle Rathaus-Mitarbeiter sei ein Umstieg in ihrem Arbeitsbereich generell möglich.

Im Vorjahr gab es insgesamt 119 sogenannte Auswahlverfahren für unbesetzte Jobs im Wedeler Rathaus. „Die Beschäftigungsquote liegt momentan bei 90 Prozent, zehn Prozent der Stellen sind unbesetzt“, sagt der Personalchef.

Stimmung in der Wedeler Verwaltung kann sich noch steigern

Einige Mitarbeiter müssten entsprechend Mehrarbeit für fehlende Kolleginnen und Kollegen leisten, was nicht immer der persönlichen Zufriedenheit zuträglich sei. „Die Zufriedenheit, Stimmung und Moral unter den Mitarbeitenden in der Wedeler Verwaltung ist aber nach wie vor gut. Und durch solche Arbeitszeitmodelle wird sie sich auch noch steigern“, hofft Amelung.

Generell gibt es im öffentlichen Dienst eine große Fluktuation. Laut einer Studie („Bleibebarometer“) können sich bundesweit 80 Prozent der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst einen Arbeitgeberwechsel vorstellen. Die Stadt Wedel möchte – auch durch diesen Schritt – ein attraktiver Arbeitgeber werden oder bleiben.

Wedeler Verwaltung hat ein Nachwuchsproblem

Langjährige Mitarbeiter werden älter, auch in den kommenden Jahren gehen viele in den Ruhestand. Der Nachwuchs fehlt. Wedels Bürgermeister Gernot Kaser, gleichzeitig Chef der Verwaltung, sagte schon im Oktober 2022 im Abendblatt-Interview: „Wir haben hier einen sehr großen Fachkräftemangel. Besonders wollen wir die Jugend ansprechen, weil wir dringend Nachwuchs brauchen. Und die Arbeits-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten hier im Rathaus sind sehr vielfältig.“

So werde auch ein Studiengang angeboten. Kaser gehe es um „Mitarbeiterbindungs- und Recruitmentstrategien, damit die Stadt Wedel noch attraktiver für potenzielle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wird.“

Angebote für Mitarbeiter gibt es schon länger

Schon in der Vergangenheit hatte die Stadt als Arbeitgeber verschiedene Maßnahmen für die Bindung und Neugewinnung von Mitarbeitern eingeführt. Beispiele dafür sind etwa die Ausgabe von HVV-Proficards, flexible Arbeitszeiten oder Vorteilsprogramme bei Partnerunternehmen.

Die Hoffnung bei Einführung einer Viertagewoche beruht generell auf weniger Krankmeldungen sowie auf zufriedeneren und leistungsfähigeren Mitarbeitern. Während Deutschland das Thema eher zögerlich angeht, ist die Akzeptanz im Ausland groß. Nach einer Testphase von sechs Monaten wollten 56 von 61 Arbeitgebern eines Pilotprojekts in Großbritannien daran festhalten.

Wedels Verwaltung leistet Pionierarbeit mit der Viertagewoche

Die Non-Profit-Initiative „4 Day Week Global“ hatte auf internationaler Ebene mit 33 Unternehmen aus den USA, Australien, Irland, Großbritannien, Neuseeland und Kanada dieses Modell – allerdings mit reduzierter Stundenzahl – ebenfalls sechs Monate getestet.

Das Resultat: Die Krankmeldungen sanken, sowie das Angst- und Stresslevel der Arbeitnehmer. Die Produktivität und sogar die Umsätze stiegen. Zwei Drittel der Firmen haben daraufhin das Modell bereits fest beschlossen, fast alle restlichen Unternehmen möchten es noch umsetzen.

Im öffentlichen Dienst anderer Nationen geht es dagegen fast so zögerlich voran wie in Deutschland. Nur in Litauen bietet der öffentliche Dienst ab diesem Jahr die Viertagewoche an – ohne Lohnverzicht. Vor allem Beschäftigten mit kleinen Kindern soll die erwartete größere Flexibilität helfen, und zwar ohne Gehaltseinbußen oder sonstige Nachteile.