Hamburg. Airbus muss bei der Fertigung des A321XLR spezielle Anforderungen umsetzen. Chinesen liefern ersten A320-Konkurrent aus.

Das neue Herzstück ist zugleich die größte Herausforderung: Mit dem A321XLR betritt Airbus Neuland. Direkt hinter den Tragflächen des Mittelstreckenfliegers klafft zunächst eine Lücke im unteren Rumpf. Es ist der Platz für den Zusatztank, der 12.900 Liter fasst und den Einsatz der 44,51 Meter langen Maschine auf der Langstrecke möglich macht – daher die Bezeichnung XLR für extralange Reichweite. 8700 Kilometer sollen nonstop möglich sein, das reicht für Direktflüge von Hamburg nach Vancouver.

Der Tank verleiht der Konstruktion das Spezielle: Der Tank wird Teil der äußeren Rumpfstruktur, auf die bei Start und Landung sowie durch Druck- und Temperaturunterschiede große Kräfte wirken. Trotzdem muss er stabil bleiben, darf sich nicht verformen. Zwar kennt der Flugzeugbauer solche Konstruktionen aus dem Verteidigungs- und Raumfahrtbereich. Aber: „Es ist das erste Mal, dass wir in ein ziviles Flugzeug so einen Tank in dieser Größe hineinbauen“, sagte Airbus-Manager André Walter einst dem Abendblatt. Keine Überraschung also, dass die Luftaufsichtsbehörden genau hinschauen.

Airbus: Die ersten A321XLR sind fertig endmontiert worden

Die ersten drei A321XLR sind in Hamburg fertig endmontiert worden, befinden sich in der Testflug- und Zertifizierungsphase – und müssen nachgebessert werden. Nach der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA hat vor wenigen Tagen auch das US-Pendant FAA Anforderungen benannt. Moniert wird beispielsweise, dass im Bereich des Zusatztanks die thermische und akustische Isolierung der Flugzeugaußenhaut fehlt.

Weil die Passagiere dort direkt über den Tausenden Litern kalten Kerosins im Zusatztank sitzen, drohe ihnen ein „Kalte-Füße-Effekt“. Um diesen zu verhindern und den Komfort zu erhöhen, habe Airbus Isolierplatten zwischen Zusatztank und Kabinenboden montiert, so die FAA. Aus Platzgründen seien diese jedoch nicht so leistungsstark wie es wünschenswert wäre.

FAA verhängt besondere Zulassungsauf­lagen

Eigentlich sind laut der US-Behörde thermische Isolierungen des unteren Rumpfes Standard. Das Branchenportal Aero.de sieht in dieser Bewertung einen Nasenstüber für Airbus. Allerdings sei der Einbau der auch feuer- und hitzehemmenden Matten bisher nicht vorgeschrieben gewesen. Das liegt wohl auch daran, dass das ungewöhnliche Konstruktionsmerkmal des A321XLR – also der Zusatztank als Teil der Flugzeugaußenhaut – beim Verfassen der Zulassungsstandards nicht absehbar gewesen sei.

Deshalb verhängt die FAA jetzt besondere Zulassungsauf­lagen (Special Conditions). Konkret verlangt sie, dass die untere Hälfte des Rumpfes gegen das Eindringen von Feuer beständig sein muss. Letztlich folgt sie damit der Europäischen Luftaufsichtsbehörde, die das Anfang 2021 forderte. Die EASA legte in der vergangenen Woche aber nach und erließ nun spezielle Bedingungen für die Crashtauglichkeit des Zusatztanks.

„Es gibt ein Problem, bei dem Airbus etwas tun muss“

Für den Hamburger Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt ist das Verhängen von Special Conditions grundsätzlich ein normales Vorgehen der Aufsichtsbehörden. Von den ersten Designentwürfen bis zur Zertifizierung finde stets ein Dialog zwischen Hersteller und den kontrollierenden Ämtern statt. Nach den beiden Abstürzen der Boeing 737 Max mit fast 350 Toten gehe insbesondere die FAA rigider vor. Denn letztlich stehe die Sicherheit der Passagiere immer im Vordergrund.

Vielleicht habe Airbus die Situation allerdings ein wenig zu sehr auf die leichte Schulter genommen, so Großbongardt: „Es gibt ein Problem, bei dem Airbus etwas tun muss.“ Das werde Geld kosten und das Gewicht des Fliegers erhöhen, worunter er etwas unwirtschaftlicher werde. Eventuell könne es zu weiteren Verzögerungen bei dem Hoffnungsjet kommen, für den Airbus schon mehr als 500 Bestellungen eingesammelt hat.

„Aber als Gesamtflugzeug ist der A321XLR nicht in Gefahr“

Der Flieger gilt als ideal für „dünne“ Routen – also auf Strecken, auf denen die eigentlich auf Langstrecken eingesetzten Großraumjets nicht voll zu kriegen sind. Ursprünglich sollte er Ende 2023 von der ersten Airline betrieben werden. Dann war von Anfang 2024 die Rede, zuletzt vom zweiten Quartal des übernächsten Jahres. „Aber als Gesamtflugzeug ist der A321XLR nicht in Gefahr“, sagte Großbongardt.

Auch bei Airbus gibt man sich gelassen. Die Behörden würden derzeit alle Zertifizierungsaktivitäten insbesondere den Zusatztank betreffend umfassend prüfen, sagte ein Sprecher. Wesentliche Auswirkungen auf den einzigartigen Reichweitenvorteil des XLR im Segment der Flugzeuge mit Mittelgang erwarte man nicht. Zu Details wollte er sich nicht äußern, solange die Gespräche mit den Luftsicherheitsbehörden liefen.

Konkurrent feierte Premiere

Seit dem Erstflug am 15. Juni 2022 in Hamburg schreite die Flugtestkampagne gut voran. Der Sprecher räumte allerdings ein, dass wegen des spezifischen Designs des XLR Anpassungen an der unteren hinteren Rumpfstruktur notwendig seien. „Diese Anpassungen werden 2023 bei allen Flugtestflugzeugen implementiert“, so der Airbus-Sprecher.

In Fernost feierte ein Konkurrent des europäischen Konzerns unterdessen eine Premiere. Der chinesische Hersteller Comac lieferte erstmals sein neues Modell C919 aus, das bis zu 190 Passagiere fasst. Der Flieger wurde in der Volksrepublik entwickelt und endmontiert, enthält aber viele Komponenten aus dem Westen. Die Maschine gilt als Konkurrenz zur A320-Familie, von der etwa die Hälfte aller Maschinen auf Finkenwerder endmontiert werden.

Airbus muss sich auf Konkurrenz einstellen

China Eastern Airlines erhielt den mit 164 Fluggastsitzen ausgestatteten Jet, der im Frühjahr 2023 in den Dienst gestellt werden soll. Der Überführungsflug war allerdings eher ein Hüpfer und führte vom Shanghaier Flughafen Pudong zu dem nur wenige Kilometer weiter westlich gelegenen Airport Hongqiao.

Auch interessant

Auch interessant

Auch interessant

Das größte Passagierflugzeug der Welt wird übrigens bei einer weiteren Fluglinie sein Comeback feiern. Etihad Airways kündigte die Rückkehr von vier seiner zehn A380 in den Liniendienst an. Im nächsten Sommer werde man die Riesen-Airbusse auf der Strecke vom Unternehmenssitz in Abu Dhabi nach London einsetzen, so die Fluglinie. Es sei der richtige Zeitpunkt gekommen, einige unserer A380 zurück in die Flotte zu holen, sagte Etihad-Chef Antonoaldo Neves. Die Nachfrage steige, sodass sie wieder rentabel eingesetzt werden könnten – und die Gäste würden den A380 ohnehin lieben.