Glinde. Glinder Modehersteller will wieder wachsen, profitiert von Corona und fertigt nun auch Schuhe. Doch der Neustart war schwer.
Im Showroom von Golfino sind die Schaufensterpuppen gerade nackt. Mitarbeiterinnen wuseln herum, um sie für eine geplante Verkaufsschulung hübsch anzuziehen. In einer Ecke steht eine Kleiderstange mit Shirts und Hosen. Geschäftsführer Henning Wollesen stellt sich daneben und wird auf der anderen Seite von zwei neuen Produktkategorien umrahmt: Auf dem Boden stehen Taschen für Golfschläger, im Regal Schuhe – sie gibt es erst seit Jahresanfang und sind ganz neu im Sortiment des Golfmodeherstellers.
„Ihre Farben sind abgestimmt auf unsere Kollektionen. Das ist besonders den Damen wichtig“, sagt der 45-Jährige. Und Frauen sorgen für etwa 65 Prozent des Umsatzes.
Glinde: Golfino kehrt nach Insolvenz zurück
Dass es das Glinder Unternehmen überhaupt noch gibt, hängt auch mit einem geglückten Timing kurz vor dem Auftreten des Coronavirus zusammen. Im November 2019 hatte Golfino, das 1986 durch Christel und Bernd Kirsten gegründet wurde, Insolvenz angemeldet. Es gab Shop-in-Shop-Konzepte bei Karstadt Sports und Kaufhof, aber auch etwa 40 eigene Filialen wie ein Outlet in Reinbek und einen Laden im Hamburger Hof.
„Viele Standorte waren defizitär. Die Lagen waren nicht gut genug, die Frequenzen zu gering, die Flächen zu teuer“, zählt Wollesen die Gründe für die Finanzprobleme auf. Zudem sei eine geplante Expansion in China und den USA zu kostspielig gewesen.
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Dennoch konnte am 10. März 2020 die Rettung des Unternehmens bekannt gegeben werden – allerdings auf Kosten des Stationärgeschäfts. Alle Filialen wurden geschlossen. Mit dem Kauf aller Anteile durch die britische Beteiligungsgesellschaft Endless, die zuvor schon Europas größten stationären Golfhändler American Golf übernommen hatte, schmolz das Personal von insgesamt rund 270 auf bis heute relativ stabile 47 Mitarbeiter in Glinde.
Golfino in Glinde: Neustart war schwer
Kurz nach der Vertragsunterzeichnung erfolgte bekanntlich der Beschluss über den ersten Lockdown in Deutschland. „Wahrscheinlich würde es Golfino heute nicht mehr geben, wenn der Lockdown einige Tage früher gekommen wäre“, sagt Wollesen, der die neuen Eigentümer mit einem vor allem auf den Onlinehandel ausgerichteten Konzept überzeugen konnte und vom E-Commerce-Leiter zum Firmenchef aufstieg.
Der Neustart war allerdings schwer. Für einige Wochen musste Kurzarbeit angemeldet werden. Und: „Wir mussten drei Monate ohne eigenes Bankkonto agieren“, sagt der Diplom-Kaufmann. Im Lockdown habe dessen Eröffnung sehr lange gedauert, was auch mit komplexen Prüfungsprozessen wegen der englischen Muttergesellschaft und dem Brexit zusammenhing.
Nahezu ein Vierteljahr habe man aber über den Insolvenzverwalter die Geschäfte abwickeln können. Umsatz wurde vor allem online generiert. Die Warenbestände aus dem Stationärgeschäft wurden mitübernommen und mit hohen Rabatten abverkauft. Denn die Produktion einer neuen Sommerkollektion wurde durch die Insolvenz unmöglich gemacht.
Golfino: Neue Führung, Mitarbeiterzahl stark geschrumpft
Mit der neuen Führung wurden im ersten Geschäftsjahr – es ging bis Ende Januar 2021 – rund neun Millionen Euro erlöst. Unterm Strich fiel auch wegen hoher Investitionen in die IT und in eine neue Kollektion allerdings ein Verlust von 1,3 Millionen Euro an. Aber schon im zweiten Geschäftsjahr von Golfino, das als International Leisure Brands firmiert und in Zukunft auch andere Marken der britischen Mutter hierzulande vermarkten soll, ist man in die Gewinnzone zurückgekehrt. „Wir haben in nur 22 Monaten den Turnaround geschafft“, sagt Wollesen. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen verdiente man rund eine Million Euro, der Umsatz stieg auf 11,8 Millionen Euro. Dieses Jahr sollen es zwölf bis 14 Millionen Euro sein, der Gewinn soll etwas höher ausfallen – trotz hoher Investition in Mitarbeiter, Produktentwicklung und Marketing. Dazu zählt auch die Verpflichtung der erst 23 Jahre alten Hamburger Profigolferin Esther Henseleit als neues Werbegesicht. „Wir wollen die Marke verjüngen – auch mit ihrer Hilfe“, sagt Wollesen. In den nächsten fünf Jahren will er 20 Mitarbeiter neu einstellen, 15 davon in Glinde.
Nach den Problemen am Anfang des Neustarts wegen der Pandemie erwies sich Corona für die Branche später als Unterstützung. „Der Golfmarkt ist das erste Mal seit vielen Jahren in Deutschland gewachsen. Schließlich war Golf als Outdoorsportart mit größtmöglichem Abstand eine der wenigen Sportarten, die fast die ganze Zeit über betrieben werden konnten“, sagt Wollesen. Zudem habe man davon profitiert, dass Reisen nur stark eingeschränkt oder gar nicht möglich war. Denn die Klientel sei sonst häufig mit dem Koffer auf Achse.
Nun sei die erste eigene, richtig neue Sommerkollektion erhältlich. Verantwortlich dafür ist vor allem ein achtköpfiges Designteam in Portugal, das zu einer Schwestergesellschaft von Golfino gehört und in der Nähe von Porto arbeitet. „Etwa 80 Prozent unserer Artikel produzieren wir dort, vor allem Textilien und seit Kurzem auch Schuhe. Der Rest wie Regenbekleidung, Accessoires und einige Strickwaren kommt aus China“, sagt Wollesen. Preise für Polo-Shirts lägen zwischen 79 und 149 Euro, für Hosen zwischen 99 und 179 Euro. Mit den weltweit größten Sportartikelherstellern Adidas, Nike und Puma vergleiche man sich nicht, weil deren Produkte in einem anderen Preissegment lägen. Dafür wolle man die begehrenswerteste Marke im Golfsport werden.
Golfino aus Glinde veredelt Mode mit Kaffee
Wie viele andere Firmen will auch Golfino verstärkt auf Umwelt und Fairness achten. Die Produkte hätten eine sehr hohe Qualität und Lebensdauer, die Transportwege seien kurz und die Arbeitsbedingungen fair, sagt Wollesen: „Über den Einsatz von innovativen nachhaltigen Materialien versuchen wir unseren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.“ So würden unter dem Namen 37,5° aktive Partikel vulkanischen Gesteins eingearbeitet. Die Feuchtigkeit soll dank des Materials an die Stoffoberfläche transportiert werden und kann schnell verdunsten. Der Körper bleibe dadurch trocken und angenehm temperiert, heißt es.
Bei dem Produkt Kafetex werden Stoffe einer Koffeinbohne verwendet. Wollesen: „Die Faser wird mit Kaffee veredelt, der eine geruchsneutralisierende Wirkung hat.“