Hamburg. Hamburger sind besonders betroffen wegen der hohen Verschuldung von durchschnittlich 474.000 Euro. Experten geben Tipps.

Die Entwicklung vollzieht sich schleichend, fast unbemerkt von den meisten Bundesbürgern. Dennoch hat eine Zäsur bei den Zinsen für Baufinanzierungen eingesetzt. Die Phase stets sinkender Konditionen ist vorbei. Das dürfte sich mit einiger Verzögerung auch auf den Immobilienmarkt auswirken, „denn steigende Kaufpreise werden nicht mehr durch immer weiter fallende Bauzinsen kompensiert“, sagt Birgitta Göttelmann von der LBS Bausparkasse Schleswig-Holstein-Hamburg.

Angesichts der niedrigen Zinsen von weniger als zwei Prozent bleibt die Entwicklung an der Zinsfront für viele noch unter dem Radar. Doch nicht nur Bauherren und Immobilienkäufer sind betroffen. Auch wer in den nächsten Jahren eine Anschlussfinanzierung für sein Baudarlehen benötigt, weil seine Zinsbindung ausläuft, sollte die Entwicklung aufmerksam verfolgen oder sich jetzt schon absichern.

50 Prozent der vom Baugeldvermittler Interhyp befragten Experten erwarten für die nächsten Wochen weiter steigende Zinsen, auf längerfristige Sicht sind es sogar 60 Prozent der Fachleute.

Zinsen für Baufinanzierungen steigen

Entgegen allen Erwartungen waren die Zinsen für Baufinanzierungen im Jahr 2020 noch weiter gesunken, zum Teil auf Rekordtiefs von unter 0,40 Prozent für eine zehnjährige Zinsbindung. Jetzt sind die Konditionen im Schnitt doppelt so hoch. Allein seit Anfang des Jahres sind die Konditionen um rund 0,20 Basispunkte gestiegen. Auch bei den Zinsbindungsfristen von 15 und 20 Jahren, die jetzt bevorzugt genutzt werden, ergibt sich ein ähnliches Bild.

„In den letzten Monaten verzeichnen wir im Schnitt einen Zinsanstieg von 0,30 Prozentpunkten“, sagt Frank Lösche, Niederlassungsleiter des Baugeldvermittlers Dr. Klein in Hamburg. Auf die Nachfrage nach Baufinanzierungen habe sich das aber noch nicht ausgewirkt.

Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierungen bei Dr. Klein in Hamburg.
Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierungen bei Dr. Klein in Hamburg. © Dr. Klein | Dr. Klein

Bundesweit wurde im Corona-Krisenjahr 2020 ein Rekord an neu abgeschlossenen Baufinanzierungen verzeichnet. Das Neugeschäft der Banken und Sparkassen in Deutschland mit Baukrediten wuchs auf den Rekordwert von 273 Milliarden Euro nach 263 Milliarden Euro 2019, zeigt eine neue Studie der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC. Demnach betrug der Bestand der an private Haushalte ausgegebenen Baufinanzierungen knapp 1,4 Billionen Euro.

Immobilien: Zinsen in Hamburg besonders dramatisch

Allerdings wirkt sich der Zinsanstieg in Hamburg gravierender aus als im Schnitt des Landes, denn die Hamburger müssen sich für die eigenen vier Wände besonders hoch verschulden. „Die durchschnittliche Kreditsumme für Immobilienfinanzierungen in Hamburg hat sich seit 2015 fast verdoppelt“, sagt Lösche. Nach den Zahlen von Dr. Klein nahmen Hamburger im ersten Quartal des Jahres ein Baudarlehen über rund 474.400 Euro auf (siehe Grafik).

Allein im Vorjahresvergleich zum ersten Quartal 2020 ist das ein Anstieg um zehn Prozent. Bundesweit liegt die durchschnittliche Kreditaufnahme für eine Immobilie bei 304.000 Euro, also 36 Prozent unter dem Hamburger Wert. Ohnehin können sich viele Hamburger einen Immobilienkauf in der Stadt nicht mehr leisten, wenn für ein frei stehendes Einfamilienhaus im Schnitt 903.000 Euro bezahlt werden müssen, wie das die Daten des Gutachterausschusses, der sich auf tatsächliche Kaufpreise stützt, belegen (siehe Grafik). „Viele Hamburger Familien weichen deshalb auf das Umland aus“, sagt Lösche.

Bei einer Kreditsumme von rund 474.000 Euro, einer Laufzeit von 15 Jahren und zwei Prozent anfänglicher Tilgung führen die höheren Konditionen in der gesamten Laufzeit zu einer Mehrbelastung von rund 21.600 Euro bei den Zinskosten. Die monatliche Rate steigt um rund 120 Euro auf 1233 Euro.

Experten rechnen mit anziehender Inflation

Die Höhe der Bauzinsen orientiert sich an der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und Pfandbriefen, in denen Hypothekarkredite gebündelt werden. Die Renditen dieser festverzinslichen Wertpapiere sind gestiegen. Zehnjährige Bundesanleihen weisen zwar immer noch eine Negativrendite aus, aber die hat sich deutlich verringert. „Auch die Inflationsrate, die aktuell bei 1,7 Prozent liegt, dürfte im weiteren Jahresverlauf anziehen“, sagt Max Herbst, Baufinanzierungsexperte der FMH-Finanzberatung. Experten erwarten deutlich höhere Inflationsraten, da sie auf ein Abklingen der Corona-Pandemie und eine Konjunkturerholung setzen.

Dafür wurden in den USA und Europa gigantische schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme aufgelegt. Ob die Zentralbanken mit massiven Aufkäufen von Staatsanleihen den Zinsanstieg dauerhaft bremsen können, bleibt abzuwarten. Herbst erwartet deshalb, dass die Zinsen für zehnjährige Baufinanzierungen die Marke von einem Prozent im Sommer überspringen. Das wird sich auch auf längere Zinsbindungsfristen auswirken. „Dass wir in den kommenden Jahren signifikante Zinssprünge nach oben erleben und wieder bei zwei oder gar drei Prozent landen, ist nicht völlig abwegig“, sagt der Experte.

Das dürfte vor allem jene aufschrecken, deren bestehende Baufinanzierung erst in einigen Jahren verlängert werden muss. Gerade die noch niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass in der Zinsbindungsfrist relativ wenig getilgt wird. „Bei einer Tilgung von zwei Prozent sind nach zehn Jahren gerade erst 20 Prozent des Baukredits abbezahlt“, sagt Löscher.

Immobilien: Zinssatz Jahre im Voraus sichern

Mit sogenannten Forward-Darlehen können sich Kreditnehmer das aktuelle Zinsniveau bis zu fünf Jahre im Voraus sichern – gegen einen kleinen Zinsaufschlag auf die aktuellen Konditionen. Für die ersten sechs Monate verlangen die meisten Banken keinen Aufschlag. Wer etwa erst in 24 Monaten eine Anschlussfinanzierung benötigt, zahlt einen Aufschlag von 0,26 Prozentpunkten auf den aktuellen Zins, so Herbst. Allerdings sei das Interesse an solchen Darlehen noch gering. „Die Zinsveränderungen sind im Bewusstsein der meisten Kreditnehmer noch nicht angekommen.“

Zurück zur Erstfinanzierung: Die Höhe der Zinsen richtet sich auch nach der Höhe des Eigenkapitals. Nach Erhebungen von Interhyp bezahlen Hamburger einschließlich der Nebenkosten 640.000 Euro für ihre Immobilie. Wer 300.000 Euro Eigenkapital mitbringt, kann sich eine 15-jährige Zinsbindung für noch unter einem Prozent sichern. Die ING verlangt 0,90 Prozent Effektivzinsen und die Hamburger Sparkasse 0,91 Prozent. Die Zinsen steigen deutlich, wenn nur 100.000 Euro Eigenkapital eingebracht werden. Dann verlangen die ING 1,12 Prozent, die Haspa 1,27 Prozent, die Postbank 1,45 Prozent und die Commerzbank 1,98 Prozent, wie aus einem Vergleich der FMH-Finanzberatung hervorgeht. Es lohnt sich also für Immobilienkäufer, mehrere Finanzierungsangebote einzuholen.

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Die Höhe der Zinsen ist aber nicht alles. Verbraucher sollten auch darauf achten, wie flexibel ein Baudarlehen ist. Dazu gehören Sondertilgungen, um nicht planbare Geldzuwendungen etwa aus Erbschaften zusätzlich in die Tilgung der Immobilie stecken zu können. Auch eine Veränderung der Tilgungsrate während der Laufzeit ist ratsam, falls man in finanzielle Probleme kommt. „Die monatliche Belastung sollte zudem 40 Prozent des Nettoeinkommens eines Haushalts nicht übersteigen“, sagt Alexander Krolzik von der Verbraucherzentrale.

Dabei müssen aber auch die Nebenkosten für die Immobilie mit einbezogen werden. Bei der Zinsbindung raten die Experten zu mindestens 15 Jahren. Auch die Restschuld nach der Zinsbindung sollte beachtet werden. Denn wahrscheinlich muss sie wieder zu höheren Zinsen finanziert werden. Der langfristige Durchschnittswert für eine 15-jährige Zinsbindung liegt bei 4,23 Prozent.