Hamburg. Das Gymnasium Ohmoor präsentiert seine jährliche Untersuchung. Wo es teurer geworden ist und wo es noch günstigen Wohnraum gibt.

Es wirkt fast wie ein kleines Wunder: Die Mieten in Hamburg sind in den vergangenen Monaten bei Neuvermietungen offenbar nicht weiter gestiegen – sondern sogar ganz leicht gesunken. Das jedenfalls ist das Ergebnis der jährlichen Untersuchung von Oberstufenschülern des Gymnasiums Ohmoor.

Im Februar und März 2021 erfassten die Schülerinnen und Schüler dabei 4382 auf Online-Plattformen veröffentlichte Wohnungsangebote aus Hamburg und 2754 aus dem Umland und verglichen die Daten mit denen, die sie im selben Zeitraum 2020 erhoben hatten.

Miete: In Hamburg sinkt sie im Durchschnitt leicht – im Umland nicht

Am Dienstag stellten die Schüler ihre Ergebnisse ebenso souverän wie engagiert in einer Online-Pressekonferenz vor. Zentrale Erkenntnis: Die durchschnittliche geforderte Kaltmiete ging in Hamburg von 13,45 Euro pro Quadratmeter im Frühjahr 2020 auf jetzt 13,40 Euro ganz leicht zurück. Im Umland dagegen stiegen die Mieten auch in diesem Jahr: um 2,6 Prozent auf 9,81 Euro pro Quadratmeter.

Die Teilnehmer des Oberstufenkurses Geografie hatten laut Gymnasium Ohmoor zunächst Wohnungsinserate auf unterschiedlichen Onlineplattformen analysiert und Ort, Zimmerzahl, Fläche und Nettomiete per Tabellenkalkulation erfasst. Zusätzlich bekamen die Schüler einen Datensatz der Plattform immowelt.de. Schließlich ordneten sie die Angebote 100 Stadtteilen zu.

Wo in Hamburg die Mieten am stärksten sinken – und wo sie steigen

Dabei stellten die Schüler deutliche Rückgänge der Mietforderungen bei gleichzeitig hohen Angebotszahlen in Steilshoop (minus 14 Prozent), Hohenfelde (–13), Fuhlsbüttel (–11) und Altona (–11) fest. Ein kräftiges Plus von mehr als 15 Prozent bei den geforderten Mieten verzeichneten dagegen die Stadtteile Finkenwerder, Rotherbaum, Rothenburgsort und Lurup.

Spitzenreiter bei den Mieten war der Mittelwert aus 24 Wohnungen in der Hamburger Altstadt mit 21,33 Euro pro Quadratmeter. Es folgen die HafenCity (20,87 Euro pro Quadratmeter), Harvestehude (19,11), Rotherbaum (17,88), Uhlenhorst (17,61), Sternschanze (17,37), St. Georg (16,60), St. Pauli (16,57) und Ottensen (16,30 Euro pro Quadratmeter).

Günstiger Wohnraum ist nach der Untersuchung vor allem südlich der Elbe zu finden. Die Mittelwerte liegen in Hausbruch (7,78 Euro pro Quadratmeter), Steilshoop (8,64), Curslack (9,07) Neuenfelde (9,41), Langenbek (9,82) und Wilstorf (9,93) unter zehn Euro pro Quadratmeter.

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Wie der Mieterverein die Studienergebnisse beurteilt

„Die aktuelle Atempause für Hamburgs Mieterhaushalte dürfte überwiegend auf die Corona-Pandemie und das schwindende Zahlungsvermögen der Wohnungsinteressenten zurückzuführen sein“, sagte Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mieterverein zu Hamburg.

„Einen Grund für Entwarnung gibt es nicht, wenn berücksichtigt wird, dass aktuell gut 30.000 bezahlbare Wohnungen fehlen. Wir fordern deshalb, dass der Senat seine Bemühungen im Bündnis für das Wohnen verstärkt und an dem jährlichen Neubau von mindestens 10.000 neuen Wohnungen festhält. Dabei muss aber der Anteil von geförderten Wohnungen auf mehr als 50 Prozent erhöht werden“, so Chychla.

Wohnungen in Hamburg werden immer kleiner

Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse erlaube ein Überschreiten der sogenannten „ortsüblichen Vergleichsmiete“ um höchstens zehn Prozent. „Die Studie belegt, dass dieses Instrument leerläuft. Ohne weitere Regulierung wird es auch künftig nur einen Weg für die Mieten geben: nach oben!“, fürchtet Chychla. „Gestützt wird diese Annahme durch eine Auswertung unserer Online-Checks zur Mietpreisbremse. Im Jahr 2020 haben rund 89 Prozent der Reports ergeben, dass der Verdacht eines Verstoßes gegen die Mietpreisbremse vorliegt.“, so Chychla.

Interessant an der Untersuchung ist auch eine andere Entwicklung. „Das dritte Jahr in Folge stellen wir einen deutlichen Rückgang der Wohnungsgrößen von 85 auf nun 70 Quadratmeter fest“, sagte die verantwortlichen Lehrkräfte Charlotte Sponholz, Christopher Gnann und Carl-Jürgen Bautsch, der das Projekt 1986 ins Leben gerufen und jahrzehntelang betreut hat.

Mieten sind in den vergangenen zehn Jahren nur zweimal nicht gestiegen

 Dabei kann Bautsch mittlerweile auch anhand der seit 1986 erhobenen Daten deutlich zeigen, dass die Mieten in Hamburg fast immer deutlich stärker gestiegen sind als die Preise im allgemeinen, d.h. ihr Anstieg lag fast immer über dem der allgemeinen Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisindex). Nur in den Jahren 1986 und 1987 sowie 2005 bis 2007 entsprach der Anstieg der Mieten der allgemeinen Preissteigerung oder lag sogar leicht darunter. In den Jahren 1992 und 1993 sowie seit 2011 liegt die Steigerungsrat besondern weit über der der allgemeinen Preissteigerung.

Was die Entwicklung der geforderten Mieten in absoluten Zahlen angeht, so zeigten die Daten der vergangenen zehn Jahre bis auf zwei Ausnahmen einen stetigen Anstieg – mit zwei Ausnahmen: Auch 2015 waren sie minimal zurückgegangen, und 2019 waren sie gegenüber dem Vorjahr exakt gleichgeblieben.

Wohnungswirtschaft: Ohmoor-Zahlen zeichnen falsches Bild

Aus der Wohnungswirtschaft gab es am Dienstag Kritik an den vorgelegten Daten. "Die Zahlen aus Ohmoor sind leider nicht repräsentativ und spiegeln nicht die Wirklichkeit des Hamburger Wohnungsmarktes wieder", sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmens (VNW). Das liege daran, dass sie "ausschließlich aus Immobilienangeboten aus Internetplattformen erstellt wurden", so Breitner.

"Die Hamburger Genossenschaften z.B. stellen wenige bis gar keine freien Wohnungen dort ein, sondern nutzen für die Wiedervermietung direktere Wege. Ihre niedrigen Mieten fließen also gar nicht ein. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei den im VNW organisierten Genossenschaften und Gesellschaften liege derzeit bei 6,95 Euro pro Quadratmeter. Bei Neubauwohnungen liege sie bei 9,65 Euro, bei Bestandswohnungen, die neu vermietet würden, bei 7,65 Euro pro Quadratmeter. Die VNW-Unternehmen verwalteten in Hamburg rund 300.000 Wohnungen, also fast jede zweite Mietwohnung in der Hansestadt, so Breitner.

Mietenspiegel "widerspricht Ohmoor-Zahlen fundamental"

Breitner verwies auch auf den Hamburger Mietenspiegel, der ortsübliche Vergleichsmieten für rund 550.000 Wohnungen in Hamburg beinhalte. Dieser nenne derzeit eine Durchschnittsmiete von 8,66 Euro pro Quadratmeter. Das alles seien Zahlen, "die dem von den Schülerinnen und Schülern ermittelten Wert fundamental widersprechen, die aber vor allem auf der Auswertung realer Mietverträge beruhen", so Breitner. "Daher ist aus meiner Sicht auch der Schluss falsch, dass in Hamburg eine neu vermietete Wohnung im Durchschnitt 13,40 Euro pro Quadratmeter kostet. Diese Zahl malt ein irreales Bild von der Wohnungssituation in Hamburg."

Vergleiche man allerdings "diese falschen Zahlen mit den falschen Zahlen der vergangenen Jahre, zeigt sich, dass der Hamburger Wohnungsmarkt zwar weiter eng ist, sich aber zusehends entspannt, so der VNW-Direktor. "Jetzt zeigt sich, dass der Bau von mehr als 70.000 Wohnungen in den vergangenen zehn Jahren sich positiv auf den Hamburger Wohnungsmarkt auswirkt.“

Linke: Mieten viel zu hoch, Bauen allein reicht nicht

Linken-Stadtentwicklungspolitikerin Heike Sudmann dagegen betonte, dass die Zahlen des Gymnasiums Ohmoor zeigten, dass die Mieten in Hamburg für Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen nach wie vor viel zu hoch seien. „Wann sieht der Senat endlich ein, dass  ‚bauen, bauen, bauen‘ nicht zu günstigen Mieten führt, wenn mehr als zwei Drittel der Neubauten hochpreisig sind? “, fragte Sudmann.

Mehr als 400.000 Haushalte könnten in Hamburg aufgrund ihres Einkommen eine geförderte Wohnung beanspruchen, sagte die Linkenpolitikerin. Dafür seien die 80.000 vorhandenen Sozialwohnungen definitiv zu wenig. Und auch die gut 200.000 anderen günstigen Wohnungen bei der Saga und den Genossenschaften deckten den Bedarf nicht. Wie schwierig es sei, preisgünstige Wohnungen zu finden, zeige sich auch in den am Ohmoor ausgewerteten Wohnungsanzeigen: Von 4382 lägen nur rund 750 Wohnungen unter 10 Euro und nur etwa 400 unter 9 Euro pro Quadratmeter Nettokaltmiete. Damit hätten in der Auswertung "etwa fünf Sechstel der auf dem freien Markt angebotenen Wohnungen über dem Mietenspiegel" gelegen.

„Mehr Sozialwohnungen in Hamburg und die Unterstützung von gemeinwohlorientierten Genossenschaften und der Saga beim Neubau von günstigen Wohnungen sind dringend notwendig" so Sudmanns Fazit."Wenn der Senat für leistbare Mieten in Hamburg sorgen will, muss er sich auf Bundesebene für einen Mietendeckel einsetzen. Und zwar sofort.“

Wissenswertes zu Immobilien und Wohnen in Hamburg (Quelle: Stadtteilprofile VÖ 10.11.2020)

  • In Hamburg gibt es insgesamt 254.661 Wohngebäude
  • 956.476 sind Wohnungen, davon 75.716 (7,9 Prozent) Sozialwohnungen
  • 190.648 (19,9 Prozent) sind Ein- oder Zweifamilienhäuser
  • Die durchschnittliche Wohnungsgröße in Hamburg beträgt 76,1 Quadratmeter
  • Jedem Hamburger stehen im Schnitt 7,9 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung
  • Der durchschnittliche Grundstückspreis beträgt in Hamburg 729 Euro pro Quadratmeter
  • Der durchschnittliche Preis für Ein- oder Zweifamilienhäuser beträgt 4037 Euro pro Quadratmeter
  • Der durchschnittliche Preis für Eigentumswohnungen beträgt 4483 Euro pro Quadratmeter
  • Hamburgs 1.891.810 Einwohner verteilen sich auf 1.041.724 Haushalte
  • In jedem Hamburger Haushalt leben im Schnitt 1,8 Personen
  • Mehr als die Hälfte der Hamburger Haushalte sind Single-Haushalte (567.587/54,5 Prozent)