Hamburg. In 31 Stadtteilen überprüfen Experten die Leitungen auf Undichtigkeiten. Wo sie aktuell unterwegs sind und wie oft es zum Alarm kommt.

  • Gasalarm – Spürnasen sind unterwegs
  • Gaskontrolle in Langenhorn und Steilshoop
  • Hamburgs Gasnetz gilt als sicher

Sadeq Yousefi hat sich eine Warnweste mit einem Rucksack umgeschnallt. Auf seinem Rücken ist ein kleines orangefarbenes Gerät mit dem Namen Ex-Tec HS 680 platziert. Es ist mit einem Laptop verbunden, der vor seiner Brust hängt. Ein Schlauch von HS 680 führt zu dem sogenannten Teppichwagen, den der 25-Jährige mit der rechten Hand über den Boden führt.

Der gelernte Anlagenmechaniker ist an diesem Tag am Stockflethweg in Langenhorn unterwegs. Allerdings bewegt er sich nicht auf dem Gehweg fort, sondern auf dem Grünstreifen daneben. Er schaut auf seinen Laptop und folgt der dort eingezeichneten grünen Linie, die ihn über das Grün führt. Sie zeigt ihm, den Verlauf des Hochdruckgasnetzes. Sein Auftrag ist es, kleine Leckagen zu entdecken.

Achtung, Gasalarm! Wie Spürnasen Hamburg sicherer machen

Yousefi ist eine von fünf Gasspürnasen, die Gasnetz Hamburg derzeit auf Hamburgs Straßen in 31 Stadtteilen einsetzt – und dabei immer mal wieder auf verwunderte Gesichter trifft. „Die Leute fragen mich dann: Was suchen Sie? Gold? Auf Gas kommen sie selten.“

Der Teppichwagen hat zwei Räder und einen etwa DIN-A4-Blatt-großen roten Plastikfuß. Mehrere Rillen auf der Unterseite führen zu einem zentralen, runden Loch, in dem der Sensor steckt. Über den Schlauch wird die erdbodennahe Luft zu HS 680 geführt. „Das Gerät schlägt bei drei PPM aus und piept.“ Achtung, Gasalarm!

Gasspürnasen: Messgerät wird jeden Morgen vor dem Einsatz geprüft

PPM steht für Parts per Million, also in diesem Fall Anzahl der Teilchen Methan pro eine Million Luftteilchen. Zwar wird dem Gas auch ein Odormittel beigemischt, sodass es beim Austritt nach faulen Eiern riecht – die Teppichsonde ist aber viel sensibler und bemerkt das Gas früher. Dass sein Gerät einwandfrei funktioniert, testet er jeden Morgen vor der ersten Runde in der Werkstatt seines Firmenwagens.

Auf dem Tablet sieht Yousefi, wo genau die verschiedenen Gasleitungen liegen.
Auf dem Tablet sieht Yousefi, wo genau die verschiedenen Gasleitungen liegen. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Yousefi muss sich bei seinem Weg möglichst genau an die digitale Karte halten, in der die Leitungen eingezeichnet sind. Ihm helfen dabei GPS-Daten und ein Lasermessgerät. Mit diesem kann er die Entfernung zu den Häusern berechnen, deren Werte ebenfalls in der Karte notiert sind. Da er diesen Abschnitt schon einmal gelaufen ist, weiß er aber noch ziemlich genau, wo die Leitungen verlaufen, und kennt seinen Pfad.

Gas kann sich insbesondere in Hohlräumen sammeln

Besonderes Augenmerk hat er auf Hohlschächte, Wasser- und Straßenkappen. Drei Sekunden bleibt er über solchen mit Deckeln versehenen gusseisernen Stellen stehen. „Hier kann sich immer wieder Gas sammeln“, sagt er. Schlägt sein Gerät aus, dann können über Schieber bestimmte Teile des Gasnetzes abgesperrt werden.

Die Gasspürnasen werden eingesetzt, um kleine Leckagen zu finden. Die im Untergrund liegenden Leitungen sind teilweise schon einige Jahrzehnte alt und bestehen aus Polyethylen oder Stahl. Bei Stahlleitungen kann es zum Beispiel im Laufe der Zeit zu Korrosionsschäden kommen. Zudem können bei Bauarbeiten Leitungen verletzt worden sein.

Gibt es einen Gasaustritt, wird der Einsatztrupp alarmiert

„Wenn ich etwas finde, melde ich das an unseren Einsatztrupp“, sagt Yousefi. „Die Kollegen kommen dann, graben die Stelle auf und beheben die Leckage.“ Innerhalb von 30 bis 60 Minuten seien sie vor Ort.

Wenn nur eine sehr geringe Gaskonzentration gemessen werde, kämen sie spätestens am nächsten Tag zur Reparatur. Mit Sondierungsbohrungen an drei Stellen fängt das Verfahren an, um genau zu schauen, an welcher Stelle das Gas austritt.

Allerdings wird der Einsatztrupp nicht bei jedem Befund sofort gerufen. Der Grund: „Das Gerät reagiert auf alle Methanquellen. Auch wenn ein Auto vorbeifährt, das noch kalt ist, piept das Gerät“, sagt Yousefi. In solchen Fällen geht er zunächst die Strecke noch einmal ab.

Auch eine tote Ratte kann den Gasalarm auslösen

Kommt der Alarmton wieder, begibt er sich auf die Suche nach der Emissionsquelle. Denn neben anderen Gasen können auch Tiere den Alarm auslösen: „Wenn in einem Abfluss oder Hohlraum eine tote Ratte liegt und verwest, entsteht auch Methan“, sagt Yousefi.

Auf dem Rücken trägt Yousefi das Messgerät, das über einen Schlauch mit der Teppichsonde verbunden ist.
Auf dem Rücken trägt Yousefi das Messgerät, das über einen Schlauch mit der Teppichsonde verbunden ist. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Es gebe Jahre in Hamburg, da finde man gar keine Schäden, heißt es von dem Unternehmen. Normal sei eine einstellige Fallzahl. Maximal finde man zehn Ereignisse pro Gasspürsaison.

Hamburger Gasnetz gilt als sehr gut mit wenig Unterbrechungen

Die Gasspürnasen sind nur von April bis Oktober und bei trockenem Wetter unterwegs. Zu nasser Boden und Frost sorgen für dichte Poren, sodass das Gas nicht so gut an der Oberfläche austreten könne. Auch Asphalt ist sehr dicht, deswegen läuft Yousefi auf dem harten Belag gern mit dem Teppichwagen über Fugen, an denen eher Gas austritt.

Das Gasnetz in Hamburg gilt als sehr gut. Die Bundesnetzagentur ermittelt, wie lang die Gasversorgung für Haushaltskunden und Kleinverbraucher pro Jahr unterbrochen war. In der Hansestadt waren es 2022 (neue Daten liegen nicht vor) rechnerisch 0,08 Minuten, also rund fünf Sekunden.

Gasspürnasen legen pro Jahr bis zu 700 Kilometer zurück

Das ist unter den Bundesländern der Spitzenplatz, Berlin folgt mit 0,26 Minuten. Der nationale Durchschnittswert liegt bei 1,08 Minuten. Auf dem letzten Platz liegt Sachsen-Anhalt mit 5,79 Minuten.

In diesen Stadtteilen sind die Gasspürnasen 2024 unterwegs

Alsterdorf, Bergedorf, Bergstedt, Billwerder, Curslack, Fuhlsbüttel, Groß Borstel, Hamm, Hummelsbüttel, Iserbrook, Jenfeld, Kirchwerder, Langenhorn, Lemsahl-Mellingstedt, Lohbrügge, Lokstedt, Lurup, Marienthal, Moorfleet, Neuengamme, Neugraben-Fischbek, Ohlsdorf, Poppenbüttel, Rotherbaum, Schnelsen, Spadenland, Steilshoop, Sülldorf, Tatenberg, Wellingsbüttel, Winterhude

Damit das so bleibt, sind Yousefi und seine Kollegen sowie ein externer Dienstleister auf den Straßen Hamburgs unterwegs. Derzeit neben Langenhorn zum Beispiel auch in Bergedorf, Steilshoop und Neuengamme. Am Tag legen sie vier bis fünf Kilometer zurück, im Jahr sind es bis zu 700.

Allein das Niederdrucknetz in Hamburg umfasst rund 6500 Kilometer

Das Gasnetz der Hansestadt ist etwa zehnmal so groß. Das Hochdrucknetz nimmt mit 255 Kilometern den kleinsten Teil davon ein und wird jedes Jahr gecheckt. Das Mitteldrucknetz ist 1000 Kilometer lang und wird alle zwei Jahre überprüft.

Gasdruckanlagen regeln es auf Niederdruck herunter, sodass es für die rund 160.000 Haushaltskunden nutzbar wird. Das Niederdrucknetz ist mit 6565 Kilometern das mit Abstand größte Netz und umfasst die Leitungen an der Straße bis zur Hauswand des Endverbrauchers. Es wird nur alle vier Jahre abgegangen.

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In der Niederdruckanschlussverordnung ist übrigens geregelt, dass jeder Anschlusskunde sein Grundstück für die Gasspürnasen des Netzbetreibers zugänglich machen muss. Stellen sich da auch manche Hauseigentümer quer? Yousefi, der im letzten Jahr mit einem erfahrenen Kollegen mitgelaufen ist und vor drei Monaten seine Gasspürer-Prüfung ablegte, lächelt und sagt: „Das mag in Einzelfällen vorkommen – aber ich habe noch keinen Stress gehabt.“