Hamburg. Das Netz werde im Zuge der Energiewende „in seiner heutigen Form überflüssig“, so die Umweltbehörde. Wie die Stadt vorgehen will.

Auf fast 8000 Kilometern Länge erstrecken sich die Rohre und Leitungen des Hamburger Gasnetzes. Über 161.000 Hausanschlüsse werden etwa 350.000 Wohnungen, Tausende Unternehmen und weitere Netzkunden mit Energie versorgt. Doch damit soll perspektivisch Schluss sein: Die Stadt will das Gasnetz, das von der gleichnamigen städtischen Firma betrieben wird, Schritt für Schritt stilllegen. Das bestätigte die Umweltbehörde auf Abendblatt-Anfrage.

„Damit wir unsere Klimaschutzziele erreichen, muss fossiles Erdgas bis spätestens 2045 durch andere, klimaneutrale Energieträger abgelöst werden“, teilte Behörden-Sprecherin Renate Pinzke mit. „Das bedeutet, dass in Hamburg – wie auch in anderen deutschen Städten – das Gasverteilnetz in seiner heutigen Form überflüssig wird.“ Wann oder wo in der Hansestadt es stillgelegt werde oder inwiefern es weiter für den Transport von grünem Wasserstoff, grünem Methan oder Biogas genutzt werden könne, lasse sich derzeit aber noch nicht sagen, das sei „Gegenstand eines übergeordneten Planungsprozesses“.

Überflüssige Teile des Gasnetzes sollen stillgelegt oder anders genutzt werden

Jüngst hatten mehrere Medien über ein Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium berichtet, das sich mit der möglichen Stilllegung von Gasnetzen beschäftige. Schlagzeilen machte zudem die Stadt Augsburg, die Hunderten Großkunden bereits das Ende der Gasversorgung in zehn Jahren mitgeteilt haben soll. Gegenüber „Heise online“ stellten die Stadtwerke Augsburg allerdings klar, dass man diesen Kunden nur mitgeteilt habe, dass in ihrem Gebiet in zehn Jahren Fernwärme zur Verfügung stehen werde und sie das in ihre Heizungsüberlegungen einbeziehen sollten.

Auch in Hamburg sei keinesfalls geplant, nicht mehr benötigte Abschnitte des Gasnetzes zurückzubauen, betonte Pinzke. „Vielmehr werden sie stillgelegt oder zum Beispiel teilweise für Wasserstoffnetze zur Dekarbonisierung der Industrie, im Hamburger Hafen oder südlich der Elbe genutzt“, so die Sprecherin von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). „Erste wegweisende Erkenntnisse“ werde die kommunale Wärmeplanung liefern, die in Hamburg bis Mitte 2026 abgeschlossen sein soll.

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Diese Planung war das Ergebnis des bundesweiten Streits um das neue Heizungsgesetz vor einem Jahr. Statt den Einbau neuer Öl- und Gasheizungen direkt zu verbieten, sollen nun zunächst alle Kommunen eine Planung aufstellen, welche Gebiete künftig noch an das Fernwärmenetz angeschlossen werden können. Nur wo das nicht möglich ist, müssen die Bürger perspektivisch auf andere klimafreundliche Heizformen umsteigen, etwa Wärmepumpen oder Pelletheizungen. Kerstan hatte Anfang Februar eine erste Karte vorgestellt, in welchen Quartieren ein Ausbau der Fernwärmeversorgung theoretisch möglich ist.

Senat: „Niemand muss eine funktionierende Gas- oder Ölheizung austauschen“

Bereits heute gilt: Wer eine neue Heizung einbauen will, muss laut dem Hamburgischen Klimaschutzgesetz mindestens 15 Prozent der Wärmeenergie aus erneuerbaren Quellen decken. Dieser Anteil steigt nach Angaben des Senats bis spätestens Ende Juni 2026 auf 65 Prozent. Dabei gelte aber: „Niemand muss eine funktionierende Gas- oder Ölheizung austauschen, kaputte Heizungen dürfen auch repariert werden.“ Nur Öl- und Gasheizungen, die älter als 30 Jahre sind, müssen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ersetzt werden.

Klar ist: Nimmt die Zahl der Gasheizungen ab, wird auch das Gasnetz perspektivisch unrentabel oder gar ganz überflüssig. Offen ist nur, wann und wo das der Fall sein wird: „Zahlenmäßige Aussagen über die tatsächliche Entwicklung der Gasnetze sind daher derzeit nicht möglich“, so die Sprecherin der Umweltbehörde. Die Bundesnetzagentur entwickele gerade einen Regulierungsrahmen für Gasnetze, die nicht benötigt werden. Ziel sei es, dass „dieser Prozess transparent, verlässlich und ohne unzumutbare Belastung für Bürgerinnen und Bürger vonstatten gehen kann“.

Gasnetz Hamburg: Wir rechnen mit Rückgang der Kundenzahlen

Auch bei Gasnetz Hamburg kann man noch keine exaktere Prognose abgeben. „Wir sehen – vor allem in den Jahren 2030-2045 – einen Rückgang der benötigten Erdgasanschlüsse auf uns zukommen“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Geschwindigkeit, mit der Erdgas als Energieträger in Haushalten zurückgehen wird, hänge aber unter anderem von der städtischen Wärmeplanung ab und von der Frage, inwiefern Wasserstoff eine relevante Rolle für die Gebäudewärme spielen kann.

Auch die Frage, ab welchem Punkt das Hamburger Gasnetz nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben ist, sei von diesen Entwicklungen abhängig. „Sollten größere Gebiete bleiben, die zum Beispiel künftig mit Bio-Methan versorgt werden, kann das durchaus wirtschaftlich sein“, so der Sprecher. „Die Wirtschaftlichkeit nimmt dann ab, wenn deutlich weniger Anschlüsse über ein weiterhin großflächiges Netz mit großen Leitungslängen versorgt werden müssen.“