Hamburg. Hamburger Unternehmerin erfüllt sich Traum und lässt in Spanien hochwertiges Olivenöl produzieren. Wie davon Landwirte und Kunden profitieren.
Eigentlich war Johanna Zoern 2020 nach Spanien gereist, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Stattdessen legte sie den Grundstein für ihr heutiges Start-up. Die 27-Jährige produziert mit ihrem Unternehmen hinterland Olivenöl in der spanischen Kleinstadt Villena, mit nachhaltigem Ansatz und in traditioneller Herstellung. Nicht ohne Risiko gab die junge Gründerin dafür ihren sicheren – und lukrativen – Job beim Hamburger Flugzeugbauer Airbus auf.
Olivenöl statt Airbus: Hamburger Start-up-Gründerin verkauft Öl aus Spanien
Alles begann im Spanienurlaub im Herbst 2020. Auf Spazierfahrten durch die ländliche Region um Alicante säumten rechts und links weite Olivenfelder die Straße. Doch eines machte Zoern stutzig: Immer wieder las sie „se vende“ auf Schildern, die am Rande der Haine platziert waren. All diese Olivenwäldchen standen zum Verkauf. Warum nur?
„Die Industrialisierung und der Preisdruck haben vielen Olivenbauern im spanischen Hinterland zugesetzt“, weiß die 27-Jährige heute. Viele Landwirte gaben auf. Und das, obwohl der Olivenanbau eine jahrhundertelange Tradition in Spanien hat. Johanna Zoern wollte eine Lösung finden. Zunächst als Hobby startete sie den Versuch, Olivenbauern in Spanien mit Käuferinnen und Käufern aus Deutschland zusammenzubringen. Dafür musste sie erst einmal Überzeugungsarbeit leisten.
Gründen auf Spanisch: Olivenöl heißt „aceite de oliva“
Mit einem Freund der Familie, der seit über zehn Jahren in Spanien lebt, sprach Zoern Landwirte in der Region an. Gar nicht so leicht, denn in Spanien, insbesondere in ländlichen Regionen, kommt man ohne nennenswerte Spanischkenntnisse nicht weit. „Paco war der erste Olivenbauer, der sich traute“, sagt die Unternehmerin, die inzwischen gut Spanisch spricht. Bald kamen weitere Landwirte hinzu.
Mittlerweile stehen mehrere Tausend Olivenbäume auf rund 100 Hektar Land. Die Oliven werden nicht mit industriellen Maschinen geerntet, sondern per Hand gepflückt. Das hat seinen Preis: Eine 500-Milliliter-Flasche von Zoerns Olivenöl kostet 24,90 Euro. Für fünf Euro mehr gibt es eine Patenschaft für einen neu gepflanzten Olivenbaum, der noch keine Früchte trägt, einen Ausgießer und ein eigenes Baumtagebuch dazu. Darin wird der Erntestand monatlich dokumentiert.
Traditionelle Olivenbauern erhalten Baum-Miete von Hamburger Start-up hinterland
Für die spanischen Olivenbauern lohnt sich die Geschäftsidee von hinterland: Sie bekommen nicht nur Geld für ihr Olivenöl – abhängig von der Menge, Güteklasse sowie dem Verhältnis zwischen Wasser und Öl in den Oliven. Zoern zahlt den Landwirten auch einen Zuschuss für die Pflege der Olivenbäume. „So sind sie gegen Schwankungen im Ertrag geschützt“, sagt die Gründerin.
Dafür zahlen Kundinnen und Kunden aber auch mehr für ihr Olivenöl, als es etwa in Supermärkten der Fall ist. Die Marke hinterland spricht eine Premium-Zielgruppe an. Neben Olivenöl und Honig vertreibt Zoern in ihrem Onlineshop inzwischen auch Wein, Pesto oder Snack-Mandeln. Die 27-Jährige arbeitet bei allen Produkten mit Landwirtinnen und Landwirten aus der Region zusammen und kennt ihre Produzenten persönlich. „Wir arbeiten antizyklisch zur Industrialisierung und zur aktuellen Konsumwirtschaft“, sagt Zoern.
Hamburger Start-up-Gründerin: „Gutes Olivenöl hat seinen Preis“
Ihre Käuferinnen und Käufer sind zu rund 45 Prozent Privatpersonen, die ein besonderes Geschenk suchen oder viel Wert auf Nachhaltigkeit legen. Weitere 45 Prozent ihrer Kundschaft sind Unternehmen, die für ihre Beschäftigten – etwa zu Weihnachten oder Jubiläen – Geschenk-Boxen verschicken. Darüber hinaus ist Zoern mit ihren Produkten in Delikatessengeschäften vertreten: in Deutschland etwa in Köln und Ibbenbüren, aber auch in spanischen Feinkostläden. Seit Kurzem führt auch „Tierra Verde“ in London die Produkte von hinterland.
Den Job bei Airbus gekündigt und den Schritt in die Selbständigkeit gewagt zu haben, bereut die junge Gründerin nicht. Zwar sei ihr ehemaliger Arbeitgeber toll gewesen. Zoern sagt heute: „Meine Arbeit fühlt sich an wie ein Hobby.“ Sie stehe morgens mit einem Lächeln auf. Das heißt aber nicht, dass die 27-Jährige wenig arbeitet. „Gute Leistungen, Fleiß und Disziplin sind extrem wichtig, wenn man unternehmerisch tätig ist.“
Den Spaß an der Arbeit mache vor allem ihr Team aus. Die Olivenbauern seien wie eine Familie. Zwei Festangestellte beschäftigt die Unternehmerin in Spanien, zwei weitere feste Mitarbeiter sitzen in Deutschland. Hinzu kommen freie oder geringfügig Beschäftigte, wie etwa das Team, das im Deutschland-Lager in Seevetal die Waren verpackt und in ganz Deutschland verschickt.
Die Klimakrise bedroht den Oliven-Anbau
Zoern schätzt aber auch das Feedback ihrer Kundschaft. Einmal im Jahr lädt die Unternehmerin zum Erntefest in Villena ein. „Meine Kundinnen und Kunden bringen häufig Ideen ein, um noch nachhaltiger zu arbeiten.“ Eine Kundin hatte etwa angeregt, den Verschluss aus Plastik auf der Olivenöl-Flasche zu ersetzen. Heute ist der Korken mit einem Papiersiegel versehen. Auch bei der Weinflasche wird statt Plastikdeckel auf Wachs gesetzt.
Doch bei aller Nachhaltigkeit: Die Gründerin ist vor der Klimakrise und ihren Folgen nicht gefeit. Im vergangenen Jahr hat es während der Blütezeit der Olivenbäume im Mai sehr stark geregnet, sodass nur wenige Bäume bestäubt werden konnten. Weitere Dürren im Sommer verkleinerten den Oliven-Ertrag nicht nur in Spanien, sondern auch in Italien oder Tunesien. Das hatte Folgen. „Der Preis für Olivenöl ist in den vergangenen zwei Jahren um 70 Prozent gestiegen“, sagt Arnim Valet, Ernährungsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Verbraucherschützer: „Olivenöl gehört zu den Lebensmitteln, die am häufigsten gefälscht werden“
Auch Betrüger rief der geringe Ertrag auf den Plan. „Olivenöl gehört zu den Lebensmitteln, die am häufigsten gefälscht werden“, sagt Valet. Manche Olivenöl-Produzenten würden es etwa mit anderen Ölsorten strecken. Auf Hersteller-Angaben wie „nativ extra“, was der höchsten Güteklasse entspricht, sei nicht immer Verlass.
„Die Qualität von Olivenöl können Verbraucherinnen und Verbrauchern auch nicht an der Zutatenliste oder Nährwerttabelle erkennen, wie bei verarbeiteten Lebensmitteln“, so Valet. Denn: Die gibt es nicht – oder es sind keine Unterschiede erkennbar. Der Verbraucherschützer empfiehlt: „Entweder Sie haben Vertrauen in die Anbieter beim Kauf von Olivenöl – oder Sie achten auf Ergebnisse von unabhängigen Instituten wie Stiftung Warentest sowie Ökotest.“
Zoerns Olivenöl hatte von Anfang an eine Bio-Zertifizierung. Außerdem hat sie beim internationalen Olivenöl-Wettbewerb „Terra Olivo Israel“ die beste Qualitätsstufe erreicht. Die Gründerin verweist auf eine spanische Volksweisheit: „Wenn man einen Teelöffel Olivenöl probiert und ein Kratzen im Hals spürt oder sogar husten muss, dann hat man ein gutes Olivenöl erwischt.“
Start-up-Gründerin konnte Umsatz zuletzt verdoppeln
Mit dem Vertrauen in spanische Tradition hat die Unternehmerin Erfolg: In den vergangenen zwei Jahren konnte sie ihren Umsatz jeweils verdoppeln. Im Jahr 2023 setzte sie insgesamt 400.000 Euro um. Zum Gewinn ihres Unternehmens will Zoern nichts Näheres sagen: „Wir sind im operativen Geschäft gut aufgestellt, aber es sind – wie bei jungen Unternehmen üblich – natürlich noch Investitionen nötig.“
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Für die Zukunft hat die junge Unternehmerin einige Ideen für ihr Start-up, die sie noch nicht verraten will. Jetzt steht erst einmal die neue Erntesaison bevor. Entlocken lässt sich die Start-up-Gründerin immerhin ihr Geheimrezept für den Sommer: „Eine Kugel Vanilleeis mit einer Prise grobkörnigem Meersalz und etwa ein bis zwei Esslöffeln Olivenöl – das schmeckt superlecker.“