Hamburg. Mit ihrem Start-up will Jasmin Daouiji etwas gegen die Mikroplastikflut unternehmen. Welche Produkte es schon gibt und was sie kosten.
Jasmin Daouiji hatte genug vom Mikroplastik. Nachdem sie 2020 wochenlang nach Sportkleidung ohne Kunststoff gesucht hatte, beschloss die studierte Modedesignerin, das Problem selbst anzugehen. Seit Januar dieses Jahres ist ihr Onlineshop live: Zwei nachhaltige Sportshirts hat die 44-jährige Hamburgerin entwickelt – mithilfe einer Pflanzenfaser, die aus Holzzellulose und Algen besteht.
Daouijis Start-up Gooden ist das einzige Hamburger Unternehmen, das bei Sportkleidung auf den Rohstoff aus Tencel und Sea Cell setzt. Zwar gibt es mit „Runamics“ einen Konkurrenten aus Hamburg, der ebenfalls nachhaltige Sportmode produzieren will. Doch die Gründer Steffen Otten und Henning Heide lassen ihre Stücke aus Merinowolle oder Bio-Baumwolle fertigen.
Ohne Plastik: Hamburgerin designt Sportkleidung aus Algen
Das Problem bei Sportkleidung sind die Kunstfasern, die meist auch von führenden Sportmarken verarbeitet werden: Bei jedem Waschgang der Textilien gelangt durch Abrieb Mikroplastik ins Abwasser. Wer viel Sport treibt – und die Shirts nach jedem Workout wäscht –, verursacht somit mehr Schaden als Sportmuffel.
„Etwa 202 Tonnen Mikroplastik werden jährlich in Deutschland durch Sportshirts ausgeschwemmt, wenn diese dreimal pro Woche gewaschen werden“, hat Daouiji ausgerechnet. Sie geht von 91 Milligramm Mikroplastik aus, die durchschnittlich bei einer Wäsche pro Shirt austreten – und von rund 14,2 Millionen Deutschen, die dreimal wöchentlich Sport treiben.
Unerheblich ist dabei, ob ein Shirt aus herkömmlichem Polyester oder recyceltem Plastik besteht, die beispielsweise die deutsche Sportmarke Adidas unter dem Reiter „Nachhaltigkeit“ führt. Mikroplastik entweicht in etwa gleich viel, wie auch ein Wasch-Test des österreichischen Umweltbundesamts zeigt.
Nachhaltige Mode: Wie Algen in Sportkleidung gelangen
Als Jasmin Daouiji sich diese Zahlen vor Augen führte, bekam die ehemalige Kickboxerin ein ungutes Gefühl. Und das nicht nur, weil sie an die Zukunft ihres heute achtjährigen Sohnes dachte. Eine Alternative musste her. Und die fand die Modedesignerin, die an der HAW Hamburg studiert hatte, nach etwas Recherche: Ihre Sportkleidung stellt sie aus Holzfasern und dem aus Algen bestehenden Material Sea Cell her. Genutzt werden dafür Algen, die aus isländischen Fjorden stammen.
Auch bei Garnen und Farben suchte die 44-Jährige biobasiertes Material. Statt Kunststoffgarn wird in den Oberteilen umweltfreundlicheres Tencel-Garn vernäht. Selbst den Aufdruck der Shirts hat die Designerin durchdacht: Dieser besteht aus einer biologisch abbaubaren Druckpaste. „Theoretisch kann man die Shirts auf den Gartenkompost legen und verrotten lassen“, sagt Daouiji und lacht. Getestet hat sie das selbst aber noch nicht.
Genäht wird die Kleidung von Gooden in Portugal. Das Design der Shirts ist schlicht: Bislang sind ein Tanktop und ein T-Shirt in jeweils zwei Farben erhältlich, in Rot und Blau. „Die Zielgruppe, die ich anspreche, will nicht mit riesigem Markenlogo auf der Brust herumlaufen“, sagt die Designerin. Ihre Oberteile vertreibt Daouiji ausschließlich in ihrem Onlineshop und über nachhaltige Versandplattformen wie „Avocadostore“. Das Tanktop kostet 55 Euro, für das T-Shirt sind zehn Euro mehr fällig.
Angst vor Alleingründung „typische Frauenthematik“
Die Idee für ihr Start-up hatte Daouiji mitten in der Corona-Zeit im Jahr 2020. Weil sie sich eine Gründung allein zunächst nicht zutraute, suchte sie nach Gleichgesinnten. „Das beruhte auf der Annahme, dass ich es allein nicht schaffen kann“, sagt die 44-Jährige. „Ich habe den Eindruck, dass das eine typische Frauenthematik ist.“ Doch weil sie sich mit ihrem Co-Gründungsteam in vielen Details uneinig war, brachte sie Gooden letztlich doch allein an den Start.
Seit Ende 2022 hat die Sport-Enthusiastin fast täglich an der Umsetzung ihrer Idee gearbeitet. Das war neben ihrem Job in einer Podcast-Produktionsfirma, den sie auf einer Dreiviertelstelle ausübt, nicht immer leicht. Auch die Finanzierung ist knapp bemessen. Für ihr Unternehmen nahm Daouiji einen KfW-Kredit in Höhe von 40.000 Euro auf. „Ich muss auf jeden Cent achten.“
Mütter sollen sich in ihrer Sportkleidung wohlfühlen
Doch Daouiji hat Durchsetzungswillen und Ausdauer – ganz die Sportlerin eben. Bevor sie Mutter wurde, hat die Gründerin beinahe täglich Sport getrieben: Kickboxen, Reiten, Krafttraining. Das wurde mit der Zeit weniger. Sich auch als Mutter Zeit für Sport zu nehmen, sei ein feministisches Anliegen – davon ist die Unternehmerin überzeugt. Zu ihrer Zielgruppe zählt sie vor allem Frauen zwischen 25 und 60 Jahren, die sich sportlich betätigen.
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„Gute Sportswear hat nicht nur mit Optik zu tun, sondern ist auch mental ein guter Support“, glaubt die Gründerin. Viele Mütter würden sich etwa nach der Geburt ihres Kindes nicht wieder ins Fitnessstudio trauen. „Da ist es noch wichtiger, sich in seiner Sportkleidung wohlzufühlen.“
Daouiji setzt sich auch selbst an die Nähmaschine
Als Testnutzerinnen hat Daouiji zwei Freundinnen eingespannt: Eine davon ist selbst Textildesignerin und betreibt intensiv Krafttraining – manchmal hat sie auch beim Design Verbesserungsvorschläge. „Am wichtigsten ist aber, dass ich selbst mit den Teilen happy bin“, sagt Daouiji. Derzeit arbeitet die 44-Jährige an weiteren Modellen: Ein Crop-Top und eine Sport-Leggings aus nachhaltigem Material will sie als Nächstes anbieten. Weil ihr die Produktion der Muster in Portugal aber zu lange dauert, setzt sie sich einfach selbst an die Nähmaschine.
Doch vor allem will sie den Fokus darauf legen, ihr Start-up noch bekannter zu machen. Denn auch andere Unternehmen in Deutschland haben Sea Cell und Tencel inzwischen als nachhaltigen Rohstoff für Sportkleidung entdeckt. „Gooden soll kein teures Hobby bleiben“, sagt Daouiji. Über Umsätze möchte die Gründerin bislang nicht sprechen – der Shop sei schließlich erst seit einigen Wochen online. „Langfristig will ich von meinem Start-up leben können.“