Hamburg. Seit 2020 sind Tickets deutlich teurer geworden. Mallorca besonders betroffen. Die Situation könnte sich weiter zuspitzen. Die Gründe.
- Mallorca-Flüge um 74 Prozent teurer geworden
- Airbus-Probleme könnten Situation verschärfen
- Fliegen bald nur noch Besserverdienende?
Es ist ein Riesenrückruf: Jahrelang hatte der US-Triebwerkshersteller Pratt & Whitney ein möglicherweise schadhaftes Pulvermetall für die Produktion einer Hochdruckturbinenscheibe verwendet. Nun müssen 3000 Motoren zu Inspektionen in die Werkstätten. Sie hängen an Fliegern der A320neo-Familie von Airbus.
Rund 650 Flugzeuge sollten nach früheren Angaben im ersten Halbjahr dieses Jahres auf dem Boden bleiben. Bis 2026 sollen es im Schnitt rund 350 pro Jahr sein. Rund 300 Tage wurden für die Reparaturen angesetzt. Diesen Engpass an Maschinen spüren auch die Fluggesellschaften. Denn die Nachfrage von Passagieren steigt wieder, kann aber nicht unbegrenzt erfüllt werden.
Flugpreise steigen um bis zu 74 Prozent – erst der Anfang?
„Momentan ist das Angebot schon verknappt“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg im Gespräch mit unserer Redaktion und beschreibt die daraus resultierende logische Folge: „Die Airlines verlangen vergleichsweise hohe Preise.“ Allerdings nicht so hoch, wie in der Branche erwartet worden war.
Besonders stark über die Preise und mit günstigen Konditionen wirbt traditionell Ryanair. Wenn er früher in Richtung dieses Sommers geschaut habe, rechnete er mit Preiserhöhungen von fünf bis zehn Prozent, sagte Michael O‘Leary, der Chef der irischen Billigfluglinie, vor Kurzem zu Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters in Brüssel.
Ryanair-Chef erwartet gleichbleibende bis leicht steigende Ticketpreise
Tatsächlich werden diese wohl aber geringer ausfallen, so O‘Leary, dessen Airline nur Boeing 737 fliegt: „Wir bewegen uns in Richtung einer gleichbleibenden Preisentwicklung bis hin zu einem Anstieg von fünf Prozent. Was überraschend ist, da ein großer Teil der Airbus-Flotte wegen Wartungsarbeiten am Boden liegt.“
Bei der grundsätzlichen Entwicklung der Ticketkosten liegt er damit auf einer Wellenlänge mit dem Rivalen Lufthansa. „Weltweit sehen wir zurzeit, dass nach den Preisanstiegen der letzten Jahre sich die Preise mehr oder weniger flach fortbewegen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Carsten Spohr Ende April.
Lufthansa ist von dem Rückruf stark betroffen
Nach früheren Angaben dürften in diesem Jahr täglich etwa 20 Flugzeuge der A320neo-Familie wegen der Pratt-&-Whitney-Probleme dem Kranich-Konzern nicht zur Verfügung stehen. Dies entspreche knapp einem Drittel der A320neo-Flotte. Bezogen auf die gesamte A320-Flotte sind es knapp fünf Prozent.
Zurück in die Werkstätten müssen Motoren, die bis Anfang 2021 hergestellt wurden. Die Kranich-Linie kämpft aber auch noch mit aktuellen Lieferverzögerungen bei der A320neo-Familie. Im Schnitt kämen die neuen Flieger mit 5,5 Monaten Verspätung in die Flotte, so Spohr. Auch das drückt die Zahl der zur Verfügung stehenden Jets.
Pauschalreisen und Flugtickets verteuerten sich laut Destatis um 30 Prozent
Für die Preise bedeutet dies zumindest keine Entspannung. In der gefühlten Wahrnehmung der Urlauber verteuerten sich Reisen seit der Corona-Pandemie ohnehin stark – und Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) belegen dies. Im April dieses Jahres wurde für Pauschalreisen ins Ausland knapp 30 Prozent mehr verlangt als vor vier Jahren. Internationale Flüge verteuerten sich in der gleichen Größenordnung noch einen Tick mehr.
Das Vergleichsportal Check24 errechnete auf Anfrage unserer Redaktion die Entwicklung der durchschnittlichen Ticketpreise für die 15 am stärksten von deutschen Flughäfen nachgefragten Ziele. Berücksichtigt wurden dabei jeweils die Buchungen von Anfang Januar bis Mitte Mai des jeweiligen Jahres.
Check24: Größte Preisaufschläge gab es nach Palma de Mallorca
Den größten Preisaufschlag binnen vier Jahren gab es demnach für Flüge nach Palma. Im Jahr 2020 seien für Hin- und Rückflug im Schnitt 169 Euro ausgegeben worden. In diesem Jahr sind es 294 Euro. Das entspricht einem Plus von 74 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr liegt die Preissteigerung bei 15 Prozent. Auch nach Wien beträgt das Plus 74 Prozent in vier Jahren. London und Barcelona folgen mit jeweils 64 Prozent.
Auffällig: Konnte man 2020 noch zu sieben der 15 Topdestinationen für weniger als 200 Euro hin- und von dort zurückfliegen, geht dies mittlerweile zu keiner mehr. London, Wien und München sind mit jeweils 209 Euro für Hin- und Rückflug die günstigsten Ziele. Preisstabil blieb nur die Türkei: Die Kosten nach und von Istanbul waren mit 233 Euro unverändert, Antalya wurde zwei Prozent teurer, Izmir sogar vier Prozent günstiger.
Check24: Die 15 Topziele verteuerten sich im Schnitt um 33 Prozent seit 2020
Unterm Strich ermittelte Check24 einen Preisaufschlag für die 15 beliebtesten Ziele von 33 Prozent binnen vier Jahren – also ähnliche Werte wie bei Destatis. Auf Einjahressicht wurde das Abheben zu und von sechs Zielen günstiger, allen voran Istanbul und Bangkok mit einem Minus von acht Prozent. Die stärksten Anstiege gab es nach London (22 Prozent) vor Dublin (16) und Palma de Mallorca (15).
Für Schellenberg sorgen die generell ansteigenden Ticketpreise für zwei gegensätzliche Entwicklungen. Auf der einen Seite gebe es „genügend Menschen, die sagen: ,Das gönne ich mir‘“, sagt der Luftfahrtexperte. Das sei ähnlich wie bei einer Kugel Eis. Früher hätten die Menschen bei zwei Euro pro Kugel abgewinkt. Heute seien sie bereit, den Preis zu zahlen.
Luftfahrtexperte erwartet, dass immer mehr Menschen Reisepläne zusammenstreichen
Auf der anderen Seite werde bei immer mehr Menschen das Budget knapp. „Sie verkürzen die Reise, um Hotelkosten zu sparen, oder können sich nur alle zwei Jahre eine größere Urlaubsreise leisten“, so Schellenberg: „Ich glaube, wir kommen an einen Punkt, wo sich nur noch Besserverdienende eine Flugreise mit der Familie leisten können.“ Wie sich die Ticketpreise weiter entwickeln, ist für den Experten unklar.
Schließlich hängt dies von einer Reihe von Faktoren ab. Neben der Zahl der verfügbaren Maschinen, die sich auf Angebot und Nachfrage auswirkt, gehören dazu die Ölpreise. Kerosin wurde als Folge des Ukraine-Krieges vor zwei Jahren deutlich teurer, vergünstigte sich danach, um zuletzt wieder anzusteigen. Die Angriffe der Huthi-Rebellen sowie die Auseinandersetzungen im Gazastreifen und mögliche Folgehandlungen dürften die Lage in der wichtigen Ölregion Naher Osten aber weiter belasten.
Ticketpreise hängen von Vielzahl an Faktoren ab
Zudem müssen die Airlines höhere Personalkosten stemmen, nachdem in den jüngsten Tarifverhandlungen teilweise deutliche Lohnerhöhungen errungen wurden. Das könnte sich in Zukunft auch noch auf die von Flughäfen und Dienstleistern erhobenen Gebühren auswirken. In Deutschland stieg zudem zum 1. Mai die Ticketsteuer um 20 Prozent.
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Schellenberg hofft, dass die Preise nicht durch die Decke gehen. „Wenn Fliegen wieder elitär würde, wäre das ein großer Verlust für Menschen, die die Welt und andere Kulturen kennenlernen und genießen wollen.“ Wenn sich der Markt mit ausreichend Flugzeugen und auch Besatzungen dafür wieder normalisiere, gebe es einen klaren Vorteil für die Billigfluglinien, „die mit günstigen Preisen locken und die Passagiere für sich gewinnen werden. Daran können die Netzwerkairlines (wie zum Beispiel Lufthansa, d. Red.) kein Interesse haben.“