Hamburg. Ein Start-up verhilft Hamburgern ohne eigenes Haus zu günstigem Strom aus Photovoltaik direkt vom Dach. So funktioniert das Geschäftsmodell.

Im vergangenen Jahr wurden mehr als eine Million neue Solaranlagen zur Strom- oder Wärmeerzeugung in Deutschland installiert. Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft sind das mehr als jemals zuvor. Allerdings ist die Verteilung sehr ungleich. Schaut man auf die Dächer von Wohngebieten mit vielen Einfamilienhäusern, haben dort inzwischen bundesweit 16 Prozent Photovoltaikmodule auf dem Dach. Bei Mehrfamilienhäusern und Gewerbegebäuden in innerstädtischen Vierteln sind es gerade mal 0,2 Prozent.

Das Start-up Marcley ist angetreten, um das zu ändern. „So wie wir in Deutschland die Energiewende angehen, erreichen wir die Klimaziele nicht“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Friedrich Grimm. „Wir brauchen schnellere Modelle und eine dezentrale Energieversorgung.“ Dafür könne man bislang ungenutzten Platz für die Produktion von Solarstrom nutzen, zum Beispiel auf Dächern von Mehrfamilienhäusern mit Miet-, Genossenschafts- oder Eigentumswohnungen.

Solarstrom für Mieter: Gründer starten in Hamburg

Gemeinsam mit Florian Schnipkoweit (41) und Florian Schulte (31), die beide lange bei Energieversorgern gearbeitet haben, hat Betriebswirt Grimm (29) Marcley in Hannover gegründet. Das war im November 2022. Die Grundidee: Marcley pachtet die Dachflächen, kümmert sich um Planung, Genehmigungen, Finanzierung und Bau der Solaranlagen – ohne Kosten für Eigentümer und Bewohner. Danach verkauft das Start-up den grünen Strom an die Hausbewohner weiter – zu günstigeren Konditionen als bei den großen Energieversorgern auf dem Markt.

Inzwischen laufen die ersten beiden Projekte in Hannover. Jetzt will Marcley auch in Hamburg durchstarten. Entscheidend dafür ist eine Gesetzesänderung. Ende April haben Bundestag und Bundesrat das Solarpaket 1 beschlossen. Über die sogenannte gemeinschaftliche Gebäudeversorgung bekommen Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermieter die Möglichkeit, Sonnenstrom aus der Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach direkt in die Steckdosen der Bewohner im Gebäude weiterzugeben.

Photovoltaikanlagen: Neues Gesetz vereinfacht den Bau

„Wir fungieren als Energieversorger dazwischen“, sagt Marcley-Geschäftsführer Grimm. Das Ziel: „So vielen Menschen wie möglich grünen und günstigen Strom anzubieten, indem wir ihnen ein Energiekraftwerk aufs Dach setzen. Bislang war Solarstrom ein Privileg vor allem für Eigenheimbesitzer.“

Seitdem klar war, dass das neue Gesetz kommen würde, häufen sich die Anfragen von Hausverwaltungen und Genossenschaften bei dem Jungunternehmer, auch aus Hamburg. „Es sind ziemlich komplexe Verfahren, teilweise mit unterschiedlichen Förderprogrammen, und später ein hoher administrativer Aufwand für die Abrechnungen. Das können sich Verwaltungen und Eigentümer sparen, wenn wir beauftragt werden. Wir bieten ein Rundum-sorglos-Paket.“

Lohnt sich Solarstrom? Bewertung soll in Minuten erfolgen

Kernelement ist eine Software, über die Bewertung und Kalkulation für die Solaranlagen sowie die Abrechnungen abgewickelt werden. Konkret soll es so funktionieren: Über die Marcley-Internetseite können Interessierte sich eine unverbindliche Erstbewertung der infrage kommenden Dachflächen erstellen lassen. „Wir nutzen dafür Satellitenfotos verschiedener Datenbanken und den Sonneneinfallswinkel“, erklärt Vertriebsleiterin Victoria Scholüke das Verfahren.

Basis sind Mehrfamilienhäuser, die mindestens zehn Wohneinheiten haben. Im Moment kann das noch ein paar Tage dauern, in Zukunft soll die Bewertung innerhalb wenigen Minuten erfolgen.

Dann folgt ein Termin mit Besichtigung von Dach und Stromkästen. Erst danach würde es zu einem Vertragsabschluss kommen. Für den Bau arbeitet das Start-up mit Handwerksbetrieben aus der Solarbranche zusammen. Für die Auftraggeber ist bis zu diesem Zeitpunkt alles kostenlos.

Stromkosten sparen ohne Investition

Das Start-up Marcley, das im vergangenen Jahr eine halbe Million Euro von Investoren eingesammelt hat, finanziert den Bau der Solaranlagen über Bankkredite. „Geld verdienen wir über den Stromverkauf“, sagt Friedrich Grimm. Der Preis pro Kilowattstunde liegt für die Bewohner bei 22,99 Cent brutto. Beim Grundversorger in Hamburg zahlt der Kunde im günstigsten Tarif 35,27 Cent. „Unseren Preis garantieren wir als Obergrenze für zehn Jahre. Wenn Strompreise am Markt sinken, gehen wir mit“, sagt Vertriebsleiterin Scholüke.

Das Modell sieht vor, dass die bestehenden Kundenverträge mit Energieanbietern weiterlaufen. Tagsüber, wenn die Sonne scheint, beziehen die Bewohner günstigen Sonnenstrom vom eigenen Dach. Nachts oder wenn die Solaranlage nicht oder zu wenig produziert, wird Strom aus dem Netz eingespeist. Die Steuerung läuft automatisch über sogenannte Smartmeter.

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Mit einer App ist der Stromverbrauch in Echtzeit nachvollziehbar. Nach Beispielrechnungen von Marcley kann eine vierköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch 4000 Kilowattstunden so etwa 170 Euro im Jahr sparen – und das ohne eigene Investitionen.

Das Interesse an den dezentralen Energiekraftwerken auf dem Dach wächst, auch weil die Politik den Anteil an Solaranlagen steigern will. In Niedersachsen und in Hamburg gibt es bereits eine Verpflichtung, bei Dachsanierungen Photovoltaik zu installieren.

Solarstrom für Mieter: Gründer wollen 170 Immobilien ausstatten

Marcley hat inzwischen elf Verträge für Solaranlagen auf Mehrfamilienhäusern geschlossen. „25 weitere sind kurz vor der Unterschrift“, sagt Vertriebsleiterin Victoria Scholüke. Mit 250 Kunden laufen ihren Angaben zufolge Gespräche. Auch deswegen werden dringend neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das zwölfköpfige Team gesucht. „Wir haben aktuell vier offene Stellen, suchen vor allen Vertriebsspezialisten aus der Wohnungswirtschaft.“

Denn Marcley hat ehrgeizige Ziele: „Wir wollen in den nächsten zwölf Monaten 170 Mehrfamilienhäuser in Hannover und Hamburg ausstatten“, sagt Co-Gründer Friedrich Grimm. Genug freie Dächer gibt es.