Hamburg. Miro Ilic hat in der Pandemie das Vierundvierzig QM gestartet. Wie er das kleine Ladenlokal zum Erfolg führte, was er nun vorhat.

Die sechs jungen Leute studieren draußen vor der Tür konzentriert die Speisekarte an der Glasfront. Klar, die wollen rein. Miro Ilic sitzt drinnen. Als er die Gruppe sieht, steht der Inhaber des Vierundvierzig QM auf und öffnet die Tür. Es ist kurz vor 10 Uhr morgens, beste Frühstückszeit. Ein Teil der Plätze in dem Café ist besetzt. Auf anderen Tischen steht ein Reserviert-Schild. Trotzdem sagt Ilic: „Kommt rein, das bekommen wir schon hin.“

Es sind Situationen wie diese, die den 32-Jährigen antreiben. Den Krisen in der Gastro-Branche zum Trotz. „Mir war schon früh klar, dass ich mich mal in der Gastronomie selbstständig mache“, sagt Ilic. Im November 2020, mitten in der Corona-Pandemie, hat er sein Café in der Neuen Mitte Altona eröffnet. Jetzt will er es noch mal machen. Ende Juni soll der Ableger des beliebten Frühstückspots starten: das Vierundvierzig QM Ottensen. Der Vertrag für das Ladenlokal an der Großen Brunnenstraße ist unterschrieben. In den nächsten Tagen starten die Bauarbeiten.

Trotz Gastro-Krise: Warum ein Hamburger jetzt ein neues Café plant

Auch jetzt ist es nicht die beste Zeit für neue Gastro-Projekte. Nach der Corona-Krise kam der Krieg in der Ukraine, die massiven Kostensteigerungen infolge der Inflation. Eine Spirale, weil die steigenden Preise wiederum zu Konsumzurückhaltung führen. In den vergangenen Monaten ist einer Reihe von Restaurants und Lokale in Hamburg die Luft ausgegangen. Einige mussten Insolvenz anmelden. Für Miro Ilic, der eigentlich Miroslav heißt, kein Grund, seine Pläne zu begraben.

Klein, aber fein und frisch: Im Café Vierundvierzig QM gibt es bis 14 Uhr Frühstück, nachmittags belegte Brote, Kuchen und hausgemachte Waffeln – und immer Kaffee in allen Variationen.
Klein, aber fein und frisch: Im Café Vierundvierzig QM gibt es bis 14 Uhr Frühstück, nachmittags belegte Brote, Kuchen und hausgemachte Waffeln – und immer Kaffee in allen Variationen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Eigentlich ist Miro Ilic Versicherungskaufmann. Was ganz Solides. Aber schon mit 16 Jahren stand er neben der Schule im Lokal des Onkels hinter dem Tresen. Der Hamburger mit serbischen Wurzeln hat vor und nach seinen kaufmännischen Jobs immer wieder in der Gastronomie gearbeitet, unter anderem zwei Jahre für den Bruder seiner Mutter das Café George in der Hamburger Kunsthalle geführt. Danach ging er zurück in seinen Beruf und wollte eigentlich mit der Gastronomie Schluss machen. „Aber ich konnte es nicht lassen und habe wieder nebenbei gejobbt.“

Gastronom stand mit 16 Jahren schon hinter der Theke im Lokal des Onkels

Die Vorgeschichte ist nicht unwichtig für den Herzblut-Gastronomen. 2020 kündigte er seinen sicheren Versicherungsjob, kurz nach dem offiziellen Beginn der Corona-Pandemie. „Ich bin einfach kein Typ für Homeoffice.“ Stattdessen nahm Ilic seine Ersparnisse und suchte Räume für sein Café. „Alle haben mich gewarnt, aber ich habe es durchgezogen.“ In dem Café stecken 40.000 Euro Eigenkapital und 30.000 Euro Kredit von der Bank. Der Erfolg des Vierundvierzig QM gibt ihm recht. Das kleine Café mit 44 Quadratmetern Nutzfläche –nomen est omen – läuft gut. „Inzwischen ist der Bankkredit fast vollständig abbezahlt“, sagt der Gastronom.

Schon am Tag der Eröffnung zu Beginn des zweiten Lockdowns Anfang November 2021 standen 250 Leute vor der Tür. Morgens Frühstück und Kaffee, nachmittags belegte Brote, Kuchen und hausgemachte Waffeln, genau das fehlte in dem großen Neubau-Quartier. „Im ersten halben Jahr mussten wir viel improvisieren. Wir durften ja nur außer Haus verkaufen“, sagt Ilic. Von Anfang an hat das Café schwarze Zahlen geschrieben. Zwischenzeitlich habe es aber auch Monate gegeben, in denen kaum was übrig geblieben sei. Trotz aller Hindernisse: „Aufgeben war nie eine Option.“

Harte Monate während der Corona-Pandemie

Geimpft, genesen, getestet: Das G-Jahr, wie der Gastronom es nennt, ist inzwischen Geschichte. Die Speisekarte ist klein, aber fein – und alles immer frisch gemacht. Die Gerichte haben Namen wie Hulk Bread (mit Guacamole, Tomate, Rucola, Gurke, Sesam), The Italian Job (mit Rinderschinken, Trüffelbutter, Rucola, Parmesan, Tomaten, Sesam) oder Süße Maja (Waffeln, Ahornsirup, Granola, Jogurt, frisches Obst). 36 Plätze hat das Café drinnen, weitere 80 draußen.

„Wir haben Stammgäste, die kommen alle zwei Wochen zum Frühstück aus Hannover“, sagt der Vierundvierzig-QM-Chef, der stolz die guten Bewertungen auf Google und anderen Portalen zeigt. Seit etwa eineinhalb Jahren bietet er zudem Catering an. Zu den Kunden gehören bekannte Unternehmen und auch Hamburger Prominente. „Es spricht sich herum, dass unsere Büfetts besonders vielfältig und bunt sind“, sagt Ilic. Seinem Umsatzziel in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags ist er Ende 2023 nahegekommen. Deutlicher will er nicht werden. Inzwischen beschäftigt er 16 Menschen, vor allem in Teilzeit oder als Minijobber.

Neues Café in Ottensen am Standort des Blauen Barhauses

Eigentlich eine komfortable Situation, aber Gastronom Ilic kann es nicht lassen. Als er nach der Geburt seiner Tochter im vergangenen Jahr auf Spaziergängen durch Ottensen unterwegs war, entdeckte er das, was er „einen Traumstandort für einen zweiten Café-Standort“ nennt. Vis-à-vis dem Kemal-Altum-Platz an der Großen Brunnenstraße, dort, wo früher das stadtbekannte Blaue Barhaus stand, ist ein vierstöckiger Neubau entstanden. „Die Gewerbefläche im Erdgeschoss stand leer.“

Miro Ilic steht auf der Baustelle in der Großen Brunnenstrasse 55 in Ottensen. Hier soll schon bald sein zweites Café eröffnen.
Miro Ilic steht auf der Baustelle in der Großen Brunnenstrasse 55 in Ottensen. Hier soll schon bald sein zweites Café eröffnen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Nachdem er den Namen der Eigentümerin herausbekommen hatte, entschloss er sich zu einem ungewöhnlichen Schritt. „Ich habe mich mit einem handgeschriebenen Brief als Mieter beworben.“ Mit Erfolg: Im Dezember kam der Verwalter spontan ins Café Vierundvierzig QM und erklärte, dass die Eigentümerin ihn als Mieter ausgesucht hatte. „Ich war total happy“, sagt Miro Ilic. Später hat er erfahren, dass es Dutzende Anfragen gab, auch von großen Ketten.

Auf den Gastronomen kommen noch so einige Investitionen zu

Inzwischen ist der Zehn-Jahres-Vertrag für die 60 Quadratmeter-Fläche unterschrieben. Der Antrag auf Nutzungsänderung ist genehmigt. „Die Miete ist sehr fair. Da sind sie uns auch noch ein bisschen entgegengekommen“, sagt der Gastronom. 3500 Euro zahlt er pro Monat warm. Anfang Mai sollen Handwerker mit den Sanitär- und Elektroarbeiten starten, auch der Fliesenleger ist bestellt.

Auf den Gastronomen kommt noch einiges zu an Investitionen. „Die ersten 30.000 Euro sind schon ausgegeben“, sagt Miro Ilic. Allein die Kaffeemaschine in Neongelb und mit allem Pipapo hat 20.000 Euro gekostet. „Das wird ein richtiger Hingucker und die Basis für ein Café. Die Leute kommen nur wieder, wenn die Qualität stimmt.“ Insgesamt rechnet er mit Kosten in Höhe von 80.000 Euro vor dem Start. Dieses Mal laufen die Investitionen komplett über einen Bankkredit. „Das Ersparte will ich als Puffer für unerwartete Situationen in der Rückhand haben.“

Trotz Gastro-Krise: Warum ein Hamburger jetzt ein neues Café plant

In dem Rohbau ist schon die Abmessung für den Tresen mit Kreppband auf dem Boden markiert, genau wie die Platzierung von Tischen und Stühlen. 36 Plätze lassen sich drinnen unterbringen, dazu etwa 20 draußen. Etwa 1000 Euro Umsatz an sechs Tagen in der Woche muss der Gastronom mit dem Café erwirtschaften, damit seine Rechnung aufgeht.

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Einfach wird das nicht, schließlich gibt es zahlreiche Cafés in der Umgebung. Warum macht er das? „Es ist, als ob ich einen Hunger stillen muss. Ich muss mir selbst beweisen, dass ich es kann“, sagt Miro Ilic und lacht. Wenn alles läuft wie geplant, soll das Vierundvierzig QM Ottensen am 28. Juni öffnen.