Elmshorn/Hamburg. Friederike Driftmann (32) steht jetzt an der Spitze des Elmshorner Unternehmens. Was sie ändern will. Das große Interview.

Zum Gespräch mit dem Abendblatt bittet Friederike Driftmann an einen besonderen Ort: Mitten auf dem Firmengelände des Haferflockenherstellers Peter Kölln in Elmshorn gibt es einen schönen, etwas verwunschenen Garten. In der historischen Villa daneben ist die Kölln-Erbin und neue Vorsitzende der Geschäftsleitung teilweise aufgewachsen und hat auch als Studentin dort gewohnt. „Das war früher mein Schaukelgestell“, sagt die 32-Jährige und setzt sich in den Korb, der jetzt dort hängt.

Auf den Generationswechsel hat sich die promovierte Juristin, die als erste Frau in dieser Position das Ruder in dem mehr als 200 Jahre alten Familienunternehmen übernommen hat, mit Stationen bei Iglo, Katjes und zuletzt bei der Beratungsfirma Boston Consulting Group vorbereitet. Jetzt führt sie Peter Kölln nach ihrem 2016 verstorbenen Vater Hans Heinrich Driftmann in siebter Generation – und macht den Schritt von der Erbin zur Unternehmerin. Wie sie die Traditionsfirma im Geschäftsführungsteam mit Manfred Vondran und Björn Schulz fit für die Zukunft machen will, verrät sie im Abendblatt-Interview.

Hamburger Abendblatt: Frau Driftmann, entschieden ist schon seit einigen Jahren, dass Sie die Nachfolge an der Firmenspitze von Peter Kölln übernehmen. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt?

Friederike Driftmann: Peter Kölln steht an einer entscheidenden Stelle der Ausrichtung. Ich habe schon in den vergangenen zwei Jahren an vielen Entscheidungen mitgewirkt. Zu nennen ist zum Beispiel unser Grundsatz, den wir im letzten Jahr gemeinsam im Team entwickelt haben: „Du stärkst die Welt – und wir stärken dich.“ Ich war auch bei unseren Zukunftskonferenzen beteiligt, habe einige Marketing- und Produktprojekte betreut. Alles neben meinen bisherigen Jobs. Jetzt war für mich klar, dass alle an Deck gebraucht werden und da wollte ich dabei sein.

Die Pläne der Kölln-Erbin: Neue Produkte, neue Firmenkultur

Sie lösen in der Position als Vorsitzende der Unternehmensleitung Manfred Vondran ab, der erst 2022 zu Kölln gekommen ist. Kommt Ihr Einstieg früher als geplant?

Mein natürlicher Vorgänger ist für mich immer mein Vater als geschäftsführender Gesellschafter gewesen. Klar ist für mich auch, dass ich in einer Geschäftsführung mit Familienmitgliedern und Managern arbeiten möchte. Den konkreten Zeitpunkt meines Einstiegs habe ich mir immer offengehalten. Das war wichtig, denn ich wollte möglichst viele Erfahrungen außerhalb sammeln. Gleichzeitig geht es mir darum, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen. Aber das sehe ich als Teamaufgabe und werde gemeinsam mit Manfred Vondran und Björn Schulz die anstehenden Aufgaben bewältigen.

Sie sind 32 Jahre alt? Wie fühlt es sich an, Chefin eines Traditionsunternehmens mit 360 Beschäftigten zu sein?

Ich habe Lust auf Verantwortung. Es gibt einen Unterschied zwischen Beruf und Berufung. Das ist mein Leben hier und das ist meine Berufung.

Kölln-Erbin: Intensiv auf Einstieg ins Unternehmen vorbereitet

Keine schlaflosen Nächte?

Ich denke, dass ich mich gewissenhaft und ordentlich vorbereitet habe und für die Aufgabe gewappnet bin. Natürlich bin ich nicht fertig, lasse mir Räume für meine Entwicklung. Und ich bin ja auch nicht allein.

Blick auf das Werksgelände des Unternehmens Peter Kölln in Elmshorn, wo seit mehr als 200 Jahren Hafer verarbeitet wird.
Blick auf das Werksgelände des Unternehmens Peter Kölln in Elmshorn, wo seit mehr als 200 Jahren Hafer verarbeitet wird. © Peter Kölln GmbH&Co KGaA | Peter Kölln GmbH&Co KGaA

Wie reagieren die Beschäftigten?

Ich habe viel Zuspruch bekommen. Besonders schön war eine Begegnung bei unserer letzten Weihnachtsfeier, noch vor der Ankündigung meines Einstiegs. Ich kam von einem Termin im Rahmen meines bisherigen Beratungsjobs etwas später dazu. Ein Mitarbeiter hat mich angesprochen und gesagt: „Warum arbeitest du noch für andere und bist nicht bei uns?“ Das hat mich sehr berührt und etwas ausgelöst.

Er hat Sie geduzt?

Ja, wir haben seit im Unternehmen eine Duz-Kultur eingeführt. Ich bin überzeugt, dass man sich duzen und trotzdem professionell miteinander umgehen kann.

Kulturwandel bei Kölln: Hoodie statt Jackett

Es fällt auf, dass Sie auf Fotos häufig in Jeans und Hoodie und nicht – wie jetzt – im Hosenanzug zu sehen sind. Steht das für ihre Zukunftsstrategie im Traditionsunternehmen Peter Kölln?

Man muss unterscheiden zwischen Werten und Konventionen. Unsere Werte, die wir seit 200 Jahren haben, trägt man weiter. Konventionen kann man abschaffen und anpassen. Wie zum Beispiel den Dresscode, der sich bei uns schon vor Längerem geändert hat. Ich komme gern und häufig in Jeans und Turnschuhen zur Arbeit.

Was sind die entscheidenden Werte für das Unternehmen Peter Kölln?

Kollegiale Zusammenarbeit und Unternehmertum. Egal, ob wir einen Auszubildenden suchen oder jemand für eine Position in der Geschäftsführung: Wir wünschen uns Menschen mit unternehmerischer Denke und dem Herz auf dem richtigen Fleck. Weitere Werte sind Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit.

Kölln-Chefin: Vater und Großvater sind ihre Vorbilder

Was wollen Sie anders machen als Ihre Vorgänger?

Mein Vater und mein Großvater sind meine Vorbilder. Ich orientiere mich an beiden, obwohl sie charakterlich unterschiedliche Schwerpunkte hatten. Mein Großvater war sehr detailverliebt, hat sich um Produktion und Produktentwicklung gekümmert. Er war der Erfinder des „Schokomüslis“. Mein Vater war Netzwerker und hat sich um den Aufbau der Organisation gekümmert. Ich sehe von beiden viel in mir und vereine es: Ich bin gut darin, an Details zu arbeiten, und gleichzeitig möchte ich Menschen durch entsprechende Führung stärken.

Wie soll die Zusammenarbeit in der dreiköpfigen Führungsspitze laufen? Behalten Sie sich das Veto-Recht vor?

Wir haben eine gemeinsame Auffassung, wie sich das Unternehmen strategisch ausrichten muss. Wir teilen uns fachlich auf, aber wir entscheiden gemeinsam. Für mich, als Mensch aus der Familie, ist es wichtig, im Team zu denken.

Welche großen Projekte stehen für das Unternehmen an?

Wir positionieren die Marke Peter Kölln neu. Unter anderem haben wir eine Studie in Auftrag gegeben, um die Erwartungen der nächsten Generation an ihre Ernährung besser zu verstehen. Authentizität spielt dabei eine entscheidende Rolle, gepaart mit einem nachvollziehbaren Nachhaltigkeitsanspruch und einer klaren Haltung. Mit unserer mehr als 200-jährigen Tradition bedienen wir das schon jetzt, wollen es aber weiterentwickeln. Außerdem schauen wir uns Wachstumsfelder und neue Produktkategorien an, jenseits von Frühstücksflocken. Und wir wollen internationaler werden. Es gibt schon eine Niederlassung in Spanien. In diesem Jahr starten wir in Italien durch und schauen uns weitere internationale Märkte mit Potenzial an. Das ist spannend, denn dort sind wir als Marke noch nicht bekannt und können neu und wild auftreten.

Kess und neu: Kölln-Haferflocken sollen auch in im Ausland punkten

Haferflocken und wild? Wie passt das zusammen?

Der Markt für Frühstücksflocken ist dominiert von großen Unternehmen, wie Kellogg‘s und Quaker Oats. Wir als kleines mittelständisches Unternehmen haben die Chance, mit unserem Fokus auf Hafer und mit kesser Ansprache, wie wir es in Spanien schon machen, Käufer zu gewinnen, die etwas Neues und Gesünderes von uns bekommen. Bei uns ist der Hafer- und der Vollkornanteil höher und der Zuckeranteil niedriger. Auch die Gen Z will Genuss, aber Genuss mit Verantwortung.

Aber ist sie auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben?

Natürlich befinden wir uns im Wettbewerb mit Handelsmarken und Start-ups. Dennoch: Für besonders geliebte Marken, die authentisch und ehrlich sind, ist die junge Generation durchaus bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Ich habe schon vor vielen Jahren die Chance gesehen, dass Kölln mehr ist als ein funktionales Produkt. Wir wissen, dass für viele Menschen eine qualitativ hochwertige Ernährung zum Lifestyle gehört und wollen Kölln zu einer Sinnmarke weiterentwickeln.

Kölln mit zehn neuen Produkten in diesem Jahr

Welche Produktinnovationen können die Kunden jetzt erwarten?

Seit diesem Frühjahr sind unsere beiden Haferdrinks auf dem Markt, ohne Zusatzstoffe und ohne Zucker. Im Juni kommt ein veganes Joghurt-Müsli mit Mango-Maracuja und einer Joghurtalternative auf Haferbasis. Insgesamt haben wir dieses Jahr bereits zehn neue Produkte gelauncht. Wir arbeiten auch an etwas Neuem auf Haferbasis jenseits von Cerealien. Mehr will ich dazu noch nicht verraten, aber voraussichtlich noch in diesem Jahr kann ich mehr sagen.

Eine Geschäftsführung wird immer auch an Zahlen gemessen. Welche Wachstumspläne haben Sie?

Zahlen sind wichtig, aber wie mein Vater immer gesagt hat: „Wir denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen.“ 2022 haben wir unseren Umsatz um zwölf Millionen Euro auf 157 Millionen Euro gesteigert. Für 2023 sind die Zahlen noch nicht veröffentlicht. Klar ist: Wir wollen bei Haferflocken, Müsli und Porridge Marktführer bleiben und neue Kategorien ausbauen. Dazu kommt das Auslandsgeschäft.

Kölln-Haferflocken: Erstmals Frau an der Firmenspitze

In Familienunternehmen stehen selten Frauen an der Spitze. Ändert sich das gerade?

Es gibt ein Umdenken, auch wenn es nur schwach steigende Zahlen sind. Aber es gibt eine Menge toller junger Frauen aus meiner Generation, die in Familienunternehmen eingestiegen sind. Zum Beispiel Alicia Lindner von der Kosmetikfirma Annemarie Börlind oder Anna Weber von BabyOne. Das sind Vorbilder und Rollenmodelle, und ich freue mich, wenn ich mit ihnen im Austausch bin.

Aktuell geht es in der öffentlichen Debatte viel um die sogenannte Work-Life-Balance, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Können Sie sich vorstellen, bei Peter Kölln eine Vier-Tage-Woche einzuführen?

Ich gucke mir im Moment alles an. Dabei geht es auch darum, wie wir uns als Arbeitgeber modernisieren wollen. Dazu sind wir im Austausch mit dem Betriebsrat.

Hand aufs Herz: Haben Sie sich in den vergangenen Jahren mal einen anderen Lebensweg gewünscht?

Nein! Ich habe an jeder Stelle in meinem beruflichen Leben mit Herzblut und Interesse gearbeitet und ich wusste auch, warum ich das mache. Für mich war immer klar, bei Peter Kölln ist mein Zuhause und meine Berufung. Deshalb bin ich hier genau richtig.

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  • Wie sieht ihr Alltag aus?

    Mein Arbeitstag fängt um acht Uhr an. Es gibt viele Termine und Abstimmungsrunden. Ich leite die Teams Marketing, Vertrieb, Personal und Nachhaltigkeit, dazu kommen die Geschäftsführungsrunden. Außerdem ist es mir wichtig, mir abends Zeit zu nehmen und mir einzelne Themen genau anzuschauen. Das heißt, in die Zahlen einzusteigen, Entscheidungsvorlagen zu entwerfen und Strategievorlagen vorzubereiten. Das ist das, was mir besonders Spaß macht.

    Kölln-Erbin: Für diesen Fußballclub schlägt ihr Herz

    Und wie finden Sie einen Ausgleich?

    Ich habe einmal in der Woche einen festen Sporttermin, und am Wochenende mache ich auch Sport. Ich laufe gern. Wenn es zeitlich klappt, mache ich meine Mittagspause auch gern mal bei Jim Coffee. Da habe ich schon als Schülerin meine Freistunden verbracht, und es ist mein absoluter Lieblings-Coffeeshop in Elmshorn.

    Apropos Sport: Welcher Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga freut sie mehr: FC St. Pauli oder Holstein Kiel?

    Holstein Kiel. Ich bin im Herzen Holsteinerin.