Hamburg. Die Betreiber des Hafens in Singapur haben rechtliche Bedenken, schicken Anwälte zur EU-Kommission. Kann das Geschäft noch platzen?
Eigentlich soll der Teilverkauf der HHLA an MSC das Glanzstück in der Hafenpolitik des aktuellen Senats werden: Eine strategische Partnerschaft mit einem Weltmarktführer in der Handelsschifffahrt, durch die es gelingt, den schwächelnden Hamburger Hafen endlich wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Tatsächlich gibt es aber immer stärkeren Widerstand gegen die Transaktion, die vor einem halben Jahr zwischen dem Hamburger Senat und der Schweizer Reederei mit einem Memorandum of Understanding beschlossen wurde. Und der Druck auf den Senat wächst.
HHLA-Teilverkauf im Hamburger Hafen: Jetzt gibt es auch Gegenwind aus Asien
Erstmals hat nun ein internationaler Konzern bei der EU-Kommission in Brüssel seine Bedenken gegen den geplanten MSC-Deal zum Ausdruck gebracht. Dabei handelt es sich um die Port of Singapore Authority (PSA), einen der Marktführer unter den Hafenbetreibern weltweit. Das bestätigte dem Abendblatt eine Person, die mit dem Vorgang vertraut ist.
Demnach haben Anwälte im Auftrag des Konzerns ein Gespräch mit Vertretern der Generaldirektion Wettbewerb bei der Europäischen Kommission geführt, bei dem sie die Bedenken des Unternehmens vorbrachten. PSA ist ein direkter Konkurrent der HHLA. Das Unternehmen betreibt Umschlagterminals nicht nur Asien, sondern in Europa in Antwerpen, Seebrügge, Genua, Venedig und Danzig.
Wettbewerbsrechtliche Vorbehalte gegen MSC-Einstieg
Dem Vernehmen nach hat PSA wettbewerbsrechtliche Vorbehalte gegen die Transaktion. Wie das Abendblatt exklusiv berichtete, haben auch der hafenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, und ein HHLA-Aktionär wegen des geplanten Einstiegs der Schweizer Reederei beim Hafenlogistiker HHLA Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt.
„Staatsvermögen darf nicht unter Wert verkauft werden“, begründete Wiese seinen Schritt. Es habe von Anfang an im Raum gestanden, dass die HHLA unter Wert verkauft werde: „Geheimverhandlungen, keine Ausschreibung, keine Bewertung nach anerkannten Grundsätzen der Wirtschaftsprüfer, unabhängige Experten durften die Vertragsunterlagen nicht einsehen“, sagte er dem Abendblatt.
Kritik am Kaufpreis des HHLA-Anteils
Die Stadt und das der italienischen Reederfamilie Aponte gehörende Unternehmen MSC wollen die HHLA künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen, bei dem die Stadt dann noch eine knappe Mehrheit von 50,1 Prozent hält. Bislang gehören der Stadt rund 70 Prozent der börsennotierten HHLA.
Zwischen der Stadt und MSC ist ein Preis von 16,75 Euro pro Aktie vereinbart worden. „Die Bewertung der Aktien erfolgte dabei ausschließlich orientiert am Aktienkurs der letzten drei Monate zuzüglich einer Übernahmeprämie, die zwischen dem Senat und MSC direkt ausgehandelt wurde“, heißt es gleichlautend in den Beschwerden von Wiese und dem Privatanleger.
EU prüft Beschwerden gegen MSC-Deal
Die EU-Kommission ist vor allem durch die Beschwerden und die Einwände von PSA auf den Deal aufmerksam geworden und prüft jetzt, ob ein formales Beihilfeverfahren eingeleitet werden soll. Die Beihilfeproblematik soll auch in der vergangenen Woche Thema bei einem Krisentreffen zwischen dem MSC-Chef Sören Toft und Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard sowie Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) gewesen sein.
Ausgebremst werden könnten förmliche Untersuchungen des MSC-Deals durch die Europäische Kommission wegen der bevorstehenden Europawahl Anfang Juni. Spätestens dann ist die Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager nur noch kommissarisch bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt. Es ist nicht damit zu rechnen, dass sie in diesem Zeitraum ein formales Beihilfeverfahren einleitet.
EU könnte MSC-Deal zu Fall bringen
Selbst wenn sich die neue EU-Kommission rasch konstituiert, wird der MSC-Deal frühestens im Frühjahr kommenden Jahres wieder auf die Tagesordnung kommen. Für den Hamburger Senat dürfte diese Verzögerung Segen und Fluch zugleich sein. Segen, weil die parlamentarische Entscheidung über den Deal in der Bürgerschaft ohne Störfeuer aus Brüssel über die Bühne gehen könnte.
„Stellt die EU aber nachträglich fest, dass die Beihilfe rechtswidrig gewährt wurde, ist der Deal mit MSC nichtig“, sagt der CDU-Hafenexperte und Jurist Götz Wiese. Er verweist dazu auf das europäische Beihilferecht. Da ein mögliches formales Beihilfeverfahren durch die EU wie ein Damoklesschwert über dem Deal hängt, gerät auch ein zweiter Teil des geplanten Deals in Gefahr: nämlich der Rückzug der HHLA von der Börse.
Bundeswirtschaftsministerium ist eingeschaltet
Bekanntlich wollen die beiden Partner in diesem zweiten Schritt die HHLA aus dem Handel nehmen und die verbliebenen Aktionäre auch gegen deren Willen zur Übertragung ihrer Aktien zwingen, „Squeeze-out“ genannt. Das dürfte ohne eine formelle Freigabe durch die EU nicht gestattet sein, vermuten Gegner der Transaktion.
Unterdessen wird der MSC-Deal auch in Berlin kritisch beäugt. Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse will von der Bundesregierung wissen, wie sie die geplante Transaktion bewertet und hat einen Fragenkatalog dazu ans Bundeswirtschaftsministerium versendet.
Erneute Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss
Unter anderem fragt Kruse, ob die Bundesregierung vom Hamburger Senat in den Verkaufsprozess einbezogen worden ist, ob sie ihrerseits eine Überprüfung einleiten wird und wie sie die bei der EU-Kommission eingegangenen Beschwerden wegen eines Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht beurteilt.
Auch im parlamentarischen Verfahren in Hamburg hat die Opposition weitere Hürden aufgebaut. So wird sich der Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft erneut am 28. Mai mit MSC befassen. Dabei soll es zu einer erneuten Expertenanhörung kommen, was im parlamentarischen Verfahren höchst ungewöhnlich ist. Hintergrund ist, dass der Senat den Abgeordneten und Experten weitere Daten zugänglich machen will, die er bisher unter Verschluss gehalten hat.
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„Unserem Aktenvorlageersuchen ist noch nicht nachgekommen“, sagt Wiese. Die Korrespondenz des Senats mit den Beratern des Deals fehlt ebenso wie Schriftwechsel mit beteiligten Behörden. „Hier darf nicht gemauert werden.“ Wiese will seinen Forderungen in einem Schreiben an die Senatoren Leonhard und Dressel Nachdruck verleihen. Noch ist der Deal nicht durch.