Hamburg. Buildlinx will Verbrauch von Energie und CO2 in Gebäuden mit neuem Steuerungssystem senken. Projekt in Hamburger Schule gestartet.
So was hat wohl so ziemlich jeder schon mal erlebt: Im Sommer läuft die Heizung im Büro auf Höchsttemperatur und lässt sich nicht abstellen. Beim Museumsbesuch kühlt die Klimaanlage so weit runter, dass man die Kunstwerke am liebsten im Wintermantel betrachten würde. Und in der Wartezone des Bezirksamts ist die Luft spätestens mittags zum Schneiden, weil die Lüftung mal wieder hakt.
Abgesehen davon, dass solche Zustände ziemlich nerven: sie kosten auch unnötig Energie und schaden dem Klima. Wenn es nach Fabian Weindel (28) und Ake Roth (37) geht, könnte sich das in Zukunft schon bald ändern. Mit ihrem Start-up Buildlinx entwickeln die Hamburger eine innovative Software, mit der alle technischen Systeme von Gebäuden verbunden und gesteuert werden. „Praktisch wie ein Betriebssystem“, sagt Fabian Weindel. Man könnte auch sagen, eine Art Windows für Immobilien. Erster Kooperationspartner ist Schulbau Hamburg.
„Hohes Einsparpotenzial“: Hamburger entwickeln Software für Häuser
Fast 30 Prozent aller CO2-Emissionen entstehen laut einer UN-Studie durch den Betrieb von Gebäuden. „Es ist einer der größten Bereiche, in dem Energieverbrauch und Umweltbelastung reduziert werden könnten. Aber er findet kaum Beachtung“, sagt Ake Roth. Das liegt auch daran, dass es um sehr komplexe Systeme geht.
Heizungskreisläufe, Warmwasseraufbereitung, Lüftungssysteme, Klimatechnik sind in jedem Gebäude anders – und teilweise hoffnungslos veraltet. Erneuert wird zumeist erst dann etwas, wenn es nicht mehr funktioniert. Genau da setzen die Gründer an: „Mit unserer Software können wir die unterschiedlichen Komponenten der Gebäudetechnik verbinden und den Betrieb optimieren.“ Und zwar nicht nur für den aktuellen Zeitpunkt, sondern über Updates auch nach den Erfordernissen und Forschungsstand der Zukunft.
Pilotprojekt zum Energiesparen in Hamburger Schule
Hört sich kompliziert an? Ist es auch. „Man kann sich Buildlinx vorstellen wie den Dirigenten eines Orchesters“, wählt Gründer Fabian Weindel einen griffigen Vergleich. „So wie dieser den Einsatz der einzelnen Instrumente anzeigt, steuert unsere Software Heizkreislauf, Pumpen, Ventile, Thermostate und was es sonst noch alles dazugehört.“ Während das Ergebnis im Konzert harmonischer Klang ist, ist es bei Buildlinx die effiziente Steuerung der Haustechnik. Dabei beziehen die Entwickler unterschiedliche Komponenten wie Raumanforderungen, Wochentage oder Wetter ein.
Buildlinx gibt es seit Ende 2022. So richtig gestartet war das Unternehmer-Duo Mitte vergangenen Jahres. Dabei ist die Idee einer Software für Gebäude schon vorher entstanden. Kontaktpunkt der späteren Geschäftspartner war – wen wundert‘s – ein Gebäude. Weindels Vater, Hochschulprofessor mit Schwerpunkt technisches Gebäudemanagement, hatte vor Jahren in Bergedorf ein innovatives Passivhaus gebaut, in dem Ake Roth mit seiner Familie als Mieter einzog.
Anschubfinanzierung von der Hamburger Förderbank
Als Fabian Weindel nach einem familiären Schicksalsschlag sein Leben neu ordnete, beschlossen der Betriebswirt und der Software-Entwickler, die Idee zu einem Geschäftsmodell zu machen. Die Anschubfinanzierung kam von der Hamburgischen Investitions- und Förderbank. „Das Interesse war von Anfang an groß“, sagt Weindel, der als Geschäftsführer den kaufmännischen Bereich verantwortet. Ake Roth, der seinen gut dotierten Job bei einer Software-Firma gekündigt hat, ist Chef des Entwicklungsteams.
Inzwischen hat Buildlinx 17 Beschäftige, darunter sind Informatiker, aber auch Physiker, Ingenieure und ein Professor für Automatisierung und Regelungstechnik. Aktuell werden weitere Fachkräfte gesucht.
Heizungen, Pumpen und Ventil – per Software optimal gesteuert
Erst Anfang des Jahres war das Start-up in ein Bürogebäude am Steindamm gezogen, das zuvor von der Hochschule für Angewandete Wissenschaften (HAW) genutzt worden war. Es gibt zahlreiche Arbeitsplätze für IT-Spezialisten, aber auch eine große Werkstatt. Dort bauen Mitarbeiter an diesem Tag an einer Testanlage, mit der die optimale Software-Steuerung von Heizkörpern ausprobiert werden soll. In einem anderen Raum steht ein Demonstrationsstand mit zwei Heizkreisläufen, der für Probeläufe der Computersoftware genutzt wird.
Vor etwa einem Monat hat das Team im Rahmen der Zusammenarbeit mit Schulbau Hamburg das erste Pilotprojekt in einer Hamburger Schule gestartet. „Unser Ziel ist ein optimal betriebenes Gebäude.“ Inzwischen ist die Steuerungssoftware installiert. „Dadurch haben wir einige Fehler im System erkannt und konnten sie beheben“, sagt Ake Roth.
Energie sparen mit neuer Software: Temperatur in Klassenräumen soll zentral geregelt werden
Nach und nach sollen weitere Schwachstellen ausgemerzt werden. Auch Temperaturabsenkungen in den Klassenräumen in der Nacht und am Wochenende sollen künftig zentral geregelt werden. Zahlen über Einsparungen bei Energieverbrauch und CO2-Emissionen wollen die Buildlinx-Gründer nicht preisgeben, bevor diese nicht durch längere Zeitläufe wissenschaftlich abgesichert sind. Klar ist aber, dass sie mit sichtbaren Erfolgen rechnen. Weitere Schulen sollen folgen.
„Wir können nicht die Physik überlisten, aber vieles besser machen“, sagt Ake Roth. Dabei setzen die Entwickler auch darauf, dass in den nächsten Jahren in vielen Gebäuden im Rahmen von Sanierungen, die „Hardware“ ausgetauscht wird. Damit lassen sich auch bessere Steuerungsziele erreichen.
Viele Interessenten aus der Immobilienwirtschaft
Inzwischen hat sich auch bei anderen öffentlichen und privaten Unternehmen herumgesprochen, woran Weindel und Roth tüfteln. „Die Schlange der Interessenten ist lang“, sagt Betriebswirt Weindel. Aber im Moment nehmen sie keine weiteren Kunden an. „Wir wollen ein technisch ausgereiftes Produkt anbieten, das sich einfach skalieren lässt und selbst lernt.“
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Auch über den Preis für ihre Software haben sich die Jungunternehmer bereits Gedanken gemacht. „Wir experimentieren mit unterschiedlichen Preismodellen. Das ist bei jedem Kunden anders“, sagt Fabian Weindel. Inzwischen verdienen sie das erste Geld. Über die Zukunft sagen sie: „Die Kosten für die Buildlinx sollen niedriger sein als das Einsparpotenzial.“
Gutes Geschäft auch für die Kunden
Davon, dass es für die Kunden ein gutes Geschäft ist, sind die Gründer überzeugt. Auch das in die Jahre gekommene Bürogebäude, in das sie selbst gerade eingezogen sind, wäre ein passendes Projekt. „Wir würden gern alles optimieren, was wir optimieren können“, sagt Fabian Weindel.