Riga. Wirtschaftssenatorin Leonhard besucht das Baltikum, informiert sich über ein großes Bahnprojekt und verschenkt ein Buddelschiff.
Lettland wird zum Hamburger Hafengeburtstag mit einer großen Delegation anreisen. Das kündigte der lettische Wirtschaftsminister, Viktors Valainis, im Gespräch mit Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) an. Neben ihm selbst werde unter anderem auch der Verkehrsminister Lettlands zu den Feierlichkeiten kommen. Lettland ist Partnerland des diesjährigen 835. Hafengeburtstags. „Wir wollen die Beziehungen mit Hamburg vertiefen“, sagte Valainis.
Leonhard reist derzeit mit einer großen Delegation durchs Baltikum. Neben politischen Gesprächen in der lettischen Hauptstadt Riga und in Estlands Hauptstadt Tallinn stehen viele Firmenbesuche auf dem Programm.
Hafengeburtstag: Hamburg vertieft Partnerschaft mit Lettland
Im Austausch zwischen Valainis und der deutschen Delegation wurde deutlich, dass auch Lettland sich geopolitisch neu orientiert. Der Handel mit Russland fällt weg. Vor allem bei der Energiebeschaffung setzt das Land zunehmend auf eigene Erzeugung und baut deshalb die Wind- und Solarenergie aus.
Im Hafen von Riga ist der Russlandhandel zum Erliegen gekommen. Stattdessen ist auf einer Fläche von 177 Hektar ein neues Solarkraftwerk mit einer Leistung von 100 Megawatt gebaut worden. Langfristig, so die Hoffnung von Valainis, werde Lettland zum Exporteur erneuerbarer Energien.
Das Baltikum gewinnt an Bedeutung für Hamburg
Vom schicken Ministerbüro in Rigas Altstadt ging es für die Delegation in den Schlamm: Die Hamburger wurden mit Sicherheitsschuhen, Warnwesten und Helmen ausgestattet und besuchten ein riesiges Baufeld mitten in der Stadt: Hier entsteht ein neuer Hauptbahnhof – gebaut von der Deutschen Bahn.
Er wird Knotenpunkt einer neuen Schienenanbindung des Baltikums an Westeuropa. „Rail Baltica“ heißt das Projekt, das die baltischen Ostseehäfen enger mit dem europäischen Hinterland verbinden soll.
Mit dem Schnellzug aus dem Baltikum nach Deutschland
Dabei geht es um den Bau einer 870 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsstrecke, auf der Züge mit einem Tempo von 250 Kilometern in der Stunde von 2027 an Berlin, Kaunas, Riga und Tallinn miteinander verbinden werden. Bis 2030 soll dann auch der Lückenschluss nach Warschau vollzogen sein.
Dabei wird auch hier die neue geopolitische Ausrichtung der baltischen Staaten deutlich: Die Strecke wird in der in Westeuropa üblichen Normalspurweite von 1435 Millimetern entwickelt, nicht wie in den baltischen Staaten üblich in alter russischer Breitspur von 1524 Millimetern. Das internationale Projekt soll nicht nur für den Personenverkehr, sondern vor allem für den Gütertransport erhebliche Zeitersparnisse bringen.
14 neue Umschlagplätze entstehen
Was das Projekt im Einzelnen bedeutet, erläuterte Gusts Asmanis, Direktor des Infrastrukturmanagements, der Senatorin: Sieben große Bahnhöfe für Passagiere entstehen, 14 Frachtumschlagplätze, drei Tunnel müssen gebohrt werden, und 400 Brückenbauwerke werden errichtet. Dann ging es treppauf, treppab durch das Gleisbett des künftig größten Bahnhofs im Baltikum.
Die EU unterstützt das Projekt im Rahmen des CEF-Programms. 6,6 Milliarden Euro wird Rail Baltica verschlingen. Der Bau des Rail Baltica Central Hub in Riga hat im November 2020 begonnen. Die öffentliche Ausschreibung für den Bau des Terminals Ülemiste in Tallinn fand im Sommer 2021 statt. Zwar fehlt noch für einige Teilstrecken das Geld, aber gebaut wird schon. Zahlreiche deutsche Unternehmen sind an dem Projekt mit Aufträgen beteiligt. Es stehen weitere Ausschreibungen an, die nicht zuletzt für deutsche Schienenbauer und Zulieferer interessant sind.
Für die HHLA ist das Baltikum bedeutend
Die Wirtschaft im Baltikum wartet auf die Vollendung. „Rail Baltica ist nicht nur notwendig, sondern eine Verpflichtung“, sagte Asmanis. Im Gespräch mit dem Abendblatt verdeutlichte er die Bedeutung der Hochgeschwindigkeitsstrecke. Heute dauere es mehrere Tage, um einen Frachtcontainer von Riga nach Berlin zu transportieren. „Künftig sechs Stunden.“
Ein Unternehmen, das auf die schnelle Fertigstellung setzt, ist Hamburgs Hafenkonzern HHLA. Er hat 2018 ein großes Terminal im Hafen von Tallinn übernommen. „Nicht zuletzt war die Rail Baltica ein Grund für unsere Entscheidung, den Hafen in Tallinn zu kaufen“, sagte Philip Sweens, Chef des Geschäftsbereichs International bei der HHLA.
Senatorin Leonhard verschenkt ein Buddelschiff
Nach Ende der Besichtigungstour besuchte die Delegation schließlich die Freeport Authority des Hafens von Riga. Dort begrüßte der Chef des Hafenmanagements, Ansis Zeltins, die Besucher mit einem Gastgeschenk: einem Bild des ersten alten Leuchtturms des Hafens. Leonhard war natürlich darauf vorbereitet und revanchierte sich mit einem Buddelschiff. Ganz im Hamburger Stil handelt es sich um ein Modell der „Rickmer Rickmers“. Besonders herzlich begrüßte Zeltins den Chef der Hamburg Port Authority (HPA). Man kennt sich. Und zwar nicht erst, seit Jens Meier Präsident des Verbands aller Häfen weltweit ist.
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Dabei kann sich der Hafen von Riga mit dem Pendant in Hamburg nicht messen: Es handelt sich um einen kleinen Flusshafen an der Düna, hinter dem Meerbusen. Mehr Bedeutung haben für deutsche Unternehmen die lettischen Häfen von Ventspils und Liepaja. Letzterer ist beispielsweise für die Lübecker Hafengesellschaft wichtig. „Wir haben einen regelmäßigen Dienst dorthin“, sagte deren Chef, Sebastian Jürgens, der ebenfalls die Delegation begleitet.
Am Nachmittag bekam Senatorin Leonhard dann noch eine Besonderheit beim Besuch der Technischen Universität zu sehen: einen Roboter, der Windkraftanlagen wartet und repariert sowie Menschen gefährliche Tätigkeiten in großen Höhen abnimmt. Mit Greifern hält sich der Roboter am Turm der Windkraftanlage fest, während er die Arbeiten ausführt. Kameras übertragen die Vorgänge. Gelenkt wird das Gerät vom Boden aus.
Am Mittwochabend wollte die Delegation per Flugzeug nach Tallinn weiterreisen.