Hamburg. Senat entscheidet sich für Abriss und Neubau des Wahrzeichens. Aber die Unternehmen wollen nicht fast 20 Jahre lang darauf warten.
Am Dienstagvormittag war es nun endlich so weit: Nach Jahren der Diskussion und einem spektakulären Kursschwenk weg von der lange favorisierten Tunnellösung hat der Hamburger Senat sich für den Bau einer neuen Köhlbrandbrücke ausgesprochen. Die Abstimmung auf Regierungsebene sei wie üblich einstimmig erfolgt, teilte Senatssprecher Marcel Schweitzer auf Abendblatt-Anfrage mit. Demnach dürfte auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne), der die Entscheidung vor einer Woche noch durch kurz vorher eingereichte Fragen aufgehalten hatte, seinen Frieden damit gemacht haben.
In der Wirtschaft wurde die Weichenstellung für eine um 20 Meter höhere Brücke – eine Durchfahrtshöhe von 73,5 Metern soll auch den größten Schiffen der Welt die Zufahrt zu den südlich des Bauwerks liegenden Umschlagsanlagen ermöglichen – zwar mit Erleichterung aufgenommen. Doch die Ankündigung des Senats, dass die Brücke erst 2042 fertig sein soll und die größere Durchfahrtshöhe sogar erst 2046 nach dem Abriss des alten Bauwerks zur Verfügung stehe, sorgte für Kritik – zumal es Zweifel gibt, ob die marode Brücke noch so lange erhalten werden kann.
Neue Köhlbrandbrücke: „Mit der Realisierung muss unverzüglich begonnen werden!“
„Der bauliche Zustand der Brücke erfordert ein umgehendes Handeln und keine endlos langen Diskussionen“, sagte Ulfert Cornelius, Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVH), und forderte: „Mit der Realisierung muss unverzüglich begonnen werden. Analog zu anderen bedeutenden Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland sollte durch die Verabschiedung eines Maßnahmengesetzes ein zeitnaher Ersatz erfolgen.“
Cornelius bedauerte, dass der Senat den lange favorisierten und schon teilweise geplanten Tunnel doch wieder verworfen hat, räumte aber ein, dass die Finanzierbarkeit nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Wie berichtet, soll die neue Brücke 4,4 bis 5,3 Milliarden Euro kosten, während der Tunnel mit 6,0 bis 7,1 Milliarden zu Buche geschlagen hätte. Als weitere Vorteile einer Brücke gegenüber einem Tunnel hatte Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) die deutlich geringeren Emissionen beim Bau sowie die Wirkung auf das Stadtbild angeführt. Auch die neue Brücke solle eine „Ikone der Ingenieurbaukunst“ werden.
Unternehmen wollen neue Köhlbrandbrücke in zehn statt 18 Jahren haben
Für den UVH-Chef sind solche Aspekte eher zweitrangig: „Der Hamburger Hafen braucht eine leistungsfähige Köhlbrandquerung, die den verkehrlichen Anforderungen des größten Hafen- und Gewerbegebiets Deutschlands auch in Zukunft gerecht wird“, forderte Ulfert Cornelius.
Ähnlich ordnete es der Vorsitzende des Industrieverbandes Hamburg, Matthias Boxberger, ein: „Ich begrüße, dass der Senat nun endlich eine Grundsatzentscheidung für den Ersatz der Köhlbrandbrücke getroffen hat. Hoffentlich auch die letzte in der Sache.“ Doch jetzt müsse es „endlich vorangehen“, so Boxberger. „Seit über zehn Jahren plant der Senat bereits einen Ersatzbau für die Köhlbrandbrücke, ohne dass das Projekt konkreter wurde. Lediglich Millionen Euro wurden für Planungs- und Instandhaltungskosten bereits ausgegeben.“
- Neue Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen: So viel soll sie kosten
- Köhlbrandbrücke in Hamburg: „Der Beton hat Krebs, die Brücke ist krank“
- Hamburger Hafen: So hoch muss die neue Köhlbrandbrücke wirklich werden
Die neue Brücke beziehungsweise die höhere Zufahrt erst im Zeitraum 2042 bis 2046 fertigzustellen sei „viel zu unambitioniert“, so der Industrie-Chef, der deutlich mehr Tempo forderte: „Der Senat muss jetzt alles daransetzen, dass das neue Bauwerk möglichst innerhalb der nächsten zehn Jahre errichtet werden kann.“ In der Drucksache des Senats ist zwar auch von „Beschleunigungspotenzialen“ die Rede, allerdings geht es dabei nur um zwei, nicht um acht Jahre: Demnach ist es denkbar, dass die sogenannte Haupthafenroute über die neue Köhlbrandquerung schon 2040 freigegeben wird.
Neue Köhlbrandbrücke: Industrie-Chef kritisiert „Schneckentempo“ beim Bau
„Meine Sorge ist, ob der Senat es überhaupt schafft, die Köhlbrandbrücke bis zur neuen Querung in einem ausreichenden Betrieb zu halten“, sagte Boxberger. „Bereits jetzt gibt es Geschwindigkeitsbegrenzungen, Abstandsgebote und viele Sperrungen. Auch gibt es im Hafen keine leistungsfähige Umleitung.“ Genau darauf hatte auch Leonhard verwiesen und mit dem sich rasch verschlechternden Zustand der heutigen Brücke die Entscheidung für den Neubau begründet. Ihren Angaben zufolge steigen die Unterhaltungskosten von derzeit 3,3 auf 10,7 Millionen Euro im Jahr 2029. Für Boxberger ist das ein Grund mehr, jetzt Tempo zu machen: „Dieses Geld ist sinnvoller in einen schnelleren Neubau zu investieren.“
Er erinnerte daran, dass vor fast 50 Jahren die Köhlbrandbrücke und der neue Elbtunnel im Abstand von nur drei Monaten in Betrieb genommen worden seien, das sei „aktuell leider undenkbar“, so der Industrie-Chef. „Wenn das das neue Deutschland-Tempo sein soll, von dem Bundeskanzler Scholz gesprochen hat, dann bleibt der Senat mit diesem Zeitplan leider im Hamburger-Schnecken-Tempo zurück.“
Spediteure sauer: „Ist der Hamburger Hafen noch im nationalen Interesse?“
Für den Verein Hamburger Spediteure (VHSp) wäre die Köhlbrandbrücke ein Anlass, den Ende 2023 von Bund und Ländern verabschiedeten Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung („Deutschlandtempo“) in die Tat umzusetzen. „Das ist leider ein Trugschluss gewesen“, sagte der Vorsitzende Axel Plaß. Der Zeitplan des Senats belege eindrucksvoll, warum sich die wirtschaftlichen und politischen Probleme in Deutschland häufen.
„Wieder einmal wurde in der Politik über ein Jahrzehnt lang keine Entscheidung getroffen. Stattdessen wurde jahrelang über eine Tunnelvariante diskutiert, die neben einem Containerbeförderungssystem auch noch einen Fahrradweg beinhalten sollte“, so Plaß. „Und jetzt soll es noch einmal fast ein Vierteljahrhundert dauern, bis der Ersatzbau fertig, die alte Brücke abgerissen und das Containerterminal in Altenwerder auch von den größten Containerschiffen angelaufen werden kann.“ In Anbetracht dieser Fakten stellten sich die Spediteure „ernsthaft die Frage, ob der Hamburger Hafen tatsächlich noch im nationalen Interesse Deutschlands liegt“.