Hamburg. Eiche und Linde werden zunehmend von Ginkgo und Amber abgelöst. Baumschulgärtner Bernhard von Ehren zeigt sich alarmiert.

Rund um die Baumschule Lorenz von Ehren ist Mitte März bereits Frühling. Die Vögel zwitschern, allerorten sprießt es, und vor den bodentiefen Fenstern der Firmenzentrale im Stadtteil Marmstorf hoppelt ein Feldhase vorbei. Idylle pur, eigentlich. Doch Bernhard von Ehren betrachtet das auch mit Sorgen. Die Natur sei mal wieder 14 Tage zu früh dran, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Unternehmens. Der Klimawandel schreite viel schneller voran, als die heimische Flora sich anpassen könne – mit weitreichenden Folgen, auch für die wohl bekannteste Baumschule Norddeutschlands.

„Unser Verkaufsranking hat sich angesichts des Klimawandels stark verändert“, sagt der gelernte Baumschulgärtner und Betriebswirt, der das traditionsreiche Unternehmen in der fünften Generation führt. „Während mein Opa und mein Vater vor allem heimische Arten wie Eiche, Linde, Ahorn und Esche verkauft haben, sind heute klimaresiliente Gewächse wie Amberbaum, Zürgelbaum oder Ginkgo stark auf dem Vormarsch – sie machen bei uns schätzungsweise rund 50 Prozent des Baum-Absatzes aus.“

Hamburger Baumschule: Lorenz von Ehren liefert mehr als 200.000 Bäume im Jahr aus

Und dabei geht es um beeindruckende Mengen. Mehr als 200.000 Gehölze in allen Größen, bis hin zu 100 Jahre alten Baumriesen, verkauft das Unternehmen im Jahr. Aufgezogen werden sie auf einer Fläche von 600 Hektar, davon allein 400 im Süden Hamburgs und im angrenzenden Niedersachsen. Die anderen 200 Hektar werden in Bad Zwischenahn bei Oldenburg bewirtschaftet. 180 Festangestellte und 40 bis 50 Saisonkräfte erwirtschaften einen Jahresumsatz von rund 30 Millionen Euro.

Damit ist Lorenz von Ehren, 1865 in Nienstedten gegründet, inzwischen eine der größten Baumschulen Europas, die nicht nur Schaugärten in München, Frankfurt und Düsseldorf unterhält, sondern auch einen internationalen Markt bedient. Selbst nach Kasachstan habe man schon Bäume geliefert, erzählt Bernhard von Ehren. Wie das kam? Ganz einfach, weil es dort keine Baumschulen gebe, aber ebenso Nachfrage nach schönen Stadtbäumen wie in anderen europäischen Metropolen.

Bernhard von Ehren vor dem Fuhrpark auf dem Firmengelände: Auf Anhängern verladen warten stattliche Bäume auf ihre Auslieferung. Mitunter geht es bis nach Kasachstan.
Bernhard von Ehren vor dem Fuhrpark auf dem Firmengelände: Auf Anhängern verladen warten stattliche Bäume auf ihre Auslieferung. Mitunter geht es bis nach Kasachstan. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Selbst tief verwurzelt ist das Unternehmen aber in Hamburg, und daher macht dem Chef das Grün in der Stadt besonders große Sorgen. „In den langen Trockenphasen der Vorjahre sind sogar mitten im schattigen Wald Bäume abgestorben“, sagt von Ehren. „Großstädte wie Hamburg sind eine noch viel größere Herausforderung: Dort gibt es weniger Schatten, weniger Feuchtigkeit, mehr versiegelte, dunkle Flächen, und es ist in der Regel einige Grad wärmer. Daher brauchen wir dort Bäume, die mit diesen Bedingungen klarkommen.“ Die klassische deutsche Eiche zum Beispiel sei dafür nicht mehr geeignet.

Baumschule Hamburg: Trockenheit ist der größte Stressfaktor für unsere Bäume

Der größte Stressfaktor für Bäume sei die zunehmende Trockenheit während der Vegetationsperiode, sagt von Ehren. „Daran sind unsere heimischen Arten nicht gewöhnt. Mit zu viel Regen kommen sie klar, aber wochen- oder gar monatelang ohne Wasser können sie auf Dauer nicht überleben, weil sie die Feuchtigkeit zu schnell verdunsten.“ Klimaresiliente Arten seien hingegen an lange Trockenphasen angepasst und hätten Strategien entwickelt, Wasser zu speichern.

Tipps, welche Bäume wo in Hamburg eine Zukunft haben, gibt der Baumschul-Chef auch regelmäßig Vertretern der Stadt – schließlich muss die allein rund 1500 bis 2500 Straßenbäume im Jahr nachpflanzen. Hinzu kommt Bedarf für Parks, Plätze und Grünanlagen. Auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) waren schon in Marmstorf zu Gast. Dabei wurden auch kritische Punkte angesprochen.

„Unser ,grünes Hamburg‘ ist vor allem ein Erbe aus früheren Zeiten“

„Wir müssen viel stärker als bisher die Anpflanzung von Bäumen und Gehölzen in die Stadtplanung mit einbeziehen“, sagt Bernhard von Ehren im Gespräch mit dem Abendblatt. „Leider wird das oft nur als Kostenfaktor betrachtet, an dem zuerst gespart wird. Unser ,grünes Hamburg‘ ist vor allem ein Erbe aus früheren Zeiten, das vernachlässigt wird. Dabei geht es um Lebensqualität für uns Menschen – nicht umsonst sind die grünen Stadtteile und Straßenzüge mit altem Baumbestand die beliebtesten.“

Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat sich bei Bernhard von Ehren bereits über die Erfahrungen mit dem Klimabaum-Hain informiert.
Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hat sich bei Bernhard von Ehren bereits über die Erfahrungen mit dem Klimabaum-Hain informiert. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Der 51-Jährige weiß, wovon er spricht, denn seine Vorfahren haben fast alle bedeutenden Hamburger Grünanlagen mitgestaltet – vom Jenischpark über Planten un Blomen bis zum Stadtpark. Auch auf dem Rathausmarkt, am Domplatz und in Hagenbecks Tierpark stehen Gehölze aus der berühmten Baumschule. Doch welche Arten werden dort in 20, 40 oder 60 Jahren noch gedeihen?

Lorenz von Ehren: Im Klimabaum-Hain können sich neue Arten bewähren

Die Beschäftigung mit den klimatischen Veränderungen ist für Baumschulen auch eine schiere wirtschaftliche Notwendigkeit. Denn wer jetzt im großen Stil und mit viel Aufwand Eichen oder Linden kultiviert, die in 20 Jahren möglicherweise niemand mehr haben will, hat ein Problem. Bernhard von Ehren hat daher einen „Klimabaum-Hain“ angelegt: Auf einem halben Hektar können mehr als 60 Baumarten – von der Sumpfzypresse bis zum nordamerikanischen Tupelobaum – unter vergleichbaren Bedingungen ihr „Können“ über Jahre unter Beweis stellen. Die sonst übliche „Verschulung“, also das regelmäßige Versetzen der Bäume, findet nicht statt.

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Die Erkenntnisse, die aus solchen und ähnlichen Projekten gewonnen werden, werden in Fachkreisen durchaus kontrovers diskutiert – Stichwort Biodiversität. So hatte der Umweltverband BUND über den bemerkenswert klimaresilienten Ginkgo gelästert, dieser sei ja „wunderschön, aber unter ökologischen Gesichtspunkten kaum besser als ein Plastikbaum“.

Hamburger Baumschule von Ehren: Versandhandel gewinnt an Bedeutung

Bernhard von Ehren kennt diese Debatten natürlich und räumt ein, dass das „eine Frage der Abwägung“ sei: „Der Ginkgo ist ein echter Überlebenskünstler und kommt auch in einer Beton-Umgebung mitten in der Stadt gut zurecht. Wenn man an so einem Standort Grün und Schatten möchte, ist er ideal. Dafür bietet er kaum Lebensraum für Insekten und Vögel.“ Eine ähnliche Diskussion tobt derzeit bundesweit um den Kirschlorbeer, der sich als extrem robuste und immergüne Heckenpflanze bewährt, aber als ökologisch relativ wertlos gilt – in der Schweiz wird seine Anpflanzung daher sogar verboten.

Im Wandel ist auch die Vertriebsseite der Baumschulen. So macht bei Lorenz von Ehren, beziehungsweise dem Partnerbetrieb Garten von Ehren, im Geschäft mit Privatkunden der Versandhandel von kleinen Pflanzen bereits rund ein Drittel des Umsatzes aus. Und dieser Bereich wächst weiter, um rund fünf Prozent pro Jahr. „Wir müssen da mit der Zeit gehen, vor allem die jungen Leute erwarten das“, sagt Bernhard von Ehren. Dennoch hält er die Tradition des Familienbetriebs hoch: „Lorenz von Ehren ist für große, alte Bäume bekannt – und die verkaufen wir nach wie vor analog.“