Hamburg. Sparkassen-Chef Harald Vogelsang über den akuten Fachkräftemangel, deutlich gestiegene Gewinne – und warum er kein Einzelbüro mehr hat.

Das Gespräch mit dem Abendblatt führt Harald Vogelsang noch in seinem Büro im 4. Stock am Großen Burstah. Doch eigentlich ist der Vorstandssprecher der Hamburger Sparkasse (Haspa) schon umgezogen – in die neue Zentrale im Deutschlandhaus am Gänsemarkt. Vogelsang ist einer von insgesamt rund hundert sogenannten First Movern. Sie dürfen sich schon mal „einwohnen“ am Haspa-Hauptsitz der Zukunft. Der große Umzug soll Ende April stattfinden. Das Besondere für den Chef: Wie alle anderen rund 1700 Beschäftigten wird auch er dort kein eigenes Büro mehr haben, sondern – wie es neudeutsch heißt – „auf der Fläche“ arbeiten. In einem der vielen, offen gestalteten „Heimathäfen“.

Vogelsang sucht sich folglich morgens seinen Schreibtisch für den Tag, für Besprechungen geht er in einen der Konferenzräume und führt vertrauliche Telefongespräche in einem der kleinen „Glaskästen“. Und der Chef findet das gut, wie er sagt: „Ich erwarte mir durch dieses offene Konzept – auch für mich – noch mehr Begegnungen mit den Kolleginnen und Kollegen. Man lernt sich so noch besser kennen, lässt sich inspirieren, entwickelt spontan Ideen“. Zudem solle die Führungsebene auch Vorbild sein. Da passe es nicht, wenn der Vorstand seine Einzelbüros behalte.

Haspa wirbt Verkäuferinnen und Hotelpersonal für Filialen in Hamburg ab

Aber das Ende der geschlossenen Büros ist nur ein Baustein eines neuen, modernen Konzepts, für welches das Deutschlandhaus stehen soll. Vogelsang weiß: „Um für Mitarbeiter attraktiv zu werden, müssen Unternehmen etwas bieten. Dazu gehören eben auch innovative Arbeitsplätze in zentraler Lage“. Und die Haspa will attraktiver werden, schließlich sucht sie dringend neues, motiviertes Personal. 4400 Beschäftigte hat das Geldinstitut aktuell. Rund 2500 davon werden die Haspa vor allem aus Altersgründen in den kommenden zehn Jahren verlassen. Die Babyboomer-Generation tritt ab. Um den personellen Aderlass aufzufangen, hat das Institut bereits die Zahl ihrer Auszubildenden von 90 auf 150 erhöht. „Und wir werden hier weiter aufstocken“, sagt Vogelsang.

Doch das wird nicht ausreichen, um das Institut mit rund 100 Filialen mittelfristig am Laufen zu halten. Deshalb geht die Haspa neue Wege, wirbt offensiv Fachkräfte aus anderen Branchen ab. „Wir stellen aktuell viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Hotellerie, Gastronomie und dem Einzelhandel ein.“ Rund 100 vakante Stellen seien mit diesen „Neu-Bankern“ bereits besetzt worden.

Haspa-Beschäftigte ziehen ins Deutschlandhaus

Selbstverständlich übernimmt die Hotelfachfrau, die mehrere Jahre lang im Hotel Gäste an der Rezeption betreut hat, nicht die Aktienberatung in der Haspa-Filiale. Aber die neuen Kollegen stehen durchaus hinter dem Schalter, geben von dort aus Tipps zum Onlinebanking, helfen bei der Wiederbeschaffung der verlorenen EC-Karte, weisen interessierten Neukunden den entsprechenden Berater zu. „Das klappt hervorragend“, sagt Vogelsang. „Weil die neuen Beschäftigten auch in ihrem früheren Beruf bereits sehr serviceorientiert gearbeitet haben.“ Und die Bezahlung? „Wir zahlen selbstverständlich Tarif“, so der Haspa-Chef.

Und den Tarif kann sich die Sparkasse auch leisten. Denn sie wächst wieder. So ist nicht nur das in Krisenzeiten umgesetzte Sparprogramm Vergangenheit. Auch beim Gewinn geht es steil nach oben. Hatte der Vorstand für 2023 eigentlich „nur“ ein Jahresergebnis (nach Steuern) von 100 Millionen Euro anvisiert, sind es nun sogar 115 Millionen Euro geworden – ein Plus zum Vorjahr von mehr als 150 Prozent. Hauptgrund ist der hohe Zinsüberschuss.

2,7 Prozent Zinsen aufs Festgeld bei der Haspa

Er legte spürbar um 200 Millionen auf 873 Millionen Euro zu. Die gestiegenen Kreditzinsen spülen also mehr Geld in die Kassen. Bei den Sparzinsen zählt die Haspa dagegen zwar nicht zu den Top-Adressen, wenn es um die Höhe geht. Hier bieten vor allem Direktbanken – ohne ein kostspieliges Filialnetz – zumeist bessere Konditionen. Allerdings ist auffällig, dass die Haspa erst kürzlich das Zinsniveau für längerfristiges Festgeld (fünf bis sieben Jahre) auf durchaus wettbewerbsfähige 2,7 Prozent angehoben hat.

„Wir wollen mit diesen Angeboten das Sparen auf längere Sicht fördern“, sagt Vogelsang. Aber hinter den Offerten steckt noch eine andere Annahme. Zwar geht auch Vogelsang davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen im Sommer mit Blick auf die niedrigeren Inflationsraten leicht senken wird. Auf mittlere Sicht erwartet der Haspa-Chef eher höhere Zinsen. „Noch befinden wir uns in einer Rezession, doch wenn die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt, wird auch der Kreditbedarf wieder steigen und damit auch die Zinsen“, sagt Vogelsang voraus.

Baukonjunktur macht auch der Haspa Sorgen

Von der schwachen Baukonjunktur blieb auch die Haspa 2023 mit Blick aufs Kreditgeschäft nicht verschont. So ging das Kreditvolumen insgesamt von gut 38 Milliarden auf 36,7 Milliarden Euro zurück. Die Neuzusagen für Kredite fielen von 6,5 auf vier Milliarden Euro. Und die Kreditausfälle – vor allem wegen der schwierigen Lage der gewerblichen Bauwirtschaft – sind 2023 von 26 auf 80 Millionen Euro gestiegen. Darin sind laut Vogelsang allerdings Pauschalwertberichtigungen in Höhe von 30 Millionen Euro als allgemeine Vorsorge enthalten. „Wir hatten mit noch höheren Ausfällen gerechnet und erwarten auch in den Folgejahren höhere Ausfälle mit Blick auf die schwache Baukonjunktur“, sagt er. „Darauf sind wir gut vorbereitet“.

Während der Gewerbebau zum dauerhaften Problem werden könnte, ist der Haspa-Chef mit Blick auf den privaten Immobilienmarkt positiver gestimmt. Die Nachfrage ziehe aktuell wieder an. „Wenn sich dieser Trend verstetigen sollte, dann dürften wir im vierten Quartal 2023 den Tiefpunkt gesehen haben. Und wenn die Nachfrage anzieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich auch die Preise stabilisieren.“

Weitere Wirtschaftsthemen

Dennoch appelliert Vogelsang an die Politik, die Rahmenbedingungen für den privaten Wohnungsbau zu verbessern. „In Deutschland fehlen bis 2025 rund 750.000 Wohnungen. Die gestiegenen Finanzierungs- und Baukosten sowie langen Genehmigungsverfahren und hohen bürokratischen Hürden haben den Wohnungsbau abgewürgt“, so der Haspa-Chef. Er schlägt deshalb eine „Senkung der Grunderwerbssteuer, eine angepasste Eigenheimzulage oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von Darlehenszinsen“ vor. Ob die Politik mit Blick auf die leeren Kassen der öffentlichen Hand, diesen Vorschlägen folgen wird, ist aber eher unwahrscheinlich.