Hamburg. Es ist noch nicht lange her, da wurde Verkäufern ihre Immobilie aus der Hand gerissen. Das ist vorbei. Unterwegs mit einem Makler.
„Das ist Porenbetonstein mit vier Zentimetern Dämmung und gebrochenem Kalksandstein als Klinker“, sagt Leon Sternberg, ohne lange zu überlegen, während er über die weiße Hausfassade streicht. Der Hamburger Immobilienmakler macht heute Besichtigungen in einem Einfamilienhaus in Farmsen-Berne. Weil die jetzige Besitzerin in ein Pflegeheim gezogen ist, will sie den Bungalow verkaufen.
Für Leon Sternberg sind Termine wie diese zur Routine geworden. Aufgeregt ist der Immobilienmakler nicht. Das liege auch an der Vorbereitung. „Es ist unheimlich wichtig, dass man sich mit der Immobilie und den Interessenten intensiv auseinandersetzt“, sagt der 29-Jährige. Dazu gehört auch, Baupläne genau zu studieren – und sich Wissen über Baustoffe anzueignen. Kundinnen und Kunden würden sich vor einem Besichtigungstermin schließlich auch gut informieren, sagt Sternberg. Und das sollten sie auch.
Wandel zum Käufermarkt: Was das für Hamburger Immobilienmakler bedeutet
Denn der Immobilienmarkt hat sich von einem Verkäufermarkt zum Käufermarkt gewandelt. Das bringt Vor- und Nachteile mit sich – es kommt darauf an, wen man fragt. Und auch der Makler-Beruf ist dadurch im Wandel.
Wer aktuell eine Wohnung oder ein Haus verkaufen will, muss das zu einem niedrigeren Preis tun, als es noch bis vor ein, zwei Jahren üblich war: In Hamburg sind die Preise für Einfamilienhäuser aus dem Bestand seit Mitte 2022 bis zum vierten Quartal 2023 um 14,8 Prozent gesunken, gemessen an den Angebotspreisen in Immobilienanzeigen. Auch die Angebotspreise für Eigentumswohnungen aus dem Bestand fielen in demselben Zeitraum um 14,4 Prozent.
Gleichzeitig sind allerdings die Zinsen gestiegen. Im Schnitt nehmen Menschen in Hamburg rund 400.000 Euro Kredit für die eigene Immobilie auf: Das kostete sie im März 2021 noch 970 Euro im Monat – bei einer zehnjährigen Zinsbindung mit zwei Prozent anfänglicher Tilgung. Im März 2024 sind dafür im Monat 1870 Euro fällig. Viele Menschen können den Traum vom Eigentum daher nicht mehr realisieren.
„Die Banken machen aktuell eine Rolle rückwärts“, sagt auch Leon Sternbergs Chefin Nicole Reise. Die 44-jährige Maklerin hat das Familienunternehmen Frank Hoffmann Immobilien von ihrem Vater übernommen. Vor etwa fünf Jahren hat sie Sternberg eingestellt.
„Selbst zwei Oberärzte, die aber kein Eigenkapital mitbringen, bekommen aktuell schwer einen Kredit“, sagt Reise. Das sei auch bei anderen Menschen mit hoch dotierten Jobs ohne Vermögen so – vor allem, wenn das anvisierte Haus noch renoviert werden muss. Wer genügend Eigenkapital mitbringt und handwerklich geschickt ist, kann sich den Traum vom Eigenheim aktuell eher erfüllen.
Käufermarkt: Eigenkapital und handwerkliches Geschick von Vorteil
Auch die Käuferinnen und Käufer des 100-Quadratmeter-Hauses in Farmsen-Berne sollten entsprechend aufgestellt sein. Der Angebotspreis für den Bungalow mit Garten liegt bei 449.000 Euro. „Aber Sie müssen damit rechnen, dass einiges renoviert werden muss“, sagt Reise.
Das Haus ist von 1983 – und das sieht man ihm an. 80.000 bis 100.000 Euro müsste man für eine Modernisierung und Arbeiten an Dach und Dämmung einkalkulieren. „Das geht natürlich günstiger, wenn man selbst handwerken kann“, sagt Reise.
Das interessierte Paar, das zur Besichtigung eingetroffen ist, kann damit dienen: Sie ist Journalistin, er ist Autoschlosser im Ruhestand. Die Eheleute suchen seit Oktober nach einem Alterswohnsitz, am liebsten ebenerdig wie hier.
„Puh, das muss alles raus“, sagt der Schlosser, als er die Schiebetür zum Badezimmer aufrollt und die blau-grau melierten Fliesen mit Blumenverzierungen sieht. Im Nebenraum erkundigt sich seine Frau bei Makler Sternberg nach dem Oberflächenschimmel, den sie in einer Zimmerecke entdeckt hat.
Maklerinnen und Makler müssen im Käufermarkt wieder Dienstleister sein
„Es muss jahrelang nicht richtig gelüftet worden sein“, erklärt Sternberg. Schnell weist er dafür auf die Holzrahmen der Fenster hin. „Die isolieren den Schall viel besser als Kunststoffrahmen“, sagt er fachmännisch.
„Hier muss einiges gemacht werden“, murmelt die Journalistin immer wieder, während Sternberg sie durch das Haus führt. Er widerspricht ihr nicht. Mehrmals schreibt sie Stichpunkte in ihr schwarzes Notizbuch und stellt dem Makler viele Fragen zu nötigen Renovierungsarbeiten. „Der Job ist beratungsintensiver geworden“, sagt Leon Sternberg im Gespräch mit dem Abendblatt vorab. „Die Kundinnen und Kunden fordern jetzt noch mehr. Man muss serviceorientiert sein.“
Auch Sternbergs Chefin Nicole Reise pflichtet bei: „Der Kunde wird im Käufermarkt wieder bedient. Maklerinnen und Makler müssen wieder eine Dienstleistung erbringen, sonst haben sie keine Chance.“
Im vergangenen Jahr habe sie mit ihrer Firma insgesamt rund 400 Objekte verkauft, sagt Reise. Das werde auch in diesem Jahr trotz des Wandels im Markt so bleiben, glaubt die 44-Jährige. „Die Haltefristen sind aber deutlich länger.“ Denn statt aus zwei oder drei Objekten, die spätestens nach zwei Wochen wieder vom Markt sind, können Kundinnen und Kunden heutzutage aus 20 bis 30 freien Objekten wählen.
Hamburger Immobilienmaklerin sagt: „Man braucht mehr Durchhaltevermögen“
Da braucht man laut Reise als Maklerin mehr Durchhaltevermögen. Auch dauert es länger, bis die Frage der Finanzierung geklärt ist. Trotzdem sagt Reise: „Ich liebe den Käufermarkt.“ Ihre Ausbildung habe sie unter ähnlichen Marktbedingungen gemacht. Und da komme es auf andere Tugenden an: „Vertrauen, Zuverlässigkeit und Fachwissen werden jetzt wieder wichtiger.“
Außerdem müsse man Kauf-Interessierte und ihre Bedürfnisse noch besser verstehen. „Wir müssen den Kunden jetzt mehr alternative Angebote machen“, sagt Reise. „Makelei ist halt nicht nur Die-Tür-Aufschließen, auch wenn das immer gern behauptet wird.“ Im Verkäufermarkt ist dieses Vorurteil laut Reise zum Teil berechtigt gewesen. „Der Job ist im Käufermarkt viel anspruchsvoller.“
Nicht nur der Umgang mit Kaufinteressierten sei ein anderer, sondern auch mit den Verkäufern: Man muss sie gut zu realistischen Kaufangeboten beraten. Das sei vor einem halben Jahr noch herausfordernder gewesen, sagt Reise. „Inzwischen sind aber die alten Preise aus den Köpfen.“
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Auch würden Kaufinteressierte wieder mehr über die Preise verhandeln. Reise begrüßt das. „Ehrlich gesagt: Der Markt normalisiert sich nur wieder“, sagt die 44-Jährige. „Die alten Preise hatten mit einem gesunden Markt nicht viel zu tun.“
Und wegen der längeren Haltefristen müsse man öfter als zuvor den Telefonhörer in die Hand nehmen, Verkäufer über den neuesten Stand informieren und proaktiv handeln. Im vergangenen Jahr habe sie zwei Mitarbeiter entlassen müssen, sagt die Maklerin. „Die waren nur den Verkäufermarkt gewohnt.“
Wichtig sei auch Transparenz, ohne den Kaufinteressierten zu viel Druck zu machen. „Gestern hatten wir die erste interessierte Familie hier – und uns liegt schon ein Angebot vor“, legt Leon Sternberg am Ende seiner Besichtigung dem interessierten Ehepaar deshalb offen. Denn trotz der schwierigen Finanzierungslage sagt Reise: „Zu behaupten, es gäbe aktuell keine Käufer, ist absolut falsch.“