Hamburg. Historisch größter Preisverfall als Folge gestiegener Zinsen und eines Überangebots. Exklusive Daten für Hamburg und das Umland.

Seit anderthalb Jahren fallen die Immobilienpreise in Hamburg und dem Umland. Eine Entwicklung, die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien, als die Preise von Rekord zu Rekord kletterten und sich Käufer gegenseitig überboten. Das Abendblatt hat exklusiv auf Basis der Daten der Empirica AG analysiert, wie stark die Preise seit Mitte 2022 bereits gefallen sind und was für die nächsten Monate zu erwarten ist.

In Hamburg sind die Preise für Einfamilienhäuser aus dem Bestand seit Mitte 2022 bis zum vierten Quartal 2023 um 14,8 Prozent gesunken, gemessen an den Angebotspreisen in Immobilienanzeigen. Dennoch liegt im Schnitt die Preisvorstellung der Verkäufer noch bei 5205 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche.

Immobilien Hamburg: Gefallene Preise reichen nicht aus, um gestiegene Zinsen auszugleichen

Bezogen auf ein Haus mit 120 Quadratmeter Wohnfläche wären das insgesamt rund 625.000 Euro. Angesichts der gestiegenen Zinsen sind solche Kaufpreise für viele nicht mehr finanzierbar. Selbst bei 125.000 Euro Eigenkapital und der Übernahme der Erwerbsnebenkosten aus den eigenen Ersparnissen müssten noch 500.000 Euro finanziert werden. Bei einem Zinssatz für eine zehnjährige Zinsbindung von 3,50 Prozent und 1,50 Prozent anfängliche Tilgung würde die monatliche Belastung bei rund 2100 Euro liegen. Die Nebenkosten für die Immobilie kommen noch hinzu.

Zwar sind die Immobilienpreise gefallen, aber das reicht nicht aus, um die gestiegenen Zinsen auszugleichen. „Junge Berufstätige mit guter Ausbildung und gutem Gehalt aus der Mittelschicht können sich derzeit in Hamburg keine Immobilie leisten, wenn sie nicht geerbt haben“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und frühere Vizepräsident der Uni Hamburg, Karl-Werner Hansmann.

Eigentumswohnungen in Hamburg verbilligten sich um 14 Prozent

Während es bei den Kaufpreisen vor Mitte 2022 kaum Verhandlungsspielraum gegeben hat, ist das jetzt anders. Zu den geforderten Preisen können die Immobilien kaum verkauft werden. Das gilt erst recht, wenn die Häuser eine schlechte Energieeffizienz haben. 49,2 Prozent der Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser in Hamburg fallen in die drei schlechtesten Energieeffizienzklassen F, G und H. „Viele Verkäufer sind noch nicht auf dem Boden der Realität angekommen“, sagt Maklerin Martina Brühl. Zwar haben die potenziellen Verkäufer von Preisrückgängen gehört, beziehen das meist aber nicht auf ihre Immobilie.

Eigentumswohnungen aus dem Bestand in Hamburg sind nicht viel günstiger, obwohl auch sie in den vergangenen 18 Monaten um 14,4 Prozent bei den Angebotspreisen nachgaben. Im Schnitt werden noch 5128 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche verlangt. Im vierten Quartal 2023 setzte sich der Preisrückgang gegenüber dem Vorquartal fort. Das Minus beträgt knapp zwei Prozent.

Daten der Gutachterausschüsse bestätigen den Preistrend

Da sich die Daten nur auf Angebotspreise beziehen, sind sie mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Aber auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) kommt zu einer ähnlichen Einschätzung – auf der Basis von Daten der Gutachterausschüsse, die sich auf tatsächliche Verkaufspreise stützen. Danach gaben die Preise für Eigentumswohnungen in Hamburg seit dem Höchststand um 13,9 Prozent nach. Der Höchststand wird vom IfW auf das 1. Quartal 2022 festgelegt.

Auch die anderen Städte der sieben größten Metropolen sind ähnlich betroffen, wobei die Preise in Köln (- 8,1 Prozent) und Berlin (- 6,5 Prozent) nur unterdurchschnittlich gefallen sind. In allen untersuchten 19 Städten fielen die Preise um rund 12 Prozent. Gleichzeitig wurden 2023 im Vergleich zu 2021 bundesweit nur noch halb so viel Eigentumswohnungen verkauft.

Preisverfall bei Immobilien ist historisch einmalig

Die geringen Transaktionsvolumina deuten zudem darauf hin, dass die Diskrepanz zwischen Kaufpreisangeboten und Preisvorstellungen der Kaufinteressenten nach wie vor groß ist. „Die infolge des Zinsanstiegs deutlich erhöhten Finanzierungskosten sind noch nicht vollständig in den Immobilienpreisen auf dem Markt des privaten Wohneigentums abgebildet“, sagt Roman Heidrich vom Immobiliendienstleister JLL.

Auf Basis der Daten von den Gutachterausschüssen kommt das IfW Kiel zu einer dramatischen Einschätzung: „Die Preise für Wohnimmobilien sind 2023 so stark gefallen wie noch nie seit Beginn der systematischen Immobilienpreiserfassung in Deutschland vor rund 60 Jahren.“ Dies gelte für alle Wohnsegmente, also Eigentumswohnungen, Ein- und Mehrfamilienhäuser. „Die Geschwindigkeit und das Ausmaß des gegenwärtigen Preisverfalls bei Immobilien in Deutschland sind historisch einmalig“, sagt Jonas Zdrzalek vom IfW.

Stärkere Preiseinbrüche im Hamburger Umland bei Einfamilienhäusern

Noch stärker als in Hamburg sind die Preise im Umland gefallen, wie aus den Daten von Empirica hervorgeht. Allein in drei Kreisen sind die Preise für Einfamilienhäuser aus dem Bestand um mehr als 20 Prozent gesunken. Den stärksten Rückgang verzeichnet Steinburg mit 24,5 Prozent, gefolgt von den Kreisen Pinneberg und Lüneburg mit jeweils 20,3 Prozent. An vierter Stelle folgt der Landkreis Harburg mit knapp 20 Prozent. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht, da es in diesem Kreis auch im vierten Quartal 2023 noch einen starken Preisrückgang von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorquartal gab. Das betrifft auch den Landkreis Lüneburg und den Heidekreis mit rund sechs Prozent.

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In den Kreisen Pinneberg, Stormarn und Harburg sind die Quadratmeterpreise innerhalb von 18 Monaten für Einfamilienhäuser aus dem Bestand von mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche im Sommer 2022 unter diese Marke gefallen. Zum Beispiel im Kreis Pinneberg von 4541 Euro auf 3619 Euro. In den Kreisen Herzogtum Lauenburg (3077 Euro) und Lüneburg (3023 Euro) liegen die Preise jetzt nur noch knapp über 3000 Euro. Am günstigsten sind Einfamilienhäuser im Kreis Steinburg (2112 Euro) und im Heidekreis (1986 Euro).

Eigentumswohnungen in Harburg verbilligen sich um 17 Prozent

Den stärksten Rückgang bei Eigentumswohnungen aus dem Bestand gab es innerhalb von 18 Monaten in den Kreisen Steinburg (- 23,2 Prozent), Lüneburg (-18,5 Prozent), Harburg (-17,4 Prozent), Pinneberg (-16,4 Prozent) und Segeberg (-14,7 Prozent). In den Kreisen Herzogtum Lauenburg, Segeberg und Harburg waren die Preise pro Quadratmeter Wohnfläche im Zuge des Preisanstiegs auf mehr als 3000 Euro gestiegen und liegen jetzt wieder darunter, im Kreis Segeberg zum Beispiel bei 2878 Euro.

Einen nur geringen Preisrückgang von rund vier Prozent gab es im Landkreis Stade. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Preise dort ihren Höhepunkt bereits im ersten Quartal 2022 mit 2900 Euro pro Quadratmeter erreichten. Gemessen daran liegt der Preisrückgang bei 7,7 Prozent auf aktuell 2680 Euro.

Am teuersten sind Eigentumswohnungen aus dem Bestand nach den Angebotspreisen, die noch Verhandlungsspielraum bieten, jetzt im Hamburger Umland in Stormarn (3242 Euro), Lüneburg (3247 Euro) und Pinneberg (3127 Euro). Die niedrigsten Quadratmeterpreise werden im Heidekreis mit weniger als 2000 Euro für eine gebrauchte Eigentumswohnung aufgerufen.

Immobilien in Hamburg: Makler sehen Überangebot

Einige Experten setzen jetzt darauf, dass der Immobilienmarkt bald seinen Tiefpunkt gefunden hat. Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfeldes Finanz- und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW), rechnet in diesem Jahr sogar wieder mit steigenden Preisen. „Wir haben steigende Reallöhne und Mieten, und die Zinsen für Baufinanzierungen sind deutlich gesunken“, sagt der IW-Experte. Außerdem sieht er einen Gewöhnungseffekt an die deutlich höheren Finanzierungszinsen für Immobilienkäufe. „Die potenziellen Käufer reagieren darauf, indem sie kleinere Immobilien nachfragen oder andere Abstriche an der Lage oder der Ausstattung machen“, sagt Voigtländer.

Ob es so kommt, werden erst die Preisdaten aus dem zweiten Quartal 2024 zeigen. Nicht nur die deutlich gestiegenen Zinsen für Immobilienkredite drücken auf die Preise. Im Gegensatz von vor dem Sommer 2022 herrscht auch ein Überangebot an Verkaufsobjekten bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen. Zu dieser Einschätzung kommen knapp 80 Prozent der Hamburger Makler. Das spricht für weiter fallende Preise.