Hamburg. S-Bahn-Station Ottensen, Laeiszhalle und Oberhafentunnel als negative Beispiele. Wie die Prognose für neue Bauvorhaben ausfällt.

Das Drama um den Bau der Elbphilharmonie hatte auch etwas Gutes: Als Lehre daraus führte der Senat 2012 die Grundsätze des „kostenstabilen Bauens“ ein und berichtet seitdem einmal im Jahr über den Stand der städtischen Bauprojekte. Wie der aktuelle Bericht zeigt, bleibt es aber nach wie vor eine Herausforderung, größere Vorhaben im geplanten Kostenrahmen zu vollenden: 17 der 79 Projekte werden mindestens zehn Prozent teurer als veranschlagt, manche davon sogar fast 100 Prozent.

Die größte Kostensteigerung betrifft ein bereits abgeschlossenes Projekt: den Bau der S-Bahn-Station Ottensen, die im Sommer 2023 eröffnet wurde. Statt der ursprünglich kalkulierten 20,8 Millionen Euro hat die neue Haltestelle 90 Prozent mehr verschlungen, nämlich 39,55 Millionen Euro.

Hamburgs Bauprojekte sind bis zu 90 Prozent teurer als geplant

Kleiner Trost aus Sicht der Stadt, aber nicht der Steuerzahler: Die Finanzierung hat zum größten Teil die Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn übernommen, die Stadt muss wohl nur rund 1,7 Millionen Euro für den westlichen Zugang und die gewünschte Bahnsteigdachverlängerung übernehmen.

Mächtig aus dem Ruder lief auch die Finanzierung für den Neubau des Oberhafentunnels: Statt von 15,32 geht der Senat nun von Kosten in Höhe von 26,48 Millionen Euro aus – ein Plus von 73 Prozent. Das fast fertige Bauwerk, das ab dem Sommer eine Verbindung aus dem Oberhafenquartier zur östlichen HafenCity schafft, sei aber „in diesem Bereich alternativlos“, so der Senat.

Laeiszhalle und Deichtorhallen: Bei Kulturprojekten steigen die Kosten

Kräftige Kostensteigerungen gibt es auch im Kulturbereich: So werden die Kosten für die Instandsetzung und Sanierung der Deichtorhallen nun mit 86,38 Millionen angesetzt statt zuvor mit 61,8 Millionen – ein Plus von 40 Prozent. Ähnliche Dimensionen erreicht die Modernisierung der Laeiszhalle: Von 60,3 auf 85,84 Millionen Euro (plus 42 Prozent) sollen die Kosten steigen.

„Die Bestandsgebäude bereiten uns die größten Probleme“, sagte Staatsrat Jan Pörksen (SPD) bei der Vorstellung des Berichts. Das sei schon bei der Sanierung des Kongresszentrums CCH so gewesen, und auch das mehr als 100 Jahre alte Konzerhaus halte immer wieder Überraschungen bereit. So stelle man mitunter erst beim Aufbrechen alter Wände fest, dass sich dahinter nicht der vermutete Stahlträger befinde, was Umplanungen zur Folge habe.

Sorgenkind: Das „Haus der Erde“ am Schlump entpuppt sich für die Stadt als Fass ohne Boden, die CDU sprach schon von der „Elbphilharmonie der Wissenschaft“.
Sorgenkind: Das „Haus der Erde“ am Schlump entpuppt sich für die Stadt als Fass ohne Boden, die CDU sprach schon von der „Elbphilharmonie der Wissenschaft“. © HA | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Wesentlich teurer werden aber auch große Neubau-Projekte im Hochschulbereich, die jedes für sich schon für Schlagzeilen gesorgt haben. So soll das Haus der Erde, ursprünglich mal mit 179 Millionen Euro veranschlagt, nun 305 Millionen Euro kosten – so steht es im Baumonitoring, das den Sachstand zum 30. September 2023 abbildet. Im Kleingedruckten findet sich jedoch der Hinweis, dass es inzwischen zu weiteren Kostensteigerungen gekommen ist, über die das Abendblatt bereits berichtet hatte.

Das „Haus der Erde“ soll nun mehr als 400 Millionen Euro kosten

Nachdem anfangs der Ärger mit Subunternehmern zu einem Austausch und Neubau der kompletten Lüftungsanlage geführt hatte – die für die Labore der dort tätigen Geowissenschaftler und Klimaforscher extrem wichtig ist –, kam das Projekt danach in die Phase der enormen Baukostensteigerungen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. In einer kürzlich beschlossenen Senatsdrucksache heißt es, dass man daher nun von Baukosten von 373 Millionen und Gesamtkosten inklusive Finanzierung von 412 Millionen Euro ausgehe.

Auch beim neuen MIN-Forum der Uni für Mathematiker, Informatiker und Naturwissenschaftler droht eine Steigerung von 168,5 auf 221,14 Millionen Euro, die aber noch als „Risiko“ bezeichnet wird. Und die Sanierung des Philosophenturms schlägt bekanntlich mit 117 statt kalkulierter 80 Millionen Euro zu Buche (plus 46 Prozent).

Es gibt auch einige Projekte, die günstiger als geplant werden

Doch es gibt auch etliche Projekte, die im Kostenrahmen bleiben oder sogar günstiger werden als gedacht: So gibt es beim Neubau etlicher Polizei- und Feuerwehrwachen keinerlei Kostenüberschreitungen, und der Abbruch des alten Überseezentrums auf dem Grasbrook soll statt 26,2 nur noch 14,58 Millionen Euro kosten – ein Minus von 44 Prozent. Auch die Erdarbeiten im künftigen Freihafenelbquartier und und im Moldauhafenquartier, die hier entstehen, sollen mit 17,13 Millionen Euro um etwa elf Prozent günstiger sein als die zunächst veranschlagten 19,2 Millionen.

Insgesamt berichtet der Senat über 73 in Planung oder Bau befindliche Projekte mit Gesamtkosten von rund 9,15 Milliarden Euro. In 44 Fällen „werden die Kostenobergrenzen nach jetzigem Prognosestand weiterhin eingehalten“, heißt es. In sieben Fällen davon gilt das nur, weil zwischenzeitlich schon Geld nachbewilligt wurde. In zwölf Fällen werden Kostenüberschreitungen von bis zu zehn Prozent und in 17 Fällen von mehr als zehn Prozent prognostiziert. Das sei „vor dem Hintergrund von Baukostensteigerungen von 30 Prozent innerhalb der letzten drei Jahre erwartbar bzw. zu befürchten“ gewesen, so der Senat.

Weitere Wirstchaftsthemen

Staatsrat Pörksen zeigte sich mit dem Prinzip des „kostenstabilen Bauens“ sehr zufrieden. Seit 2013 seien 119 Projekte nach diesen Grundsätzen abgeschlossen worden, deren Kosten insgesamt mit 2,773 Milliarden Euro kalkuliert gewesen seien, während sie in der Endabrechnung 2,776 Milliarden gekostet hätten. „Das ist ein Erfolg und fast eine Punktlandung“, sagte der Chef der Senatskanzlei und räumte ein, dass ihn diese Bilanz auch etwas überrascht habe.

Krieg in der Ukraine und gestörte Lieferketten bereiten Sorgen

Die Aussichten schätzt der Senat dagegen nicht sehr rosig ein: Aufgrund des Krieges in der Ukraine, gestörter Lieferketten und hoher Energiepreise könnten „Kostenberechnungen und Terminpläne voraussichtlich zukünftig nicht mehr im bisherigen Maße eingehalten werden“, heißt es in dem Bericht.

Dieser stieß bei CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer auf Kritik: „Bei zahlreichen Projekten gibt es Kostenüberschreitungen von mehr als zehn Prozent, obwohl bereits umfangreiche Reserven für Preissteigerungen eingeplant waren“, sagte er. „Dies zeigt, dass der Ansatz des kostenstabilen Bauens gescheitert ist.“ Kostenexplosionen bei Uni-Neubauten wie dem „Haus der Erde“ seien „ein finanzielles Desaster zulasten der Hamburger Steuerzahler“, so Kleibauer.

Kostenexplosionen: Steuerzahlerbund fordert mehr Ehrgeiz vom Senat

Aus Sicht der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna v. Treuenfels-Frowein wird deutlich, dass „Hamburg nach wie vor weit entfernt ist vom erwünschten kostenstabilen Bauen. Bestandssanierungen wie beim CCH oder der Laeiszhalle laufen genauso aus dem Ruder wie Neubauten, etwa beim Haus der Erde.“ Und Petra Ackmann, Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg, appellierte an den Senat, die eigenen Ansprüche „deutlich höher anzusetzen. Leider gibt es immer noch zahlreiche Beispiele, bei denen Projekte aus dem Ruder laufen.“