Hamburg. Schäden sind zum Teil seit Jahren bekannt. Dennoch tut sich nichts – das könnte sogar den S-Bahn-Verkehr am Hauptbahnhof gefährden.
Der Landes-Rechnungshof wacht darüber, dass der Hamburger Senat mit dem Geld der Steuerzahler ordentlich und sparsam umgeht. Doch in seinem aktuellen Jahresbericht kritisiert er nicht nur, an welchen Stellen zu viel Geld ausgegeben wird, sondern auch, wo an der falschen Stelle gespart wird – nämlich an etlichen der 1700 Brücken. Mindestens in einem Fall habe dies „zu einer gravierenden Schadenszunahme geführt“, die sogar den S-Bahn-Verkehr in Hamburg gefährde.
Der Rechnungshof hatte schon vergangenes Jahr auf den zunehmend schlechteren Zustand vieler Brücken hingewiesen. 57 Prozent der Bauwerke seien kurzfristig instand zu setzen oder sogar zu erneuern, hieß es. Jetzt legt er anhand von drei Beispielen nach. Erstens die Slamatjenbrücke, die im Zuge der Ludwig-Erhard-Straße das Alsterfleet überquert. An dem Bauwerk mit drei Fahrspuren je Richtung seien „aufgrund verkehrsgefährdender Spurrinnen im Asphaltbelag“ bereits 2016 Warnschilder aufgestellt worden, so der Rechnungshof.
Rechnungshof-Bericht: Hamburg hat 1700 Brücken – mehr als jede zweite muss saniert werden
Obwohl 2019 festgestellt worden sei, dass die Spurrinnen noch tiefer geworden waren, sei die Schadensbehebung erst eingeleitet worden, „nachdem aufgrund der akuten Verkehrsgefährdung im Juni 2021 eine Brückenfahrspur gesperrt werden musste“, so der Rechnungshof. Die Folge: ein Monat lang Verkehrsbehinderungen auf der enorm wichtigen Ost-West-Achse. „Darüber hinaus fielen vermeidbare Ausgaben für eine provisorische Fahrbahninstandsetzung an, die bei einer rechtzeitigen Schadensbeseitigung nicht erforderlich geworden wären“, so der Rechnungshof.
Dazu muss man wissen: Von den rund 1700 landeseigenen Straßenbrücken und Tunneln fallen 1590 in die Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), der zur Verkehrsbehörde gehört, und 110 in die der Hamburg Port Authority (HPA), die der Wirtschaftsbehörde untersteht. Eigentlich sollen sie alle in einem festen Rhythmus geprüft und instand gehalten werden. „Der Senat hat ein sinnvolles Erhaltungsmanagement für die Infrastruktur beschlossen“, räumte Rechnungshof-Präsident Stefan Schulz ein, monierte aber: „Dieses muss jedoch auch umgesetzt werden.“
Brückenschäden am Hauptbahnhof seit 30 Jahren bekannt – aber nichts tut sich
Wie zwingend das ist, verdeutlicht das Beispiel der Ernst-Merck-Brücke, die nordwestlich des Hauptbahnhofs mehr als zehn Bahngleise überspannt. Schon seit 1993 weise sie „eine zunehmende Rissbildung“ auf, so der Rechnungshof. Weil eintretende Feuchtigkeit das Problem weiter verschärfe, hätten die Brückenprüfer der Stadt bereits 2002 empfohlen, diesen Schaden mittelfristig zu beheben. Doch außer regelmäßigen Prüfungen sei nichts geschehen.
„Seit 30 Jahren wird das Problem abgeheftet, ohne dass man tätig wurde“, kritisierte Rechnungshof-Direktorin Birgit Fuhlendorf. „Und das, obwohl unter der Brücke die S-Bahn fährt.“ Nicht nur die. Der gesamte Zugverkehr, der den Hauptbahnhof Richtung Dammtor und Jungfernstieg verlässt oder von dort kommt, muss unter dieser Brücke hindurch – nicht auszudenken, was eine Großbaustelle an dieser Stelle für Folgen haben könnte.
Hinzu kommt die finanzielle Komponente. Hätte man die nötige Sanierung früher durchgeführt, wären die Kosten im Vergleich zu den jetzt nötigen Arbeiten gering gewesen, denn 30 Jahre Untätigkeit hätten „zu einer gravierenden Schadenszunahme geführt“, so der Rechnungshof. „Erst recht gilt dies, wenn der volkswirtschaftliche Schaden, der sich bei einer baustellenbedingten Sperrung des angrenzenden S-Bahn-Gleises ergäbe, in eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen wird.“
Zuständige Behörde erklärt: Uns fehlt es an Geld und Personal
Ähnlich verhält es sich bei dem Bauwerk „Erste Diagonalbrücke“, das in Hamm den Mittelkanal überquert. Bereits 2007 habe die Brücke Betonschäden aufgewiesen, die auch tragende Bauteile betrafen, so der Rechnungshof. Die Empfehlung der Brückenprüfer, die Schäden bis spätestens 2013 zu beheben, sei jedoch bis heute nicht umgesetzt worden.
Auf Nachfrage habe der für alle drei genannten Brücken zuständige LSBG erklärt, „dass durch die jahrzehntelange Unterfinanzierung von Aufgaben an der Infrastruktur ein erheblicher Sanierungsstau entstanden sei, der zunächst abgebaut werden müsse“, schreibt der Rechnungshof. Hinzu komme, dass man 2023 etliche Bauwerke von den Bezirksämtern übernommen habe. Für die Erhaltung „stünden weder ausreichend personelle noch finanzielle Ressourcen“ bereit, habe der LSBG weiter dargestellt.
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Den Rechnungshof überzeugte diese Erklärung nicht. In den Jahren 2021 und 2022 seien von den Mitteln für Straßen und Brücken insgesamt mehr als 50 Millionen Euro übrig geblieben. Weil auf der anderen Seite im Haushalt 2022, der hier zur Prüfung stand, auch Etatansätze überschritten worden seien – in vier Fällen um insgesamt 8,9 Millionen Euro –, erteilte er den sogenannten „Prüfungsvermerk“ erneut nur eingeschränkt.
Rechnungshof kritisierte Vergabepraxis der Bezirke: Kein Verfahren regelgerecht
Scharf kritisierte der Rechnungshof auch die Vergabepraxis durch die Bezirksämter. Von 16 exemplarisch geprüften Auftragsvergaben in den Bezirken Altona, Hamburg-Nord und Wandsbek sei „keine regelgerecht durchgeführt“ worden, so Stefan Schulz, der warnte: „Bei mangelhaft durchgeführten Vergabeverfahren besteht ein erhebliches Korruptionsrisiko.“ Hinweise auf Korruption habe man zwar nicht gefunden, aber jede Menge anderer Fehler wie die „verbotene Direktbeauftragung“. Seine grundsätzliche Kritik: „Wesentliche vergaberechtliche Regelungen werden schlicht nicht beachtet.“
Bemängelt hat der Rechnungshof ferner, dass die Finanzämter ausstehende Steuern oft nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs bis zwölf Monaten eintreiben. Eine Stichprobe von 281 Fällen habe ergeben, dass dies in rund 42 Prozent der Fälle nicht gelungen sei. Ob und wie viel Steuern Hamburg dadaurch durch die Lappen gegangen sind, konnte der Rechnungshof zwar nicht beziffern. Aber er wies darauf hin, dass Steuerschulden mitunter „niedergeschlagen“, also wegen absehbarer Erfolglosigkeit nicht weiter verfolgt werden, und das seien in der Spitze (im Jahr 2017) 390 Millionen Euro gewesen.
Kritik an Umweltbehörde: 123 neue Stellen, aber keine vernünftige Begründung
Kritik musste auch die Umweltbehörde einstecken, weil sie 123 neue Stellen geschaffen habe, ohne das vernünftig begründen zu können. So konnte die Behörde auf Nachfrage des Rechnungshofs nach 50 neuen Stellen für die Umsetzung des Klimaplans „noch nicht einmal beispielhaft belegen, welche konkreten Überlegungen den einzelnen Stellen zugrunde liegen“, so Stefan Schulz.
Die Opposition nahm den Bericht zum Anlass für Kritik am Senat. „Gravierende Verstöße bei städtischen Vergaben und Aufträgen sind nicht akzeptabel und gehen zulasten der Steuerzahler“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Wirtschaftlichkeit und Transparenz kämen beim Senat „viel zu kurz“. David Stoop, Haushaltsexperte der Linkspartei, kritisierte die schleppende Sanierung der Brücken: „Man hat das Gefühl, der Senat baut sich ein finanzielles Polster für die anstehenden Wahlkämpfe auf und nimmt dabei in Kauf, Stellen zum Schaden der Stadt unbesetzt zu lassen und Investitionen aufzuschieben.“
Rechnungshof-Bericht: Bund der Steuerzahler zeigt sich „erschrocken“
Die FDP-Landesvorsitzende Sonja Jacobsen nannte den Umgang des Senats mit dem Geld der Steuerzahler „unhanseatisch und verschwenderisch“. Aus Sicht von Petra Ackmann, Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg, wirft der Rechnungshof-Bericht „erneut kein gutes Licht auf die Buchhaltung der Stadt“. Sie stelle „erschrocken fest, dass es sich weiterhin offensichtlich um eine Mischung aus Ignoranz und mangelndem Sachverstand handelt“.