Hamburg. Behörden atmen auf: Kaum noch Gift in Sedimenten. Grenzwerte für Spielflächen sind unterschritten. Wie es dazu gekommen ist.

Elbschlick gehört eigentlich nicht zu den schönen Vorkommnissen in der Natur. Wer am Ufer des Flusses im trüben Wasser gräbt, hat eine dunkelbraune, übelriechende Masse in der Hand, die wie ein Gel zwischen den Fingern zerrinnt. Doch giftig ist der Schlamm nicht, oder besser nicht mehr. Die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) hat bei ihren regelmäßigen Proben jetzt festgestellt, dass das frische Baggergut der Elbe gegenwärtig so sauber ist wie nie zuvor und sogar Spielplatzqualität aufweist.

„Diese Nachricht ist für viele überraschend. Die Sedimente sind besser als ihr Ruf“, sagt Boris Hochfeld, zuständig für das Sedimentmanagement bei der HPA. Er kann sich auch noch an andere Zeiten entsinnen. In den 1980er-Jahren galt die Elbe als Kloake der Industrie.

Endlich sauber: Elbschlick hat jetzt Spielplatzqualität

Durch viele Abwassereinleitungen aus Fabriken und von Kommunen war der Strom, der noch um die Jahrhundertwende zu den fischreichsten Gewässern Europas zählte, von der Tschechoslowakei bis zur Mündung weitgehend tot. Tonnen von organischen und anorganischen Giften wurden in den Fluss eingeleitet, sammelten sich in den Sedimenten am Grund an, sodass dort zeitweise mehr Schwermetalle – wie etwa das hochgiftige Quecksilber – als im Rhein lagerten.

Am schlimmsten traf es die Fische. Galt die Elbe einst als besonders fischreich, zogen die Fischer später unter anderem Aale mit Geschwüren aus dem dreckigen Wasser. Bei einer Untersuchung im Auftrag des Kieler Landwirtschaftsministeriums im Jahr 1981 wiesen mehr als 60 Prozent der sezierten Elb-Aale einen Quecksilbergehalt auf, der den Grenzwert nach dem Lebensmittelgesetz (ein Milligramm pro Kilogramm) erheblich überstieg. Daraufhin wurde der Verkauf von Fischen aus der Elbe verboten.

Die Gewässerqualität hat sich deutlich verbessert

Besser wurde es erst mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs und der Wiedervereinigung Deutschlands, in dessen Folge viele marode Industriebetriebe im Osten schließen mussten. „Nach dem Zusammenbruch dieser Industrien und der Einrichtung von Klärwerken änderte sich die Gewässerqualität sehr schnell zum Besseren“, sagt Hochfeld.

Gewässerkundler Boris Hochfeld mit einer Probe des Schlicks im Hafen.
Gewässerkundler Boris Hochfeld mit einer Probe des Schlicks im Hafen. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Anders verhält es sich mit dem Schlick in der Elbe, der sich nicht von selbst regeneriert. „Die einmal mit Schadstoffen belasteten Sedimente sinken zu Boden und werden nicht einfach herausgewaschen. Sie müssen herausgebaggert und speziell entsorgt werden.“

Stark belastetes Baggergut wird entsorgt

Dieses geschieht in der sogennanten Metha. Die HPA bezeichnet die Anlage gern als „Waschmaschine des Hamburger Hafens“. Hier werden die Sedimente in schadstoffbelastete Ablagerungen und unbelasteten Sand getrennt und die schmutzigen Stoffe anschließend deponiert. Früher war vieles belastet. Heute müssen noch etwa fünf Prozent des Baggerguts extra zur Metha verbracht werden.

Seit mehr als 30 Jahren baggert Hamburg seine Altlasten aus dem Strom. „Das ist ein wichtiger Beitrag zum Schutz der Elbe und der Nordsee“, sagt Hochfeld. Die Folge ist eine ständige Verbesserung der Sedimentqualität. Etwa 250 Sedimentproben nimmt die HPA im Jahr vor und untersucht sie auf annähernd 100 unterschiedliche Stoffe, nicht nur auf giftige Schwermetalle – auch auf Pestizide und chemische Verbindungen wie die verbotenen PCB (polychlorierte Biphenyle). Rund eine Million Euro pro Jahr gibt die HPA dafür aus.

Schwermetalle und giftige Stoffe sind stark zurückgegangen

Das Ergebnis der Laboranalysen: Der Anteil von Quecksilber im Sediment ist im Schnitt von fast 70 Milligramm pro Kilogramm in den 1980er-Jahren auf mittlerweile 3 bis 5 Milligramm gesunken. Das ist ein Rückgang um bis zu 95 Prozent. Gab es 1993 noch Messungen von 1200 Mikrogramm des Pflanzenschutzmittels Hexachlorbenzol in einem Kilogramm Sediment, waren es 2020 nicht einmal mehr 100 Mikrogramm.

Die Böden auf Kinderspielplätzen müssen hohe Qualitätsstandards erfüllen. Elbschlick kann das.
Die Böden auf Kinderspielplätzen müssen hohe Qualitätsstandards erfüllen. Elbschlick kann das. © dpa | Matthias Hiekel

„Ich entsinne mich, dass wir in den 1980er-Jahren auf Klassenfahrt an der Bunthäuser Spitze waren und dort im Schlick gespielt haben. Im Nachhinein war das unratsam. Wenn meine Tochter heute dort im Matsch wühlt, habe ich keine Bedenken mehr“, sagt Gewässerkundler Hochfeld.

Elbschlick besser als Grenzwerte für Spielplätze

Noch heute verbessert sich die Qualität des Elbschlicks stetig. „Die frischen Sedimente, die die Elbe heute herabkommen, sind wesentlich geringer belastet. Zudem mischen sie sich mit den unbelasteten Sedimenten, die aus der Nordsee eingetrieben werden“, sagt Hochfeld. „So ist es dazu gekommen, dass das Elbsediment jetzt den Prüfwerten genügt, die laut Bundesbodenschutzverordnung für Spielplätze gelten. Sie werden sogar teilweise deutlich unterschritten.“

Hochfeld legt einzelne Messdaten vor. Der Grenzwert für Blei liegt auf Kinderspielflächen bei 200 Milligramm pro Kilogramm. Die Sedimente, die derzeit in der Nordsee bei Tonne E 3 umgelagert werden, haben 45 Milligramm. Bis zu 10 Milligramm Quecksilber darf der Boden auf Kinderspielflächen laut Gesetzgeber haben, der Schlick hat 0,6 Milligramm pro Kilogramm.

Baden in der Elbe ist dennoch gefährlich

Auch ein Bad in der Elbe wäre heute von der Wasserqualität her kein Problem mehr. Hochfeld rät dennoch dringend davon ab: „Das ist aufgrund der starken Strömungen und des Schiffsverkehrs viel zu gefährlich.“

Nicht überall ist der Gewässerboden gleichermaßen einwandfrei: Wenige Schadstoffe sind vor allem dort zu finden, wo regelmäßig gebaggert wird. „In den östlichen Kanälen, der Bille und dem Spreehafen zum Beispiel, wo hingegen selten gebaggert wird, ist die Belastung noch höher“, so Hochfeld.

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Das sei aber kein Vergleich zu dem, was heute noch oberhalb von Geesthacht gemessen würde. „Wir drängen seit Jahren bei den Anrainern am Oberlauf der Elbe darauf, mehr für die Sedimentqualität zu tun. So wird dort beispielsweise in der Bergbauregion ein alter Stollen immer noch in die Elbe entwässert, der allein für 25 Prozent des Cadmium-Eintrags verantwortlich ist.“