Hamburg. Der durch die IT-Umstellung verursachte Rückstau der Kundenanfragen ist nicht abgearbeitet – und das Filialnetz schrumpft weiter.

Einst war sie die mit Abstand größte Privatkundenbank Deutschlands. Sie galt vielleicht nicht als besonders innovativ oder prestigeträchtig, aber doch als die allgegenwärtige und geachtete „Bank der kleinen Leute“. 38 Filialen hatte die Postbank in Hamburg zur Mitte des vorigen Jahrzehnts. Heute sind es noch 20 in der engeren Metropolregion, davon 14 im Stadtgebiet, und längst ist die Postbank im breiten Privatkundengeschäftzurückgefallen.

Zwei Zitate illustrieren diese Entwicklung – manche würden sagen: den Niedergang – des einstigen Marktführers recht gut: „Warten ist natürlich immer ärgerlich, aber eigentlich bei uns nicht die Regel“, sagte der damalige Postbank-Chef Wulf von Schimmelmann Ende 2006 in einem Abendblatt-Gespräch: „In unseren Filialen werden knapp 90 Prozent der Kunden nach weniger als fünf Minuten bedient.“

Von Christian Sewing, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, in der die Postbank im Jahr 2018 nach einer 2008 begonnenen schrittweisen Übernahme endgültig aufging, stammt das zweite Zitat: „Wenn ich über Kundenzufriedenheit spreche, kann ich nicht darüber hinweggehen, dass wir unsere Kunden im vergangenen Jahr an einer Stelle enttäuscht haben“, sagte Sewing vor wenigen Tagen. „Die teils erheblichen Verzögerungen und Einschränkungen in einigen Bereichen nach dem Umzug der Postbank-IT auf eine gemeinsame Plattform waren für uns alle ein bitteres Lehrstück.“

Probleme und kein Ende: Postbank soll zu „Mobile-First“-Marke umgestaltet werden

Angesichts dieser Erfahrungen mag es etlichen Kundinnen und Kunden wie Ironie vorkommen, dass ausgerechnet die Postbank gemäß der jüngsten Konzernstrategie mittelfristig zu einer „Mobile-First“-Marke umgestaltet werden soll. Hinzu kommt: Dem Marketinganalysehaus Research Tools zufolge gehört die Postbank zu den Geldhaus-Marken mit dem höchsten Durchschnittsalter der Kunden – 35 Prozent von ihnen sind mindestens 55 Jahre alt.

Schon lange sind die Filialen beziehungsweise Finanzcenter auch nicht mehr unbedingt bequem für alle erreichbar. Besonders für die „etwas ältere Klientel“ der Postbank sei das ein Problem, sagt Kerstin Föller, Finanzexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg. „Außerdem muss man in den wenigen Filialen, die es noch gibt, immer mit langen Warteschlangen rechnen.“

Bleiben im Hamburger Stadtgebiet nur noch acht Postbank-Filialen übrig?

Bald wird sich dies noch weiter verschärfen. Denn Ende Oktober teilte der Privatkundenvorstand der Deutschen Bank mit, man wolle bis Mitte 2026 die Zahl der Postbank-Filialen von bundesweit 550 auf 300 reduzieren. Rein rechnerisch würden damit nur noch acht Filialen im Hamburger Stadtgebiet übrig bleiben.

Unter den Beschäftigten sei die Stimmung nicht gut, sagt Michael Börzel vom Landesbezirk Hamburg der Gewerkschaft Ver.di. „Wenn man ankündigt, fast die Hälfte aller Filialen schließen zu wollen, ist das ja ein Zeichen.“

Zwar hätten die Arbeitnehmervertreter Verständnis dafür, dass der gesellschaftliche Wandel auch mit Veränderungen des Kundenverhaltens im Hinblick auf vermehrte Nutzung digitaler Zugangswege einhergehe. Einem Postbank-Sprecher zufolge besuchen drei von vier Postbank-Kunden keine Filiale mehr. „Aber wir können dennoch nicht nachvollziehen, dass der Filialbereich so stark geschrumpft werden soll“, so Börzel. „Vor allem hat es uns schockiert, dass die Beschäftigten aus der Zeitung von den Plänen erfahren mussten. Das ist unsäglich. Bei der Commerzbank geht man in solchen Dingen erheblich feinfühliger vor.“

Die Aufsichtsbehörde BaFin schickte wegen der Probleme einen „Sonderbeauftragten“

Doch auch zahlreiche Kunden fühlen sich bei der Postbank offenbar nicht mehr gut aufgehoben. Beim Bewertungsportal Trustpilot.com erhält sie gerade einmal 1,4 von 5 Sternen, was der Note „Ungenügend“ entspricht. Zum Vergleich: Die Haspa kommt immerhin auf 2,5 Sterne, die Direktbank ING Deutschland sogar auf 4,0 Sterne und damit auf ein „Gut“.

„Es gibt Wettbewerber, die das digitale Geschäft besser beherrschen“, meint auch Börzel. Tatsächlich hatten gerade Onlinebanking-Nutzer noch im zurückliegenden Jahr erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Deutsche Bank und die Postbank führten von Ostern 2022 bis Ende Juni 2023 ihre bis dahin getrennten IT-Landschaften in vier Wellen jeweils zu Quartalsenden auf ein gemeinsames System zusammen, was extrem holprig ablief.

Bei der Umstellung der Daten der zwölf Millionen Kundinnen und Kunden gab es diverse Probleme und Verzögerungen, Bearbeitungen stauten sich immer weiter auf. Schließlich sah sich sogar die Finanzaufsichtsbehörde BaFin zum Einschreiten gezwungen: Aufgrund „erheblicher Beeinträchtigungen der Abwicklung des Kundengeschäfts“ bei der Postbank, unter anderem wegen verschiedener „Störungen im Online- und Mobile-Banking sowie der mangelnden Erreichbarkeit des telefonischen Kundendienstes“, bestellte die Behörde im September einen „Sonderbeauftragten für die Deutsche Bank“.

Probleme bei der Postbank: Bald drohen auch noch Warnstreiks

Auch im Februar 2024 sind noch Nachwirkungen dieser Probleme zu spüren, wie aktuelle Nutzerkommentare auf der Facebooseite der Postbank zeigen. „Eigentlich müsste es verboten sein, dass die Postbank überhaupt noch Kunden annehmen darf“, wettert ein Betroffener: „Auf eine simple Kontoauflösung, die bei anderen Banken 5 Minuten gedauert hat, warte ich bereits seit April 2023!!!“

Immerhin verzeichne man einen „Rückgang der Kundenbeschwerden seit dem Sommer 2023“, sagte ein Banksprecher dem Abendblatt. Und weiter: „Wir sind beim Abarbeiten der Rückstände an Kundenanfragen seit Sommer weit vorangekommen – auch dank mehr als 800 zusätzlichen Arbeitskräfte für diese Aufgaben.“ Die Abarbeitung der verbleibenden Rückstände sei komplex und nehme „in Teilen mehr Zeit in Anspruch“. Deutsche-Bank-Chef Sewing hatte dies zuletzt bis Ende März in Aussicht gestellt.

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Allerdings könnte es in den nächsten Wochen abermals zu Unterbrechungen des Geschäfts kommen. Denn gerade hat die neue Tarifrunde für die 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem Postbank-Tarifvertrag begonnen – und Ver.di fordert satte 15,5 Prozent mehr Geld, mindestens aber 600 Euro pro Monat. Damit drohen nun auch noch Warnstreiks.

Davon, wie sich das für Kunden anfühlen könnte, bekamen diese bereits am Montagvormittag eine Vorstellung: Die Postbank und die Deutsche Bank mussten bundesweit alle ihre Filialen bis gegen 11 Uhr geschlossen halten. Grund dafür war eine Störung der Alarmanlagen, für die ein externer Dienstleister verantwortlich war.