Hamburg. Zwei prominente Anbieter haben Insolvenz angemeldet. Mit welchem Konzept man in der Hansestadt dennoch erfolgreich sein will.

Wenn in einer Branche zwei große Anbieter innerhalb weniger Wochen Insolvenz anmelden müssen, heißt das üblicherweise auch für andere Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs nichts Gutes. Doch für Firmen, die Co-Working-Spaces (Mietbüros) bereitstellen, scheint das so pauschal nicht zu gelten – jedenfalls nicht in Hamburg.

Zwar musste das Mega-Start-up WeWork, das lange als Branchenführer galt, im November in den USA Gläubigerschutz in Anspruch nehmen. Im Januar beantragte dann auch der Münchner „Flex-Office-Betreiber“ Pro.work, der unter der Marke Workrepublic deutschlandweit zwölf Co-Working-Standorte führt, ein Insolvenzverfahren.

Ganz im Gegensatz dazu steht die Situationsbeschreibung von Robert Beddies, Geschäftsführer des Hamburger Anbieters Betahaus: „Was Arbeitsplatzvermietungen angeht, war 2023 das erfolgreichste Jahr, das wir je hatten.“ Auch Peter Berg, Mitglied der Geschäftsführung des Projektentwicklers Home United, der das im Co-Working-Objekt „Hamburger Ding“ seit 2019 erprobte Konzept derzeit auf weitere Standorte in Deutschland ausweitet, ist nach eigenen Worten insgesamt „sehr, sehr zufrieden“.

Co-Working in Hamburg: Branche zeigt sich widerstandsfähig

Tobias Kollewe, Präsident des Bundesverbandes Coworking Spaces Deutschland (BVCS), blickt „voller Optimismus“ in das neue Jahr. 2023 sei „eine Zeit großer Herausforderungen“ gewesen, aber auch ein Jahr, in dem „die Co-Working-Branche einmal mehr ihre Widerstandsfähigkeit und ihre Fähigkeit zur Anpassung unter Beweis gestellt“ habe.

Für Beddies steht jedenfalls fest: „Der Kreis der potenziellen Kunden ist größer geworden.“ Denn seit Beginn der Corona-Pandemie sei man daran gewöhnt, der Berufstätigkeit auch mobil nachzugehen: „Der Arbeitsplatz kann heute auch ein ICE-Abteil oder ein Café sein.“ Darum glaubt Beddies: „Die Nachfrage nach klassischen Büroflächen nimmt tendenziell weiter ab.“

Damit leiden aber auch die Perspektiven von Mietbüro-Anbietern, die in ihren Räumen im Wesentlichen einfach in großem Stil Schreibtische zur Verfügung stellen. „WeWork hatte für uns nie mit Co-Working zu tun“, sagt Beddies, Betreiber von Standorten im Schanzenviertel und in der HafenCity. Vielmehr müsse es darum gehen, sogenannte „dritte Orte“ jenseits des beruflichen und des privaten Umfelds zu schaffen: „Der Hauptgrund, zu uns zu kommen, waren immer die sozialen Kontakte und das Drumherum“.

Laut Branchenverband gibt es in Hamburg 101 Co-Working-Standorte

So finden sich im Betahaus nicht nur flexibel gestaltbare Workshop-Räume und die besonders beliebten Telefonkabinen für ungestörte Videokonferenzen, die Betreiber organisieren auch gemeinsame Frühstücke oder Lesungen.

Wie Daten des BVCS zeigen, hat im Zeitraum von 2020 bis Oktober 2023 die Zahl der Co-Working-Spaces noch deutlich von 1268 auf 1852 Standorte zugenommen. Zum Vergleich: 2018 waren es erst 364. In Hamburg werden 101 Angebote gezählt (2020: 77). Somit gibt es in Hamburg 5,3 „Spaces“ pro 100.000 Einwohner, in Berlin sind es 5,9. Dabei sind drei Standorte von WeWork sowie zwei von Workrepublic in Hamburg unverändert in Betrieb.

Für 2024 erwartet Verbandspräsident Kollewe eine „gewisse Konsolidierung in der Branche“. Zugleich biete das neue Jahr aber eine „Chance für kleinere und mittlere Co-Working-Anbieter, ihre Präsenz zu stärken und ihre einzigartigen Angebote hervorzuheben“.

Hamburger Anbieter lockt mit Fitnessstudio und Computerspiel-Zone

Ganz ähnlich sieht es Peter Berg vom „Hamburger Ding“ nahe dem Nobistor auf St. Pauli. Nach seiner Einschätzung gibt es in Hamburg durchaus noch Platz für attraktive Angebote. Genau wie Beddies hebt er hervor, wie wichtig es künftig für Co-Working-Plätze sein werde, dass man dort auch „Interessen abseits des Beruflichen nachgehen“ kann. So organisiert das Team des „Hamburger Ding“ unter anderem Afterwork-Basketball in einer nahegelegenen Schulsporthalle. Zudem gibt es ein Fitnessstudio im Haus, in dem man Sportkurse buchen oder auch allein trainieren kann, daneben ist eine Computerspiel-Zone mit professioneller Ausstattung vorhanden.

„Das Thema ‚New Work‘ wird noch an Bedeutung gewinnen“, sagt Berg. Denn angesichts des Fachkräftemangels werde sich der Wettbewerb um die besten Mitarbeiter weiter zuspitzen. Um sie ins Unternehmen zu bekommen und dort halten zu können, müsse man ein Umfeld schaffen, „in dem sie sich wohlfühlen“.

Kleinere Firmen können sich keinen eigenen „Campus“ wie bei Google leisten

Konzerne wie Google könnten einen „Campus“ anbieten, der solchen Anforderungen genüge, kleinere Firmen aber hätten in der Regel nicht die Möglichkeit dazu. Darum hat das Betreiberteam des „Hamburger Ding“ ein Konzept entwickelt, das auf Firmen in der Größenordnung zwischen 50 und 200 Beschäftigten abzielt, die zum Beispiel einmal wöchentlich Teams dort zusammenbringen können.

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Dafür sei man gut positioniert, glaubt Berg, denn: „Bei uns bilden Start-ups und Selbstständige, die lange Zeit als hauptsächliche Klientel von Co-Working-Spaces galten, ohnehin nicht den Schwerpunkt unter den Kunden.“ Seit Dezember ist man mit dem Angebot „Campus as a service“ am Markt, erste Nutzer seien schon gefunden.

Zusätzlichen Platz musste man dafür offenbar nicht schaffen. Denn während bei den abschließbaren Büros „durchgängig nahezu Vollauslastung“ herrschte, gibt es in den Großraum-Bereichen noch freie Kapazitäten.