Hamburg. Norbert Aust hat als Handelskammerpräses Olympische Sommerspiele mit der dänischen Hauptstadt vorgeschlagen – das Echo ist positiv.

Hamburg spricht wieder über Olympische Sommerspiele. Nach der Volksabstimmung am 29. November 2015, bei der 51,6 Prozent der Hamburger die Bewerbung stoppten, war es lange Zeit still geworden. Zu bitter die Niederlage, zu groß die Enttäuschung, zu schwach der Zuspruch, als sich ein weiteres Mal begeistert in eine Bewerbung zu stürzen.

Bei der Jahresschlussveranstaltung der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns wagte Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust einen neuen Vorstoß: Er schlug Ende Dezember vor, Sommerspiele 2040 gemeinsam mit Kopenhagen zu organisieren. „Hinter der olympischen Idee steht die Begegnung von Menschen, die Völkerverständigung. Ich fände es toll, wenn zum zehnten Jubiläum der Fehmarnbeltquerung die Olympischen Spiele in diesem großen Lebens- und Wirtschaftsraum stattfinden können“, sagte er nun im Podcast „Was wird aus Hamburg?“. Mit der Fertigstellung des Auto- und Bahntunnels verkürzt sich die Reisezeit in die dänische Hauptstadt deutlich: Züge sollen von 2029 an statt fünf nur noch zweieinhalb Stunden benötigen.

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Olympia in Hamburg? Dänemark hat Interesse an gemeinsamen Sommerspielen

Aust ist vom Echo auf seinen Vorschlag positiv überrascht. „Ich bekomme aus Dänemark wie aus Norddeutschland sehr positive Signale“, sagt er. „Es gab noch nie eine internationale Bewerbung, die ist nach den neuen Statuten des IOC aber möglich.“ Die Entscheidung vom November 2015 hält der sechsfache Vater noch immer für eine verpasste Chance – „weniger für die Wirtschaft als für die Bewohner der Stadt. Alle Gastgeber Olympischer Sommerspiele haben sehr profitiert und sind in den Fokus der Welt gerückt“ wie Barcelona, Sydney oder München.

Anders als bei den gescheiterten Bewerbungen 2003 und 2015 will die Kammer nicht mehr Motor sein. „Eine Bewerbung ist die Entscheidung der Gesellschaft, nicht der Wirtschaft. Die Bevölkerung muss es wollen.“ Und anders als für die Spiele 2024 gibt es auch keine Elbinsel mehr, die das Olympische Dorf beherbergen kann – der Grasbrook wird schon bebaut. Aber die Idee der Spiele lebt wieder. „Ich habe einen Stein ins Wasser geworfen, der hoffentlich große Wellen schlägt“, so der langjährige Vorstandsvorsitzender des Tourismusverbandes Hamburg.

Aust steht für eine neue Bescheidenheit der Kammer, die viele Jahrzehnte wie eine Nebenregierung der Stadt auftrat. „Wenn ich dazu beigetragen habe, dass unser Auftreten etwas bescheidener geworden ist, bin ich zufrieden. Die Handelskammer vertritt das Gesamtinteresse der Hamburger Wirtschaft. Das sind rund 180.000 Unternehmen“, sagt der 80-Jährige. „Wir beraten gerne, wir engagieren uns für den Standort, aber wir sind keine politischen Entscheidungsträger.“

Den Hamburger Hafen versteht Aust als Raum voller Chancen

Seit Langem treibt die Kammer um, wie die Hansestadt 2040 leben will – vor allem aber, wovon sie denn leben will. Zum Thema gibt es nicht nur einen Podcast, es ist die Kernfrage der Handelskammer-Standortstrategie „Hamburg 2040“. „Wir können uns sehr schnell in der Stadt darauf verständigen, wie wir künftig leben wollen, beim Wovon sieht die Sache schon anders aus“, sagt der Mitbegründer und langjähriger Theater-Geschäftsführer vom Schmidts Theater und Schmidts Tivoli.

Für Aust ist klar, dass es nicht ohne den Hafen geht: „Die Stadt muss sich auf ihre Stärken besinnen. Dazu zählt die Wirtschaftskraft des Hafens, aber auch die Attraktivität und Lebendigkeit, die Hamburg ausstrahlt. Wir leben davon, dass viele junge Menschen in diese Stadt kommen, Arbeitsplätze finden und die Entwicklung vorantreiben.“

Aust: Einstieg von MSC bei HHLA ist positiv, geht aber nicht weit genug

Bei der Jahresabschlussveranstaltung, bei der der Kammerpräses traditionsgemäß der Stadt die Leviten liest und ihr die Karten legt, hatte Aust eine Zukunftsklausur angeregt, in der Entscheider aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenkommen, um gemeinsam Hamburgs Zukunft zu gestalten. Damit verband Aust auch eine Kritik am Senat: „Ordentliches Regieren ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine erfolgreiche Zukunft. Wir müssen darüber reden, wie wir unseren Wohlstand erhalten und eine lebendige, attraktive Stadt bleiben.“

Insgesamt konstatiert der frühere Rektor und spätere Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik, dass die Stadt ein Opfer ihres eigenen Erfolges werden könnte. „Wem es gut geht, der ruht sich manchmal zu lange auf dem aus, was er hat.“ Den Einstieg der weltgrößten Reederei MSC bei der HHLA begrüßt Aust: „Ein Privatunternehmen in ein Staatsunternehmen hineinzuholen, ist ein Schritt zu mehr Effizienz. Aber das reicht nicht: Wir brauchen insgesamt mehr Wettbewerb im Hamburger Hafen.

„Wo sind die 1,5 Milliarden Euro geblieben?“

Aust interpretiert die Aufgabe der öffentlichen Hand anders: „Der Staat soll die Rahmenbedingungen schaffen, sich aber aus dem wirtschaftlichen Betrieb heraushalten.“ Rotterdam und Antwerpen seien enteilt, weil man dort mehr Wettbewerb zulasse. „Wir werden in Kürze ein neues Projekt vorstellen, das mehr Wettbewerb in den Hafen bringen soll.“

Insgesamt sieht er die Zukunft des Hafens positiv: „Der Hafen ist viel mehr als der Umschlag von Containern, er ist das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands und bietet ein großes Flächenreservoir. Dort ist Platz für die Ansiedlung von zukunftsgerichteten Unternehmen.“

Die üppige Dividende von mehr als 1,5 Milliarden Euro, die die Beteiligung an Hapag-Lloyd in die Kassen der Stadt gespült hat, hätten besser in Zukunftsinvestitionen als in den Haushalt fließen sollen. „Wo ist das Geld geblieben?“, fragte Aust rhetorisch. Es wäre sinnvoll gewesen, den zehnstelligen Betrag in Wissenschaft und Innovation zu investieren.

Hamburg muss aufpassen, beim Bau der Wasserstoffwirtschaft nicht zurückzufallen

Zum Beispiel in die Energiewende: Der geplante Elektrolyseur im Hafen, Wahrzeichen der neuen Wasserstoffwirtschaft, kommt nicht so rasch voran, wie manche gehofft hatten. Mit Shell und Vattenfall zogen sich zwei zentrale Mitstreiter zurück, Shell investiert nun in den Aufbau des weltgrößten Elektrolyseurs in Rotterdam. „Das ist sehr bedauerlich. Wir dürfen keine Zeit verlieren, weil andere Regionen mit großen Schritten vorangehen.“

Auch bei Fragen der Stadtentwicklung erhebt die Kammer ihre Stimme. 2016 schlug die Institution am Adolphsplatz vor, die sechsspurige Willy-Brandt-Straße unter die Erde zu verlegen und damit den Graben zwischen Innenstadt, Speicherstadt und HafenCity zu beseitigen. Das sei finanzierbar, hatte der frühere Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz vorgerechnet: Die Baukosten könnten durch neu entstehende Grundstücksflächen an und auf dem Tunnel finanziert werden. Bis zu 25.300 Quadratmeter für Büros und neue Wohnungen seien möglich.

Aust ärgert sich über die verpasste Chance einer Untertunnelung der früheren Ost-West-Straße

„Ich hänge vergangenen Chancen nicht nach, aber hätte man damals angefangen, wäre diese Untertunnelung heute fast fertig“, ärgert sich Aust. „Und wir müssten uns keine großen Gedanken über die Anbindung der HafenCity zur Innenstadt machen. Was wir jetzt nicht brauchen, sind neue Diskussionen, sondern schnelles Handeln.“ Er fürchte, dass das neue Überseequartier – eine neue Stadt in der Stadt – mit der Eröffnung am 25. April den Konkurrenzdruck für die gewachsene City erhöht.

Aust ärgert noch etwas anderes. „Am Klosterwall, wo früher der City-Hof stand, hätte eine attraktive Lösung Hauptbahnhof und HafenCity zusammenbinden können. Das ist die zweite verpasste Chance. Jetzt bleibt mit der Domachse nur eine kleine Lösung, aber auch darüber wird schon seit Jahren geredet.“ Es gehe darum, endlich Entscheidungen zu treffen, sagt der langjährige Vorsitzende des Tourismusverbandes. „Wir hatten in den vergangenen 20 Jahren viele Pläne für die Verbindung zwischen Innenstadt und HafenCity.“ Beide gehörten zusammen und wurden erst durch die Ost-West-Straße getrennt.

Die gewachsene Innenstadt darf nicht durch die HafenCity abgehängt werden

„Wir müssen uns nun darauf konzentrieren, dass die alte Innenstadt nicht abgehängt wird“, sagt Aust. Mit den vielen Gebäuden, die der insolventen Signa gehören, wie dem Karstadt-Gebäude, dem Thalia-Haus, der früheren HSH Nordbank oder den Alsterarkaden, kommt noch eine weitere Herausforderung hinzu. Am Gänsemarkt steht nach dem Abriss der alten Passage nur noch ein Bauzaun. „Das sind große Lücken, die wir dringend schließen müssen. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Stadt Lösungen findet, die spätestens in 20 Jahren unsere jetzigen Sorgen vergessen lassen.“

Unumstritten ist: Der klassische Einzelhandel allein wird die Innenstadt nicht retten. Es müssen neue Nutzungen her, mehr Wohnungen, mehr Gastronomie, mehr Kultur, mehr Ereignisse – so formulierte es auch das Innenstadtkonzept der Kammer. „Wir müssen mehr Frequenz in die Innenstadt bringen. Es gab mal Zeiten, da kamen im Jahr rund 100 Millionen Tagesbesucher in die Stadt.“ Nach Corona, durch das veränderte Einkaufs- und Arbeitsverhalten sinkt diese Frequenz.

Mehr Hochschulen in die City!

Bildungseinrichtungen sind eine weitere Idee, mehr Leben in die City zu holen. „Wir haben unser Bildungszentrum der Handelskammer an die Willy-Brandt-Straße verlegt. Das war vorher eine relativ tote Gegend, die wird jetzt immer beliebter: Jetzt gibt es dort junge Leute und Kneipen.“ Aust plädiert dafür, mehr Institute der Universität in die Innenstadt zu holen. „Das würde sofort zu einer Belebung führen.“

So sahen die Sommerspiele in Hamburg aus: Nach den Plänen der Entwickler sollte das Olympiastadion samt olympischem Dorf auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen entstehen. Die Computeranimation stammte von Gerkan, Marg und Partner (gmp), Büro Gärtner und Christ
So sahen die Sommerspiele in Hamburg aus: Nach den Plänen der Entwickler sollte das Olympiastadion samt olympischem Dorf auf dem Kleinen Grasbrook im Hafen entstehen. Die Computeranimation stammte von Gerkan, Marg und Partner (gmp), Büro Gärtner und Christ © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / gmp, Büro Gärtner und Christ

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Noch ein Punkt treibt Hamburgs obersten Interessenvertreter der Wirtschaft um: Er will Grenzen überwinden, auch Stadtgrenzen. „Ich bin seit vielen Jahren dafür, dass wir in Wirtschaftsräumen denken. Für mich ist die Zusammenarbeit in Norddeutschland unverzichtbar.“ Seine Kritik: „Wir haben fünf Bundesländer, jeder werkelt viel für sich und denkt die norddeutsche Komponente zu wenig mit.“ Das betreffe auch Hamburg. „Warum werden unsere neuen Schnellbahnen wie die U5 nicht bis ins Umland erweitert? Die Metropole endet nicht an den Stadtgrenzen.“

Seine Prognose: In den kommenden Jahren wird der norddeutsche Wirtschafts- und Lebensraum weiterwachsen, wenn Kopenhagen oder Malmö näher rücken. Beide Städte liegen kaum weiter entfernt als Berlin oder Kassel. „Unser Wirtschaftsraum wird mit der Fehmarnbeltquerung bis Südschweden reichen“, sagt der 80-Jährige. „Dann wird Hamburg die südlichste Stadt Skandinavien sein.“ Die Ansiedelung des Northvolt-Batteriewerkes in Heide sei ein Fingerzeig. Das Unternehmen wirbt bewusst mit dem Standort „nördlich von Hamburg“. „Das wird unseren ganzen Wirtschaftsraum verändern“.

Liegt Hamburgs Zukunft also im Norden? Norbert Aust zitiert den Leitspruch von Albert Ballin: Unser Feld ist die Welt. „Wir müssen nach außen schauen. Nordeuropa – von Südschweden bis Niedersachsen – ist ein Wirtschaftsraum. Und der kann international noch viel besser werden, als er es jetzt ist.“

Fünf Fragen an Norbert Aust

Meine Lieblingsstadt ist Hamburg, die Stadt, in der ich seit über 60 Jahren lebe. Am Tag nach meinem Abitur bin ich von Delmenhorst nach Hamburg gefahren und hiergeblieben.

Mein Lieblingsstadtteil ist Winterhude wegen seiner Nähe zur Alster und zur Innenstadt. Anders als Eppendorf, aber genauso lebenswert.

Mein Lieblingsort ist der Kleine Grasbrook. Dort kann sich zukunftsgerichtete Stadtentwicklung vollziehen – hier wachsen Leben, Arbeiten und Wohnen zusammen. Das finde ich unglaublich spannend.

Mein Lieblingsgebäude ist das Klubhaus auf St. Pauli wegen seiner preisgekrönten und preiswürdigen Fassade.

Einmal mit der Abrissbirne … habe ich kein Gebäude zu bieten. Ein Abriss ergibt erst Sinn, wenn es einen genehmigten Plan für eine Nachnutzung gibt. Ich war nie ein Freund der Esso-Häuser am Spielbudenplatz, aber der Stillstand im sogenannten Paloma-Viertel seit zwölf Jahren ist nicht hinnehmbar. Das ist eine Katastrophe für den Stadtteil und seine Entwicklung.