Hamburg. Das Start-up OneGuide will bis Jahresende schon Audio-Guides für 10 bis 20 Städte im Angebot haben. Und so funktioniert die Technik.
Eine Reiseführer-App, deren Inhalte praktisch ausschließlich mittels Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugt werden? „Zunächst haben uns alle nur ungläubig angesehen, wenn wir von dem Konzept erzählt haben“, sagt Wiebke Nadzeika, Mitgründerin und Chefin des Hamburger Start-ups OneGuide. „Doch als Ende 2022 der KI-Sprachgenerator ChatGPT öffentlich zugänglich wurde, hat sich das schlagartig geändert.“
Im Februar soll die App auf den Markt kommen, wobei zunächst Reiseführer für die Städte Berlin und Hamburg erhältlich sein werden. „Die Idee für das Produkt kam mir im Urlaub“, sagt Nadzeika, die von 2015 bis Dezember 2022 für das Medienhaus Gruner + Jahr arbeitete und dort zuletzt für digitale Inhalte verantwortlich war. „Ich reise sehr gern, aber das Angebot an Städteführern auf dem Smartphone erschien mir eher langweilig.“ Außerdem fiel ihr auf, dass solche Apps häufig regional eng begrenzt oder nur in höchstens zwei Sprachen verfügbar sind.
KI schreibt Reiseführer: Smartphone-Kamera zeigt, wie die Akropolis in der Antike aussah
„Ich habe mich gefragt, warum es keine Reiseführer-Apps gibt, die individuell auf die Interessen und den Kenntnisstand der Nutzer zugeschnitten werden können und die für sehr viele Städte und in vielen Sprachen angeboten werden“, so Nadzeika. Klar ist: Der Aufwand, die entsprechenden Inhalte zu erstellen, wäre extrem hoch, wenn sie von Menschen produziert werden müssten – da bietet sich die KI geradezu an.
Also suchte Nadzeika einen Mitgründer, der sich damit gut auskennt. Marlon Lückert, der bis dahin als selbstständiger Softwareentwickler tätig war, brachte noch eine weitere Kompetenz ein: „Ich war immer auf der Suche nach sinnvollen Anwendungsmöglichkeiten für Erweiterte Realität“, sagt er. Die OneGuide-App wird solche Funktionen enthalten. Zwei Beispiele dafür: Richtet man die Smartphone-Videokamera auf das Brandenburger Tor, kann man auf Wunsch sehen, wie die Berliner Mauer noch davor stand – das Kamerabild der realen Umwelt wird mit dem virtuellen Bild des früheren Zustands vermischt. Auf die gleiche Weise könnte man sich in Athen anzeigen lassen, wie die Akropolis in der Antike aussah, unversehrt und bunt bemalt.
So wird die Künstliche Intelligenz trainiert
Vor allem aber bietet die App eine Reihe von Audio-Guides für die jeweiligen Stätten, bei denen es sich etwa um Museen oder historisch bedeutende Gebäude handeln kann. Zunächst hat Nadzeika einige Texte zu Berliner Sehenswürdigkeiten selber geschrieben und damit die KI „trainiert“, damit diese dann die Inhalte in der gewünschten Art formulieren kann. OneGuide nutzt dazu die KI-Software des ChatGPT-Entwicklers OpenAI. „Damit keine sachlichen Fehler in den Texten enthalten sind, geben wir Quellen vor, die zuverlässig sind“, sagt Lückert.
Im nächsten Schritt wurden die so erstellten Audio-Guides vor Ort in Berlin in der Praxis getestet. „Dazu haben wir an den entsprechenden Sehenswürdigkeiten kleine Aufkleber mit QR-Codes, die unsere Software aufrufen, angebracht“, erklärt Nadzeika. Im Schnitt hätten jeweils 8000 Personen pro Monat die Audio-Guides genutzt, Rückmeldungen seien in die Weiterentwicklung des Konzepts eingeflossen. „Als beliebt hat sich eine lockere Erzählweise herausgestellt, als würde man mit einem Freund die Stadt entdecken.“ Aus den Tests ergaben sich zudem Erkenntnisse für den Umfang dieser Texte – sie sollten nicht länger als fünf Minuten dauern.
Für eine komplette Stadt kosten die Tipps so viel wie ein Reiseführer in Buchform
Während die Nutzung der Test-Audio-Guides zunächst kostenlos war, erprobte das Start-up dann auch die Zahlungsbereitschaft von Nutzerinnen und Nutzern. Anhand dieser Erkenntnisse sind Preise von 3,50 bis 6,99 Euro pro Audio-Guide vorgesehen. Ein kompletter Städteführer könne 10 bis 15 Euro kosten – „ungefähr so viel wie ein Reiseführer in Buchform“, sagt Nadzeika.
Andere Reise-Apps wie etwa CityMaps2Go, SmartGuide oder mmtravel bieten jedoch mindestens teilweise auch kostenfreie Inhalte an, zum Beispiel wenn man nicht „offline“ auf sie zugreift. Ebenfalls kostenlos sind die digitalen Reisetipps des Hamburger Start-ups Plazy, das bisher erst die Städte Wiesbaden und Hamburg abdeckt, wobei der Schwerpunkt für die Hansestadt auf vegetarischer und veganer Kost, nachhaltiger Mode und „grünen“ Orten liegt. Weitere Ziele sind bei Plazy „in Vorbereitung“.
OneGuide unterscheidet sich im Hinblick auf die Zielgruppe von etlichen solcher Angebote, die nicht zuletzt auf Ausgeh- und Shopping-Tipps für junge Menschen ausgerichtet sind und von denen einige ihre Inhalte aus der eigenen Nutzer-„Community“ beziehen. „OneGuide ist gedacht für die große Gruppe der Kulturreisenden, die fast 50 Prozent aller Reisenden ausmacht und von der Altersstruktur sehr divers ist“, so Nadzeika. Sie schließt aber nicht aus, dass später auch Restaurant- und Einkaufstipps mit hereingenommen werden.
Bis zum Jahresende 2024 könnten schon 10 bis 20 Städte im Angebot sein
Nachdem die Markteinführung greifbar nahe gerückt ist, stehen nun weitere Herausforderungen an – vor allem die Suche nach Investoren. Anfänglich hat das Gründer-Duo die Entwicklung der App allein mit eigenen Mitteln finanziert, seit Dezember gibt es einen monatlichen Zuschuss aus dem InnoFounder-Programm der Hamburger Förderbank IFB. Angestrebt wird, bis zum Sommer weiteres Kapital von sogenannten „Business Angels“ eingeworben zu haben. Damit könnte dann auch das Team erweitert werden; bisher unterstützt nur eine studentische Hilfskraft bei der Programmierung der App.
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Parallel geht es darum, Partner aus der Touristik-Szene wie etwa Kreuzfahrtbetreiber oder Tourismusbüros zu finden, die im Idealfall an bestimmten Orten eine für die Nutzer kostenfreie Verwendung der App ermöglichen könnten. Das Ziel steht jedenfalls fest: „OneGuide soll die Reiseführer-App werden, die man wirklich überall und in praktisch allen wichtigen Sprachen verwenden kann“, sagt Nadzeika. Bis zum Jahresende 2024 könnten schon 10 bis 20 Städte im Angebot sein.