Hamburg. Warum Volkswirte für Deutschland und die Stadt nur verhalten optimistisch sind – und was die Probleme Chinas für den Hafen bedeuten.

Hohe Strompreise, schwache Auftragslage, fehlendes Personal und eine hemmende Bürokratie – viele Hamburger Unternehmen leiden derzeit unter mindestens einem dieser Faktoren. Doch auch gemessen an objektiven Daten geht es der deutschen Wirtschaft nicht gut: Das sogenannte Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im abgelaufenen Jahr um 0,3 Prozent geschrumpft sein.

Nach Auffassung von Hamburger Volkswirten wird es 2024 aber voraussichtlich wieder aufwärtsgehen. „Wir gehen davon aus, dass sich Deutschland seit dem dritten Quartal 2023 in einer Rezession befindet und diese im ersten Quartal 2024 wieder verlassen wird“, heißt es dazu von der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Die Triebfeder sei der private Konsum, der in diesem Jahr um 1,5 Prozent zulegen könnte (2023: minus 0,9 Prozent). „Denn die Inflation wird niedriger als im Vorjahr ausfallen, während gleichzeitig relativ hohe Lohnabschlüsse die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen sollten“, erklären die Experten der HCOB. Sie rechnen für 2024 mit einem BIP-Wachstum von 0,5 Prozent, wobei die Metropolregion Hamburg nach Einschätzung von HCOB-Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia aber wohl einen „kleinen Abschlag“ hinnehmen muss.

Haspa und Co.: Was Hamburger Experten für 2024 erwarten

Grund dafür sei nicht nur die erwartete Abschwächung der chinesischen Wirtschaft – das asiatische Land stellt den mit Abstand größten Teil des Containerumschlags im Hamburger Hafen –, sondern auch das Problem mit den Huthi-Rebellen, die im Roten Meer Schiffe angreifen. „Handelsschiffe auf der Route von Asien nach Europa und nach Hamburg müssen jetzt meist um Afrika herumfahren und kommen entweder zehn Tage später an oder gar nicht, weil die erhöhten Treibstoffkosten den Warentransport zu teuer machen“, sagt Cyrus de la Rubia. Diese Schwierigkeiten wirkten dämpfend auf die Konjunktur in der Metropolregion Hamburg.

Haspa: „Die früheren Erfolge im Außenhandel sind nicht wiederholbar“

Auch bei der Haspa ist man nur verhalten zuversichtlich. „Deutschland ist weiter auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell und hat mit der kostenintensiven Transformation der Wirtschaft begonnen“, schreiben die Analysten der Sparkasse. „Die früheren Erfolge im Außenhandel sind nicht wiederholbar.“ Denn deutlich erhöhten Aufwendungen für Energieimporte stünden abnehmende Exportzuwächse gegenüber. Der industrielle Sektor befinde sich in der Rezession, und die Bauwirtschaft nähere sich insbesondere im Bereich Wohnungsbau diesem Zustand an.

„Neue staatliche Hilfsprogramme sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur ‚Schuldenbremse‘ nicht zu erwarten“, so die Experten der Haspa. Einen Lichtblick stellten die erwarteten positiven Reallöhne dar: „Die sich abzeichnenden Tarifabschlüsse oberhalb der Inflationsrate verbessern die Kaufkraft der privaten Haushalte und sollten die Konsumnachfrage im neuen Jahr stärken.“ Gleichwohl rechne man für Deutschland lediglich mit einem BIP-Wachstum von 0,5 Prozent.

„Die deutsche Wirtschaft bewegt sich seit fast vier Jahren in einem nahezu andauernden Krisenmodus“, stellt Michael Berlemann, der wissenschaftliche Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), im Konjunkturbericht für 2024 fest. Zuletzt sei auch noch Verunsicherung durch die „Haushaltskrise“ des Bundes nach dem Verfassungsgerichtsurteil aufgekommen. Die zuletzt deutlicheren Einkommenssteigerungen der Verbraucher dank höherer Tarifabschlüsse und Inflationsausgleichsprämien sowie der gestiegenen Renten seien bisher vielfach in die Ersparnis geflossen.

Der private Konsum dürfte zur wichtigsten Stütze der Konjunktur werden

Doch in diesem Jahr dürfte der private Konsum, der mehr als 50 Prozent Anteil am realen Bruttoinlandsprodukt habe, dann doch steigen „und zur wichtigsten konjunkturellen Stütze werden“, so Berlemann. Die stärker zunehmenden Einkommen und die im Jahresverlauf eher wieder sinkenden Zinsen stabilisierten ebenso die private Baunachfrage. Zudem werde die auch weltweit nachlassende Inflation „eine globale Konjunkturerholung ermöglichen, von der wiederum auch die exportabhängige deutsche Wirtschaft profitieren wird.“ Beim HWWI geht man für 2024 von einem Wachstum des bundesdeutschen BIP von 0,5 Prozent aus.

Auch für die Hamburger Wirtschaft zeigt sich Berlemann „nur verhalten optimistisch“. Zwar werde der für die Hansestadt bedeutende Dienstleistungssektor wohl ebenfalls von der sich erholenden Konsumlaune profitieren. „Das Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung für das Gastgewerbe wird allerdings weitere Preiserhöhungen nach sich ziehen, die nicht ohne Nachfrageeffekte bleiben werden“, so der HWWI-Direktor.

Auch wenn die Bundesrepublik 2023 als einziger Staat unter den führenden Industrieländern einen BIP-Rückgang aufwies, ist Deutschland nach der Überzeugung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt des Hamburger Bankhauses Berenberg, nicht der „kranke Mann Europas“. Deutschland sei eben bisher nur „von seiner einstigen Spitzenposition ins Mittelfeld der langfristigen Europaliga abgerutscht“, so Schmieding. Sofern es der Regierung gelinge, die Unsicherheiten über die künftige Energiepolitik rasch zu beenden, könne man „ab dem Frühjahr wieder auf den Wachstumspfad einschwenken“.

Haspa und Co.: Aufschwung in den USA könne Deutschland 2024 zugutekommen

Ein erwarteter neuer Aufschwung in den USA komme Deutschland vom Herbst 2024 an wohl sogar mehr zugute als den weniger ausfuhrstarken Ländern Europas. Bedeutsam für Hamburg: China hat nach Auffassung der Berenberg-Volkswirte die einstige Rolle als Motor des weltweiten Wachstums abgegeben. „Das selbst ernannte Reich der Mitte steht vor großen Herausforderungen“, heißt es.

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Insgesamt traut Schmieding der deutschen Wirtschaft nur ein Plus von gerade einmal 0,3 Prozent in diesem Jahr zu, womit man die Euro-Zone (0,2 Prozent) immerhin knapp hinter sich lassen könnte. Der Experte merkt aber an: „Die Liste der politischen Risiken ist lang.“ Dazu gehört für ihn auch ein möglicher Wahlsieg des früheren US-Präsidenten Donald Trump im November. Denn Trump sei ein Protektionist, und „Handelskriege träfen die offenen Volkswirtschaften Europas und Asiens mehr als die USA“.